Klettern in den Bernina-Alpen vom 11.08. bis 13.08.2017

Eigentlich hatten wir ab Mittwoch mit der Sektion ja zum Klettern nach Göschenen fahren wollen. Doch dann wurde das Wetter dort so schlecht, dass die bereits am Wochenende zuvor angereisten Kollegen wieder abreisten. Was also tun? Letztendlich fuhren Uli und ich dann zweit Tage später ins Bergell: Dort gibt es auch Granitberge und die Wettervorhersage war deutlich besser.

Freitag kamen wir nach der Anfahrt aus München gegen halb vier an der Talstation der Albigna-Seilbahn an. Mit 22,- CHF für Berg- und Talfahrt ist die Bahn für Schweizer Verhältnisse durchaus moderat bepreist. Schon mal schön. Eine Stunde später hatten wir uns dann nach oben ziehen lassen und begannen die kurze Wanderung hinüber zur Capanna da l’Albigna, die wir nach einer knappen weiteren Stunde dann auch schon erreicht hatten. So entspannt war ich auch schon länger nicht mehr zu einer Hütte gekommen.

Erster Blick auf die Albigna-Hütte

Erster Blick auf die Albigna-Hütte

Samstag früh war das Wetter erst mal ziemlich trübe, als wir frühstückten. Der nächtliche Regen hatte aufgehört und der Fels schien einigermaßen trocken, trotzdem war es nicht allzu einladend. Da es aber ab Mittag besser werden sollte, brachen wir schließlich doch auf, um zum Piz Balzet zu wandern und dessen Südpfeiler anzugehen. So gegen 10:00 Uhr waren am Einstieg, als es aufriss und uns die Sonne angenehm warm auf den Buckel schien. So soll Kletterwetter sein, dachten wir uns und machten uns startbereit.

Dieser dicke Murmler hatte wenig Scheu vor uns.

Dieser dicke Murmler hatte wenig Scheu vor uns.

Kurz zeigt sich unsere heutige Kletterroute.

Kurz zeigt sich unsere heutige Kletterroute.

Leider sollte es das für den Rest der Tour dann auch schon wieder gewesen sein mit Sonnenschein und die ganze Angelegenheit wurde eher frisch. Aber das wussten wir ja nicht und hofften noch auf baldige Besserung. Da ich mich nicht recht herantraute, stieg Uli die erste Seillänge (4c) vor, die mir im Nachstieg die Möglichkeit gab, mich in die granittypische Reibungskletterei einzufinden. Das war schon ganz cool, nur eben ziemlich ungewohnt.

Und los geht's.

Und los geht’s.

Am Zwischenstand zeigen sch kurz die Walliser Alpen.

Am Zwischenstand zeigen sch kurz die Walliser Alpen.

Die zweite Seillänge (4a) war dann leichter und damit passend für mich. Nach einer steilen Verschneidung ging es in grasiges Schrofengelände und da ich hier nichts fand, baute ich schließlich einen Stand aus einigen Friends – ca. 3m unter dem gebohrten. Dieses Muster sollte sich in der Folge noch ein paar mal wiederholen, weil wir ab hier sozusagen immer ein klein wenig zu weit unten in die Seillängen starteten. Na ja, so konnte ich immerhin Standplatzbau üben (Uli auch, aber der hat es nicht nötig).

Wolkenspiele überm Albigna-Stausee

Wolkenspiele überm Albigna-Stausee

Nach einer weiteren steilen Länge am Pfeiler (4a) ging es schließlich in zwei weiteren Längen etwas flacher den Grat entlang. Und dann kamen wir zur Schlüsselstelle (4c), die steil und glatt aussah, dafür gut mit Bohrhaken abgesichert. Ich war dran mit vorsteigen und ich hatte Schiss. Verstehe er, meinte Uli, aber ich solle doch mal daran denken, welche Schwierigkeiten ich in der Halle klettere. Auch wieder war, also tief durchatmen und los. Mit rechts hoch auf Reibung antreten, hochdrücken, mit der linken Hand eine kleine  Schuppe greifen, den linken Fuß nachziehen, dann die rechte Hand an die selbe Schuppe und schon war ich am ersten Haken. Auch der Rest dieser kurzen Länge gelang gut und so stand ich schließlich sehr zufrieden oben. Toll, dass ich das nach anfänglichen Schwierigkeiten bei meiner ersten Granittour hinbekommen hatte!

Uli steigt in die nominelle Schlüsselstelle ein.

Uli steigt in die nominelle Schlüsselstelle ein.

Gratkletterei

Gratkletterei

Nun war es nicht mehr weit: Nach einem einem letzten Steilaufschwung (4c) erreichten wir gegen 16:00 Uhr endlich den 2869m hohen Gipfel des Piz Balzet. Da das Wetter noch immer ungemütlich war, hielten wir uns nicht lange hier oben auf, sondern stiegen gleich weiter über den Ostgrat zur ersten Abseilstelle. Hier sollte man sich übrigens – im Gegensatz zu uns – nicht dazu verleiten lassen, nach Norden abzuseilen. Das Gelände dort ist ziemlich übel und Uli sah sich gezwungen, alles wieder aufzusteigen. Stattdessen wird am Grat entlang zu recht deutlichen Steigspuren abgeseilt. Anschließend geht es zu Fuß (Stelle II) zur nächsten Scharte und dann wie in der Führerbeschreibung weiter.

Diese steile Verschneidung war das letzte Hindernis.

Diese steile Verschneidung war das letzte Hindernis.

Gipfelstand am Piz Balzet

Gipfelstand am Piz Balzet

Es geht wieder abwärts.

Es geht wieder abwärts.

Endlich geschafft! Nun ging es einfach zu Fuß weiter zurück zu Hütte, die wir pünktlich zum Abendessen erreichten.

Wir wandern zur Hütte zurück.

Wir wandern zur Hütte zurück.

Für Sonntag hatten wir beschlossen, erst zu klettern und dann abzusteigen, da für die beiden Folgetage schon wieder unbeständiges Wetter vorhergesagt war. Heute jedoch konnten wir bei perfektem Bergwetter zum Stausee absteigen, dort unser überzähliges Gepäck verstauen und dann entspannt zum Einstieg des NO-Grates der Spazzacaldeira schlendern. Schon beim Zustieg merkte ich, dass ich mental nicht ganz auf der Höhe war – anscheinend steckte mir noch die die Anspannung vom Vortag in den Knochen.

Spazzacaldeira im Morgenlicht

Spazzacaldeira im Morgenlicht

Dementsprechend war ich froh, dass Uli die erste Länge vorstieg, nachdem wir noch zwei Schweizerinnen vorgelassen hatten, die wir an diesem Tag noch öfter treffen sollten. Diese erste Länge hatte es dann gleich in sich und ich war sogar im Nachstieg voll gefordert. Ein schräg abwärts geschichtete, plattige Stelle machte mir das Leben schwer. „Und das soll 4c sein?“ wunderte ich mich.

Uli in der ersten Seillänge

Uli in der ersten Seillänge

Danach musste ich erst mal Luft holen, bevor ich die zweite Länge anging, die gut gestuft und abgesichert direkt an der Kante entlang führte (4b). Immerhin – die Sicherheit kehrte während des Vorstiegs ein Stück weit zurück. Zwei weitere Längen führten über ein Band, dann verpassten wir – zusammen mit den Schweizerinnen und einer nachfolgenden italienischen Seilschaft – den Ausstieg auf den Grat und handelten uns stattdessen drei Seillängen Gemüseklettern (kurz 4c, dann bis ca. III) in einer Schlucht ein.

Erst durch den Spalt...

Erst durch den Spalt…

...und dann ins Gemüse

…und dann ins Gemüse

Zum Glück konnten wir schließlich auch von hier gut zum Grat zurück klettern (4c). Danach hatte ich noch eine leichtere Länge an einem flachen Riss entlang (4a) und dann lag die eigentliche Kletterei auch schon hinter uns und den Rest konnten wir ohne Seil und mit Bergschuhen erledigen. Eher versehentlich stiegen wir an der Fiamma vorbei, die sich Uli gerne angesehen hätte (für mich ist 5c+ ein bisschen zu schwer). Stattdessen kraxelten wir noch zum 2487m hohen Gipfel. Die seilfreie Abkletterei war dann gar nicht mal so ganz einfach (es gibt oben auch eine Abseilstelle…), anschließend ging es durch die Abstiegsschlucht zurück zum Stausee.

Es geht zurück zum Grat.

Es geht zurück zum Grat.

Am Gipfel der Spazzacaldeira

Am Gipfel der Spazzacaldeira

Abklettern

Abklettern

Die letzte Talfahrt der Bahn um 16:45 Uhr hatten wir knapp verpasst, doch zum Glück befand sich vor dem Eingang der Bergstation eine lange Schlange, die die Bahnbetreiber dazu veranlasste, länger zu fahren. Sehr freundlich! So endete unser Kletterausflug ins Bergell sehr angenehm mit der letzten Bahn des Tages. Unsere beiden Touren hatten uns viel Freude gemacht und für mich war es ein gelungener Einstieg ins Granitklettern gewesen.

Daten zur Tour

  • Piz Balzet (2869m), Südpfeiler
  • Schwierigkeit 4c, 9SL
  • 550 Hm ab Capanna da l’Albigna
  • Abstieg per Abklettern (bis II) und Abseilen
  • Spazzacaldeira (2487m), NO-Grat Gemüsevariante
  • Schwierigkeit 4c, 9SL & seilfrei zum Gipfel (kurz 4, sonst leichter)
  • 300 Hm ab Albigna-Staumauer
  • Beide Routen eher alpin abgesichert. Stände und Schlüsselstellen gebohrt

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

4 Kommentare

Mark · 20. August 2017 um 5:43 pm

Da hätten wir uns fast getroffen. Wir hatten auch überlegt auf die Albignahütte zu gehen, uns dann aber doch für die Sciorahütte entschieden, weil wir dort noch nicht waren und es deutlich alpiner zugeht.

Am Balzet Südgrat haben wir im vergangenem Jahr nach kurzer Zeit aufgegeben aufs Topo zu schauen und die (zum Teil an seltsamen Stellen gebohrten) Stände zu suchen und haben die Seillängen so gelegt, wie es gerade passte. Der Standplatzbau ist dort ja sehr einfach.

    Hannes · 20. August 2017 um 6:19 pm

    Das ist ja ein Ding, dass Ihr gleichzeitig nur ein Tal weiter unterwegs ward! Bin gespannt zu hören, was Ihr dort so gemacht habt.

    Wir haben es am Balzet Südgrat dann so ähnlich gehalten und die Seillängen nach eigenem Ermessen ausgelegt.

      Mark · 20. August 2017 um 7:20 pm

      Wir waren sogar kurz im Albignatal. Beim Abstieg vom Torre Innominata sind wir auf die Albignaseite abgestiegen und über den Cacciabella wieder zurückgewechselt.

        Hannes · 21. August 2017 um 6:34 pm

        Dann war Ihr ja sogar ich näher! Der Torre Innominata scheint ja auch ein interessantes Ziel zu sein…

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