Bergtour in den Ötztaler Alpen am 22./23.07.2016

Vor drei Jahren war ich von Roppen aus die Überschreitung des Geigenkammes angegangen. Die letzte Etappe über den Mainzer Höhenweg brach ich damals jedoch ab, da ich dem Wetter nicht vertraute. Nun bot sich eine gute Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen und die Geigenkamm-Überschreitung endlich abzuschließen.

Los ging es Freitag früh um acht in Plangeross (1612m), von wo ein schöner Wanderweg hinauf zur Rüsselsheimer Hütte führt. Da heute insgesamt fast 2000 Hm zu bewältigen waren und der Rucksack auch nicht ganz leicht war, hielt ich mich mit dem Tempo bewusst zurück und versuchte, möglichst kraftsparend aufzusteigen.  Bald schon zeigten sich auf der anderen Seite des Pitztales die eindrucksvollen Formen von Waze- und Verpeilspitze und weckten Erinnerungen an unsere Besteigung im letzten Jahr. Das waren tolle Tage am Kaunergrat. Auch die schöne Rofelewand zeigte sich bald – auch sie werde ich wohl noch besuchen müssen.

Bergtour in den Ötztaler Alpen am 22./23.07.2016

Hier beginnt der Aufstieg zur Rüsselsheimer Hütte.

Große Margerite

Große Margerite

So brauchte ich fast anderthalb Stunde, bis ich die Hütte auf 2323m erreichte, die mir von meinem letzten Besuch her noch in angenehmer Erinnerung war. Halb zehn – eine gute Zeit für ein Frühstück. Also setzte ich mich auf die Terrasse und bestellte Kaffee sowie ein Stück Kuchen. Das Wetter sah nicht so richtig gut aus, immerhin schien es nicht danach, als würden sich heute Gewitter bilden. So konnte ich nach dieser Stärkung meinen Weg guten Gewissens fortsetzen.

Wazespitze und Verpeilspitze zeigen sich.

Wazespitze und Verpeilspitze zeigen sich.

Der Weg wird nun etwas mühsamer und zieht steil zum Weißmaurachjoch (2959m) hinauf. Hier hatte ich beim letzten Mal die Tour abgebrochen. Auch heute war das Wetter nicht richtig gut, aber immerhin nicht gefährlich. Auch der zwischendurch aufziehende Nieselregen hatte schon wieder aufgehört – also weiter.

Blick in die Stubaier vom Weißmaurachjoch

Blick in die Stubaier vom Weißmaurachjoch

Der Steig wird  nun anspruchsvoller und führt durch Felsen und Blockgelände sowie über einige kleinere Gletscher. Pickel und Steigeisen hätte ich zu Hause lassen können, war der Firn doch in ziemlich gutem Zustand. Im Fels sind auch einige Ier-Stellen zu bewältigen; alles, was schwerer wird, ist versichert. Hier kam nun sogar die Sonne heraus, was die Freude an diesem Abschnitt noch einmal steigerte.

Am Mainzer Höhenweg; in Bildmitte ist schon der Wassertalkogel zu sehen.

Am Mainzer Höhenweg; in Bildmitte ist schon der Wassertalkogel zu sehen.

Am Abzweig zum Puitkogel blickte ich sehnsüchtig hinauf zum Gipfel. Aber angesichts des nicht ganz stabilen Wetters sowie des bereits angebrochenen Nachmittags schien mir dieser Abstecher nicht klug zu sein, so dass ich schweren Herzens darauf verzichtete.

Der Gipfel des Puitkogels

Der Gipfel des Puitkogels

Durch das viele Auf und Ab ist der Höhenweg recht anstrengend und so fühlte ich mich zunehmend erschöpft. Die Kombination von vielen Höhenmetern und Seehöhen über 3000m fällt mir ja leider immer etwas schwer. Unter dem Ostgrat des Sonnenkogels machte ich daher noch einmal Pause und genoss mein Mittagessen. Jetzt noch 300m hoch und ich hätte es geschafft.

Weiter ging es erneut über einen Gletscherrest hinauf zum Wassertalkogel, meinem heutigen Ziel. Und während ich noch überlegte, ob ich auch den Sonnenkogel besuchen sollte, begann es zu regnen, und zwar so richtig. Also Jacke an und zügig weiter zum Rheinland-Pfalz-Biwak. An Umwege war nicht mehr zu denken, nur den 3247m hohen Gipfel des Wassertalkogels besuchte ich aus Höflichkeit noch, bevor ich etwas zwanzig nach drei in die weniger Meter darunter befindliche Biwakschachtel flüchtete. Geschafft!

Die Biwakschachtel ist fast erreicht.

Die Biwakschachtel ist fast erreicht.

Ich war froh, nun im Trockenen zu sein, die Kleidung wechseln zu können und mich im Schlafsack aufzuwärmen (auch wenn es vorher noch Schnee zu schmelzen galt). Und ich war überrascht, nicht alleine hier zu sein: ein Paar aus Frankfurt hatte sich das Biwak ebenfalls als Unterkunft für die Nacht ausgesucht. So hatte ich also sogar noch sympathische Gesellschaft hier oben, auch wenn ich dieser vermutlich ein Stück weit ihre romantische Biwaknacht verdarb…

Schöne Aussicht vor dem Rheinland-Pfalz-Biwak

Schöne Aussicht vor dem Rheinland-Pfalz-Biwak

Auch innen ist es recht gemütlich.

Auch innen ist es recht gemütlich.

Abends zog der Regen wieder ab und es wurde wieder freundlicher. Drüben über den Stubaiern tobte ein Gewitter, aber hier blieb es die Nacht über trocken. Gute Voraussetzungen für den nächsten Tag.

Abendstimmung überm Kaunergrat

Abendstimmung überm Kaunergrat

Auch hier oben wächst noch etwas.

Auch hier oben wächst noch etwas.

Im Pitztal gehen die Lichter an.

Im Pitztal gehen die Lichter an.

Nach einer erstaunlich erholsamen Nacht weckte mich die Morgensonne am Samstag gegen 05:15 Uhr. Das Wetter draußen sah hervorragend aus, also raus aus dem Schlafsack, frühstücken und packen. Gegen sechs brach ich dann auf, während die Morgensonne im Süden die majestätische Wildspitze beschien.  Auch die anderen Beiden machten sich bald auf den Weg, während ich schon den Grat nach Süden hinabturnte, dessen Felsen im Morgenlicht noch rötlich leuchteten. Um mich herum lag die Bergwelt der Stubaier und Ötztaler Alpen ausgebreitet, tief unten im Schatten lag das Pitztal. Einfach herrlich!

Tagesbeginn am Gipfel

Tagesbeginn am Gipfel

Das Biwak liegt schon wieder hinter mir.

Das Biwak liegt schon wieder hinter mir.

Wildspitze voraus

Wildspitze voraus

Leider hat sich mein Körper noch nicht von der Schinderei am Vortag erholt und bei jedem kleinen Anstieg muss ich das Tempo drosseln. Gut also, dass es heute vor allem bergab geht. Dass dabei trotzdem drei Gipfel über 3000m überschritten werden, ist mir nur recht. Ab dem Wurmsitzkogel (3079m) wird der Grat breiter und blockiger, auch die Versicherungen haben ein Ende und ich komme nun etwas schneller voran als bisher. Hier begegnen mir zwei Tirolerinnen, die den Wassertalkogel vom Rettenbachferner als Tagestour besteigen. Auch eine nette Variante.

Der Höhenweg folgt dem Gratverlauf.

Der Höhenweg folgt dem Gratverlauf.

Farbtupfer zwischen den Felsen

Farbtupfer zwischen den Felsen

Kurz darauf komme ich an den Abzweig zum Pollesjoch, der den kürzesten Abstieg zur Braunschweiger Hütte und ins Pitztal verspricht. Doch würde ich gerne noch den Polleskogel besteigen, der zwar keine besonders beeindruckende Gestalt besitzt, aber topographisch bedeutsam ist, zweigt an ihm doch der Seitenkamm ab, der das gleichnamige Tal umrahmt. Von Südtirol her zieht bereits allerlei Gewölk auf, doch bin ich zuversichtlich, noch mindestens drei gewitterfreie Stunden zu haben. Also folge ich weiter dem Weg zum Pitztaler Jöchl, der knapp unter dem Gipfel des Polleskogels entlangführt. Die Stöcke lasse ich hier zurück und gehe den Gipfelaufbau an. Eine kurze brüchige Schieferrinne gilt es zu erklettern (II), dann habe ich fast geschafft – und erschrecke, als mir plötzlich jemand entgegentritt.

Von Südtirol her ziehen allmählich Wolken auf.

Von Südtirol her ziehen allmählich Wolken auf.

Der Polleskogel ist fast erreicht.

Der Polleskogel ist fast erreicht.

Am Gipfel (3032m) sitzt bereits ein Einheimischer, der ebenfalls vom Rettenbachferner herauf gekommen ist und nun hier oben die Aussicht genießt. Ich tue es ihm gleich und wir unterhalten uns ein wenig, bevor ich den Weiterweg antrete. Ich beschließe, zurück zum Abzweig und dann über das Pollesjoch zur Braunschweiger Hütte zu wandern (im Nachhinein wäre es über das Pitztaler Jöchl wahrscheinlich schneller gegangen) und mache auf dem Rückweg noch den Abstecher zum Pollesfernkopf (auf der AV-Karte nur als P3015 eingezeichnet), dem letzten Dreitausender auf meiner Runde.

Im Anstieg zum Joch gilt es, ein steiles Schneefeld (ca. 40°) zu erklimmen; eine Spur vom Vortag ist vorhanden und der Schnee schon nicht mehr hart, so dass ich auch dieses letzte Hindernis gute bewältige und nun entspannt zur Hütte absteigen kann. Allein, ich06 muss ich noch einmal abzweigen, denn der Karleskopf (2901m) lockt einfach zu sehr. Also noch einmal ca. 60 Hm hinauf, dann geht es aber endgültig zur Hütte, die ich etwa halb elf erreiche.

Firnflanke vor dem Pollesjoch

Firnflanke vor dem Pollesjoch

Tiefblick zur Braunschweiger Hütte

Tiefblick zur Braunschweiger Hütte

Wie ich so auf der Terrasse sitze und mich mit Kaffee, gespritztem Johannisbeersaft und Apfelstrudel stärke, kommen auch die beiden Frankfurter an – schön, dass auch sie es wohlbehalten hierher geschafft haben. Wir wechseln noch ein paar Worte, dann beginne ich auch schon bald den Abstieg, auf dem mir ganz Heerscharen an Wanderern entgegenkommen. Ein Wahnsinn, was hier los ist.

Wanderkarawane

Wanderkarawane

Prachtstier kurz vor Mittelberg

Prachtstier kurz vor Mittelberg

Trotz der vielen Wanderer ist der Abstieg ziemlich entspannt und nach etwa anderthalb Stunden komme ich in Mittelberg an. Da der Bus erst in einer halben Stunde fährt und ich manchmal ein sturer Hund bin, beschließe ich, auch zurück zum Parkplatz bei Plangeross zu Fuß zu gehen. Kurz nach eins bin ich dann da – zeitgleich mit dem Bus. Eine tolle zweitägige Rund liegt hinter mir und der schöne Abschluss meiner drei Jahre zuvor begonnenen Geigenkamm-Überschreitung.

Daten zur Tour

  • Wassertalkogel (3247m) mit Mainzer Höhenweg und Karleskopf
  • Schwierigkeit T6, I (am Polleskogel, umgehbar)
  • 2250 Höhenmeter
  • Übernachtung im Rheinland-Pfalz-Biwak


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

6 Kommentare

Mark · 8. August 2016 um 3:27 pm

Schade, dass es wegen des Wetters am Freitag nicht der komplett krönende Abschluss geworden ist. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass andere Leute eine romantische Nacht im Biwak oder Winterraum ganz erheblich stören können. Allerdings schaffen wir das meistens mit den Gedanken an die folgende Tour selbst. 😉

    Hannes · 8. August 2016 um 4:47 pm

    Tja, man kann eben nicht alles haben – ich kein perfektes Wetter und die beiden Anderen keine Zweisamkeit im Biwak. 😉 sonst hat’s ja eigentlich gepasst.

Donaujo · 26. September 2016 um 6:23 pm

Diese orangene Brotbox sieht ja heiß aus! Wie eine Mischung aus bärensicherer Vespertonne und UFO. Es ist sicher ein praktisches Ding, aber von Rheinland-Pfalz hätte ich an dieser Stelle eher ein übergroßes Weinfass als Biwak erwartet. 🙂
Tolles Bild mit den Lichtern im Tal!

    Hannes · 26. September 2016 um 7:36 pm

    Stimmt, stilecht ist anders und einen Weinkeller gibt es auch nicht. Aber immerhin ist die Dose sehr wahrscheinlich tatsächlich bärensicher.
    Zum Foto: Hier habe ich die Smartphone-Fernsteuerung der G1X verwendet, um die lange Belichtungszeit wackelfrei hinzubekommen. Eine tolle Spielerei! 🙂

Donaujo · 27. September 2016 um 2:43 pm

Sehr praktisch, vor allem in Ermangelung von zwei, drei Gläsern Pfälzer Grauburgunder für die ruhige Hand.

    Hannes · 28. September 2016 um 3:22 pm

    Richtig, mit Weinkeller im Biwak bräuchte man die ganze Spielerei nicht. Dazu wäre so ein hochalpiner Weinkeller auch ein noch viel interessanteres Fotomotiv.

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