Klettern im Dachsteingebirge am 06.06.2015

Es ist gut, wenn man in Seilschaften eine klare Aufgabenverteilung hat. So ist bei uns Boris immer für die Auswahl der ausgefalleneren Tagesziele zuständig. Unter 200km Anfahrt macht er es nicht. Dieses Mal entflohen wir G7-Rummel und Gewitterfront in den Gosaukamm. Wettermäßig wurde das ein absoluter Volltreffer, die Kletterei am Eisgrubenturm war ebenfalls schön, nur der Abstieg wurde unerwartet spannend.

Nach der nicht ganz kurzen Anfahrt aus München nach Filzmoos und weiter über die Mautstraße zur Aualm (1365m) starteten Claudia, Boris und ich gegen neun den Aufstieg zur Hofpürglhütte. Erstaunlich heiß war es bereits und schnell floss der Fleiß entsprechend. Vor uns thronte beeindruckend die Große Bischofsmütze und regte die Fantasie an. Also da müssen wir wohl noch mal hoch…

Die Große Bischofsmütze thront über der Blumenpracht

Die Große Bischofsmütze thront über der Blumenpracht

Kurz vor zehn erreichten wir die aussichtsreich gelegene Hofpürglhütte auf 1705m. Auf der Terrasse gönnten wir uns ein zweites Frühstück mit Kaffee und Topfenstrudel und berieten, welche Tour wir denn eigentlich gehen wollten. Da in der Schlucht noch Schnee lag und wir darauf nicht eingestellt waren, fiel die Bischofsmütze raus. Jetzt noch einen langen Zustieg auf uns nehmen wollten wir auch nicht, aber ein Gipfel sollte es schon sein – also fiel unsere Wahl auf die Westkante des Eisgrubenturms, eine gut gesicherte, leichte (eine Stelle IV+, sonst bis III+) Tour auf einen recht originellen Klettergipfel.

Hofpürglhütte vor Dachstein

Hofpürglhütte vor Dachstein

Nachdem wir uns entschieden hatten, wanderten wir weiter zum Steiglpass. Hier geht es recht steil bergauf, aber vom Kaffee belebt waren wir gut drauf und der Schmäh floss in ähnlicher Menge wie der Schweiß. Oben angekommen konnten wir nun auch unseren Turm und seine Kante erblicken – nach schöner Kletterei schaute das aus. Voller Tatendrang setzten wir unseren Weg fort, überlegten schon, ob wir nicht hinterher noch einen weiteren Gipfel in Angriff nehmen sollten – es waren ja nur sechs Seillängen. Drei Schneefelder galt es noch zu queren, dann erreichten wir den Einstieg am Fuß des Turms.

Eisgrubenturm mit Westkante

Der Eisgrubenturm. Die Abseilschlucht liegt rechts im Schatten.

Zustieg Eisgrubenturm

Claudia im letzten kurzen Schneefeld.

Am Einstieg machten wir noch einmal Pause – Geraffel anlegen, einen Riegel und ein Würstel essen und fertig machen. Da Boris ein großer Freund des Piazens ist, hatten wir vereinbart, dass ich die ersten drei Seillängen vorsteigen würde und er dann den interessanteren Teil weiter oben mit der Schlüsselstelle.

Einstieg Westkante Eisgrubenturm

Und los geht’s!

Mit den Bergschuhen drinnen war mein Rucksack recht schwer, trotzdem kam ich gut voran – die Route war halt einfach ziemlich leicht. Die ersten beiden Seillängen verlaufen in der Wand etwas nördlich der Westkante, dann geht es genau auf der Kante weiter mit einigen durchaus originellen Stellen. Am dritten Zwischenstand übergab ich das scharfe Ende der beiden Halbseile an Boris, der sich an der Schlüsselstelle, einer Piazschuppe, versuchen durfte.

Erste Seillänge Westkante Eisgrubenturm

Am ersten Zwischenstand

Ich seh' nur Helme und Rucksäcke.

Ich seh‘ nur Helme und Rucksäcke.

Nach zwei weiteren Längen schöner Kletterei erreichten wir schließlich gegen 15:30 Uhr den Gipfel des Eisgrubenturm (2103m). Für die obligatorische Gipfelpause gingen wir vom Stand noch hinüber zum höchsten Punkt und genossen die Aussicht auf die an beeindruckenden Wänden reichen umliegenden Berge. Schließlich wurde es Zeit abzusteigen.

Klettern Eisgrubenturm

Claudia klettert.

Letzte Seillänge Westkante Eisgrubenturm

Boris grüßt vom Gipfel.

Der schnellste Weg nach unten führt vom letzten Stand aus südlich in eine Schlucht. Eine Abseillänge. Routine. Der Fels steil und und oben brüchig, aber alles kein Problem. Bis Claudia als Zweite einen sehr ausgewachsenen Stein lostritt, der einen Seilstrang genau auf einer scharfen Kante trifft – nur zwei Litzen überleben, was wir aber erst erkennen, als sich der Seilmantel, der zuvor noch an einigen Fäden gehangen hatte, in Claudias Abseilgerät verabschiedet und das Elend zutage tritt. Da ist es dann schlagartig aus mit dem Spaß.

Dieses Seil muss ich wohl austauschen.

Dieses Seil muss ich wohl austauschen.

Zum Glück kann Claudia, dort wo sie gerade steckt, gut stehen, so dass wir Zeit haben, uns etwas zu überlegen. Da keiner von uns in Panik verfällt, können wir dann sie und Boris mit etwas Improvisation sicher nach unten bringen. Den folgenden Abstieg über unangenehmen Schotter legen wir alle mit etwas wackeligen Beinen zurück nach diesem Schreck.

Endlich sind wir im Gehgelände und können den Rückweg zur Hütte antreten. Der Tatendrang ist verschwunden. Hauptsache wieder sicher unten, denken wir uns.

Zurück am Steiglpass

Zurück am Steiglpass

Überm Dachstein wird's düster.

Überm Dachstein wird’s düster.

Immerhin hatten wir unseren Humor nicht eingebüßt und nach etwa zehn Minuten flogen schon wieder die ersten Scherze hin und her. Und im Abstieg vom Steiglpass kam sogar der Spaß zurück, als wir das letzte Stück im Schnee hinunterrutschten. Kurz nach sieben waren wir schließlich auf der Hütte und gönnten uns ein Abendessen, bevor wir den Abstieg fortsetzten. Mittlerweile hatten sich im Süden Gewitterwolken gebildet, aber hier blieb es trocken. Also ging es problemlos weiter hinab zur Aualm. Müde waren wir, als wir dort ankamen, erleichtert auch und dankbar, dass alles gut ausgegangen war.

Daten zur Tour

  • Eisgrubenturm (2103m), Westkante
  • Schwierigkeit IV, 6SL, 150m
  • 800 Höhenmeter
  • Gut mir Bohrhaken abgesichert
  • Vom Gipfel 1x abseilen

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

4 Kommentare

Mark · 22. Juni 2015 um 4:16 pm

Das Seil sieht schon heftig aus! Gut, dass nicht mehr passiert ist!

    Hannes · 16. Juli 2015 um 11:14 am

    Du sagst es. Das war schon ein ziemlicher Schreckmoment für uns. Irgendwie denkt man (also zumindest ich) ja immer, dass die richtige Scheiße nur Anderen passiert. Nicht, weil man so besonders schlau oder toll wäre, sondern weil es einfach nicht in die eigene Lebenserzählung passt. Als von oben der Ruf kam „das Seil reißt“, hat mich das daran erinnert, dass man auch selbst der Andere sein kann…

Dani · 6. Juni 2016 um 10:17 pm

Geleck! Jetzt erst gelesen und das ist ja mal krass. Die Wahrscheinlichkeit, dass sowas passiert ist ja normal sehr gering… vielleicht solltet ihr mal Lotto spielen? 😉
Gut dass nix passiert ist!

Die Tour haben wir übrigens auch noch am Radar, hoffentlich treten wir keine Steine los…

Lg

    Hannes · 7. Juni 2016 um 7:13 pm

    Ja, passts halt auf. 😉

    War wirklich nicht so schön, das Ganze – nur eben gut, dass wir alle heil unten angekommen sind. Aber das mit dem Lotto überlege ich mir…

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