Mit Abenteuern ist es so eine Sache: Einerseits will man Unerwartetes erleben, andererseits wissen, worauf man sich einstellen muss. Einerseits sucht man Natur und Abgeschiedenheit, andererseits soll die Bergrettung bitte zur Verfügung stehen, wenn etwas schief läuft. Und noch vertrackter wird die Sache, wenn man – wie z.B. ich – hinterher auch noch von seinen Touren öffentlich berichtet. Schließlich: Was ist eigentlich ein Abenteuer?
Eine ganze Weile habe ich damit gehadert, ob ich diesen Artikel veröffentlichen sollte. Über Abenteuer an sich zu schreiben, erschien mir anmaßend. Gleichzeitig stört mich der inflationäre Gebrauch des Begriffes. Deswegen möchte ich doch darlegen, warum für mich Abenteuer etwas besonderes sind.
Ohne Risiko kein Abenteuer
Fangen wir also mit der Frage an, was eigentlich ein Abenteuer ausmacht. Wahrscheinlich gibt es dazu ähnlich viele Antworten wie Abenteurer. Meine eigene wird durch den Wikipedia-Eintrag zum Thema ziemlich gut wiedergegeben. In Kürze geht es um zwei Elemente, die gegeben sein müssen, damit eine Unternehmung zu einem Abenteuer wird: Eigenverantwortung und Ungewissheit. Ungewissheit bedeutet, dass man vorher nicht sicher ist, ob man das gesteckte Ziel erreicht. Und dass man die Möglichkeit des Scheiterns bewusst in Kauf nimmt. Eigenverantwortung heißt, dass man für Planung und Durchführung selbst verantwortlich ist (entweder alleine oder in der Gruppe). Dass man vorher und unterwegs alle wichtigen Entscheidungen selbst zu fällen hat und sich im Fall von Schwierigkeiten nicht auf Hilfe von Anderen verlassen kann.
Um es weniger abstrakt zu machen, hier ein paar Beispiele: Für mich waren Abenteuer die Begehung der Sierra High Route, mein gescheiterter Versuch am Tupungato oder in kleinerem Umfang auch unsere Ersatzgrat-Begehung am Hochreichkopf. Keine Abenteuer waren z.B. meine ersten Skitouren (Verantwortung lag bei Bergführern) oder die Besteigung der Zugspitze (Scheitern sehr unwahrscheinlich und Hilfe jederzeit verfügbar) und natürlich viele andere Wanderungen und Skitouren. Anders herum gesagt, wenn es während der Vorbereitung oder während der Durchführung einer Unternehmung keinen einzigen Moment des Zweifels oder der Angst gab, dann war sie schon mal kein Abenteuer.
Die Fähigkeit, Risikien einzuschätzen und das eigene Handeln daran anzupassen, ist eine der wichtigsten des Abenteurers. Um abzuschätzen, welche Schwierigkeiten und Risiken einem unterwegs begegnen werden, ist es außerdem wichtig, sich vorher so gut wie möglich zu informieren. Und hier sind wir bei einem Dilemma. Denn viele Informationen verringern die Ungewissheit und mindern damit sowohl das Risiko als auch das Abenteuer.
Zu wenig lesen ist ungesund. Zu viel auch.
Ich suche mir immer wieder selten begangene und potenziell abenteuerliche Touren aus. Und meistens suche ich dafür alle Informationen zusammen, die ich finden kann. Denn so weiß ich, worauf ich mich bei Ausrüstung, Zeitplanung etc. einstellen muss. Gelegentlich ist es aber auch schon passiert, dass ich verfügbare Informationen bewusst ignoriert habe, weil ich es so genau vorher gar nicht wissen wollte. Wer nur losgeht, wenn er genau weiß, was ihn erwartet, wird sich selbst um sein Abenteuer bringen. Sich gar nicht zu informieren wäre andererseits leichtsinnig.
Eine ganz wichtige Rolle spielt hier auch die Erfahrung aus früheren Unternehmungen. Mit ihr kann man spärliche Informationen ergänzen sowie Schwierigkeiten und Risiken antizipieren. Das richtige Maß an Können und Erfahrung einerseits und Auskünften andererseits ist entscheidend, um Abenteuer zu ermöglichen und Risiken beherrschbar zu machen.
In der Praxis gibt es zum Glück für viele Touren keine ausreichenden Informationen, um Gewissheit herzustellen. Und natürlich gibt es nach wie vor auch Neuland zu entdecken (auch in den Alpen). Wege zu gehen oder zu klettern, die noch niemand beschrieben oder sogar noch niemand begangen hat. Das heißt, wer Abenteuer sucht, wird auch welche finden. Allerdings muss man sich eben darauf einlassen, denn Abenteuer fordern nun einmal. Zeit bei der Tourenvorbereitung, Urteilsvermögen unterwegs, Risikomanagement vor und während der Tour, Entscheidungsfreudigkeit, wenn man sich mal nicht sicher sein kann. Und nicht zuletzt Mut, sich der Ungewissheit und Eigenverantwortung zu stellen.
Im zweiten Teil geht es darum, dass auch das Schreiben über Abenteuer heikel sein kann.
4 Kommentare
Daniel · 18. Februar 2015 um 7:01 pm
Servus,
da sprichst du mir teilweise sehr aus der Seele. Mit den Abenteuern ist ja immer so eine Sache. Ein bißchen Nervenkitzel sollte schon dabei sein bei so manchen Touren. Doch bin zumindestens ich oft froh vorab schon ein paar Infos über die zu erwarteten Anforderungen zu finden. Da bin ich nun auch schon bei meinem Hauptproblem. Infos über so manche eher unbekannte und somit abenteuerliche Unternehmung findet man nur dort wo sie jemand preisgibt. Dies sind meist private Internetseiten oder Blogs. Auch ich stelle ab und zu, eher der breiten Masse, unbekannte Touren ins Netz. Da beginnen auch schon meist die Konflikte. Die Einen sind froh neue Anregungen für eigene Touren zu bekommen und die Anderen sehen dies als ‚ Verrat ‚ an ihren Bergen an. Teilweise verstehe ich die sogen. LOCALS schon … aber die große Masse bleibt dann doch wohl auf den altbekannten Wegen und scheut diese Abenteuertouren eher. Was mich aber daran am meisten stört ist das diese ‚ Verfechter der Einsamkeit in den Bergen ‚ für sich selbst in Anspruch nehmen in jeden Winkel der Bergwelt vorzudringen zu dürfen. – – Und die Anderen sollen bitteschön draußen bleiben ! Ich meine die Berge sind für Alle da und nicht nur für die selbsternannten Experten. Nun bin ich auch schon fertig mit meinem Beitrag … mach weiter so mit deinem tollen Blog … und verrate auch ab und an mal ‚ Unbekanntes ‚.
In diesem Sinne – Gruß Daniel
Hannes · 19. Februar 2015 um 12:41 pm
Servus Daniel,
erst einmal vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich arbeite gerade an einem Artikel genau zu dem Thema, dass die Veröffentlichung unbekannter Touren heikel sein kann (wird in Kürze fertig sein). Ich sehe es aber wie Du: Einige Touren erfordern zu viel Einsatz, sind zu mühsam, als dass nach Veröffentlichung im Internet gleich Tausende mit Ausdruck in der Hand hinterhergehen würden.
Auch was die Locals betrifft, bin ich Deiner Meinung: Ich kann gut verstehen, dass sie einige Touren nicht im Internet sehen möchten – gerade im Einzugsbereich von München, wo ja wirklich sehr viele Leute unterwegs sind. Andererseits müssen sie respektieren, dass einige von uns auch auf eigene Faust unbekannte Wege erkunden.
Vielen Dank auch für das Lob. Ich bin zwar bei weitem kein Gebietskenner wie Du, werde aber bestimmt auch in Zukunft immer mal wieder wenig Bekanntes hier beschreiben – insbesondere, wenn es mühsam ist. 😉
Schöne Grüße
Hannes
Rebecca · 11. März 2015 um 1:00 pm
Hi Hannes,
ein paar schöne Gedanken hast du da aufgeschrieben. Das Dilemma kann ich gut nachvollziehen, auch wenn ich jemand bin, der sich gerne sehr genau auf Touren vorbereitet. Im Winter und Frühling kommt Abenteuer ja oft durch die Verhältnisse zustande, im Sommer und Herbst muss man sich eben Touren raussuchen, die wenig begangen sind. Ich denke, so kann man immer Abenteuer erleben. Absolut wichtig dabei ist – wie du ja auch geschrieben hast – eine gesunde Selbsteinschätzung, welche wiederum nur durch Erfahrung wachsen kann. Und natürlich die Bereitschaft, umzudrehen. So gesehen verbuche ich unseren gescheiterten Anlauf am 28.02. (http://rebecca-abenteuerberge.blogspot.de/2015/03/abbruch-am-halserspitz-nordgrat-wenn.html) auch nicht als Scheitern, sondern als Bereicherung – ich habe sicherlich viel gelernt.
Auf viele weitere abenteuerliche Touren mit allzeit gesunder Heimkehr!
Liebe Grüße
Rebecca
Hannes · 12. März 2015 um 8:38 pm
Hallo Rebecca,
ja, zum Abenteuer gehört das Scheitern natürlich dazu. Das ist meistens enttäuschend, aber eben auch oft bereichernd. Also Respekt für Euer anspruchsvolles Vorhaben – und zur Fähigkeit, im richtigen Moment abzubrechen.
Dir auch noch viele schöne, abenteuerliche und unfallfreie Touren!
Schöne Grüße
Hannes