Klettern im Karwendel am 26.07.2015
Manchen Genuss muss man sich erarbeiten: Schon 2014 hatten Boris und ich versucht, den SW-Grat aufs Gerberkreuz zu klettern, eine klassiche Karwendelroute im IV. Grad. Nur fanden wir leider den Einstieg nicht, bzw. nach drei Stunden dann doch noch, aber da war es schon zu spät zum Losklettern. Dieses Jahr wussten wir nun schon, wo es lang geht und unser zweiter Versuch wurde mit einem der schönsten Bergtage des Jahres belohnt.
Um acht starteten wir am Parkplatz der Karwendelbahn und stiegen zur Mittenwalder Hütte und weiter zum Lindlähnekopf auf. Von dort fanden wir nun zielsicher den richtigen Weiterweg und standen bereits nach 2h am Einstieg.
Die erste Seillänge (IV) fiel mir noch etwas schwer, weil dank kaltem Fels und Wind meine Finger klamm waren (eigentlich unglaublich in diesem Sommer) und ich kein Gefühl für die Griffe hatte. Nach oben wurde es dann immer besser und bald kam auch die Sonne raus. Im festen Fels, bei passender Schwierigkeit (immer mal wieder fordernd aber nie richtig schwierig) und umgeben von großartigen Ausblicken kamen wir in diesen Zustand wunderbarer Leere, bei dem man nur noch ans Klettern denkt:
Die Steuer fahndet heute nicht
die Straßen leer gefegt
dass ich der schwarze Ritter bin
wird heute nicht belegt
heute wird nichts gesichert
keine Bergung in Aussicht
heute nicht
Es ist der Spaß an der Planlosigkeit
die Lust am Risiko
ich will gar nicht wissen, was mich morgen so einholt
wenn der harte Regen auf mich fällt
wasch ich mit ihm mein Gesicht
und entscheide mich
Ich dauer jetzt, leb momentan
heute mache ich mir keine Sorgen
ich fass sie morgen wieder an
leb momentan und falle frei
es herrscht wunderbare Leere, schwerelos
und die Welt sperrangelweit
Ich leg mich in den Wind
Schräglage über den Asphalt
und konter jede Böe
tanz mit der Naturgewalt
lehne mich am Abgrund an
damit mir nichts passiert
ganz routiniert
am Grat spaziern
Und vieles kann
und vieles muss
die Brücke ist breiter als der Fluss
und in der Not mach ichs verkehrt
Jeder Mensch schreibt klammheimlich seine Biographie
spielt die Hauptrolle in seinem Film
und führt dabei Regie
Ort und Handlung sind nicht gleich
aber gleich ist die Magie
und die ist reich
Ich dauer jetzt, leb momentan
heute mache ich mir keine Sorgen
ich fass sie morgen wieder an
leb momentan und falle frei
es herrscht wunderbare Leere, schwerelos
und die Welt sperrangelweit*
Da wir wie üblich recht langsam unterwegs waren – uns fehlt einfach die Routine – kamen wir erst viertel vor vier am Gipfel des Gerberkreuz (2307m) an. Hinter uns lagen 9 Seillängen (IV, IV, II, IV, III, III, III, III, IV) und einige Meter ungesicherte Grat-Kraxelei (bis II).
Der Weiterweg zur Nördlichen Linderspitze ist auch noch einmal sehr nett und mit einigen IIer-Stellen gewürzt. Von dort aus geht es dann auf dem Mittenwalder Höhenweg leicht (A-B) zur Bergstation der Karwendelbahn. Gegen halb fünf trafen wir dort ein und konnten eine Viertelstunde später entspannt zu Tal schweben. Ein herrlicher Bergtag lag hinter uns und entsprechend zufrieden machten wir uns an die Heimfahrt.
*Text von Herbert Grönemeyer: „Wunderbare Leere“, erschienen auf „Dauernd jetzt“ (2014)
© Fotos: Boris, Hannes Horst
Daten zur Tour
- Gerberkreuz (2307m), Südwestgrat
- Schwierigkeit IV, 9 SL, 400m
- 1550 Hm
- Absicherung alpin, Stände an zementierten Ringen
- Abstieg über Hauptgipfel (II) zur Bergstation der Karwendelbahn
- Details bei bergsteigen.com
4 Kommentare
Markus · 2. Mai 2016 um 9:49 am
könntest du bitte noch ein paar Zeilen zum Einstieg finden schreiben? Ich hab da nämlich auch schonmal 3h gesucht und nicht gefunden.
Hannes · 3. Mai 2016 um 6:57 am
Servus Markus, da waren wir also nicht die einzigen… 😉
also, am Sattel mit dem Lindlähnkopf geht es geradeaus weiter, schräg den Hang hinauf. Dort verläuft dann eine Pfadspur parallel zum Hang. Hier geht man weiter in südlicher Richtung, bis linkerhand eine Rinne nach oben und auch etwas nach links hochzieht. Am Ausgang der Rinne dann über Schutt aufwärts und links um die Felskante herum.
Viel Erfolg und Spaß!
Hannes
Dani · 19. September 2016 um 7:03 pm
Ach diese Einstiege…. 😉
Hannes · 20. September 2016 um 11:05 am
Genau die… wir haben insgesamt eine super Bilanz, die immer und sofort zu finden. Ein schönes Beispiel für unsere fast unfehlbaren Einstiegsfindungskünste findet sich auch hier: http://www.deichjodler.com/2015/08/klettermezzo/