Bergtour im Wetterstein am 11.06.2017

Eigentlich wollte ich an diesem herrlichen Sonntag ja klettern gehen. Nachdem ich kurzfristig aber keinen Partner fand, nahm ich mir stattdessen eine anspruchsvolle Bergtour im Wetterstein vor, den nordwestseitigen Anstieg zum Großen Waxenstein plus eventuell weitere Gipfel des Kamms. Da ich am Abend vorher noch auf einer Geburtstagsfeier war, startete ich erst gegen halb zehn am Eibsee. Zu spät für diese Tour an einem solchen Tag.

Von der Talstation der Eibseebahn (1000m) ging es zunächst über einen Forstweg in den Riffelwald, dann weiter über einen wunderschönen Saumpfad weiter ostwärts. Am P1180 kam ich auf den altbekannten Weg, der von Grainau zur Waxensteinhütte führt. Den Aufstieg in die Mittagsreisn ließ ich dieses Mal links liegen, auch wenn Kleiner Waxenstein und Zwölferkopf so beeindruckend und einladend aussahen wie eh und je.

Immer wieder schön: Kleiner Waxenstein und Zwölferkopf

Immer wieder schön: Kleiner Waxenstein und Zwölferkopf

Unter mir der Eibsee

Unter mir der Eibsee

Stattdessen ging es auf einem weiteren schönen Saumweg an der Hütte vorbei nach Westen. Der Abzweig zum Bärenalplgrat war leicht zu finden und nach etwas Latschenkampf (vermutlich umgehbar) gelangte ich in freies Gelände und damit auch in die Hitze. Kurz vor dem P1699 machte ich eine Pause, stärkte mich mit einem Riegel und packte schon mal den Helm aus dem Rucksack, den ich weiter oben brauchen würde. Ich war nervös, hatte einen Riesenrespekt vor der Wand, die ich angehen wollte. IIer-Kletterei nur, aber das Gelände vor mir sah einfach wild aus.

Da geht's hoch?

Da geht’s hoch?

Weiter ging es zum Wandfuß und dann stand ich – so unvermittelt wie im AV-Führer beschrieben – plötzlich vor der Einstiegsrampe. Die ersten Meter sahen nicht schwer aus, aber dann, hui, wurde es steiler. Ich betrachtete die anstehende Kletterei einige Minuten lang, versuchte das Gelände für mich zu sortieren, dann stieg ich ein. Langsam, kontrolliert, aber auch angespannt kletterte ich das I-IIer-Gelände hoch, dann steilte es auf. Persönliche Schlüsselstelle für mich war ein kurzer Kamin. Steil und irgendwie abweisend wirkte er auf mich. Das Wandl links davon? Zu steil. Rechts herum? Zu glatt. Also doch durch. Immerhin war der Fels hier fester, als er aussah. Und mit einer Prise Mut und sauberem Ausspreizen ging es dann ganz gut. Wie II kam mir das nicht mehr vor, aber das mag an meiner mangelnden Kamintechnik liegen.

Die Einstiegsrampe ist im oberen Teil gar nicht so ohne.

Die Einstiegsrampe ist im oberen Teil gar nicht so ohne.

Der Rückblick offenbart, dass das Gelände hier durchaus steil ist.

Der Rückblick offenbart, dass das Gelände hier durchaus steil ist.

Ein weiterer Aufschwung bereitete mir zunächst Kopfzerbrechen, löste sich dann aber gut auf und über einige kurze Wandstellen (II) gelangte ich in eine Scharte. Vor mir lag nun die im AV-Führer beschriebene Rinne, deren Steilstufe linksseitig umgangen wird. Bis hierhin war ich im Schatten geklettert, nun erreicht mich die Sonne und damit auch die Hitze. Ich hätte wirklich früher losgehen sollen!

Die Steilstufe dieser Rinne wird linkerhand umgangen.

Die Steilstufe dieser Rinne wird linkerhand umgangen.

Nach etwas Suchen stieg ich gleich unten in die Rinne hinab, links wieder heraus und dann zunächst einfach hoch. Eine kurze, ausgesetzte Querung zurück zur Rinne (II) sorgte noch einmal für Spannung, dann wurde es leichter und ich war zuversichtlich, das Schwerste geschafft zu haben.

Nach rechtsseitiger Umgehung eines Klemmblocks machte ich dann den Fehler, der Rinne weiter zu folgen, anstatt nach rechts raus zu queren. Ich war mir hier nicht ganz sicher, wie der AV-Führer zu verstehen ist, und das Gelände in dem großen ansteigenden Trichter, in dem ich mich befand, war recht unproblematisch (Stellen II, meist Gehgelände und I). Ich stieg also weiter auf und als ich mir sicher war, falsch zu sein, war ich schon so hoch, dass ich lieber versuchen wollte, hier durchzukommen, als zurückzusteigen.

Der Enzian blüht auch hier.

Der Enzian blüht auch hier.

Nach oben hin wird das Gelände einfacher.

Nach oben hin wird das Gelände einfacher.

Weiter oben lag noch Schnee in der Rinne und erinnerte mich daran, dass trotz der Hitze doch erst Juni ist. Nach dem Firnstück wandte ich mich nach rechts, denn geradeaus versperrten steile Felsabbrüche den Weiterweg. Über splittrige Schrofen stieg ich auf in der Hoffnung, irgendwie auf die Nordwandterrasse oder zum Kamm zu gelangen. Langsam musste ich hier vorgehen, denn die Felsen zwischen den Graspolstern litten allesamt an extremer Fallsucht. Kein schönes Gelände, dachte ich mir, und dass es hoffentlich bald besser werden würde.

Auch ein bisschen Firn wurde geboten.

Auch ein bisschen Firn wurde geboten.

Und dann – ganz unvermittelt – erreichte ich den Kamm, sah die Steilwände auf der anderen Seite des Höllentals über den Graspolstern. Ein paar Schritte noch und ich stand in einer Scharte, vor und unter mir die Waxensteinrinne. Erleichtert blickte ich mich um, der Abstieg auf der Südseite würde kein Problem darstellen. Die Schwierigkeiten lagen also hinter mir. Das war doch recht abenteuerlich gewesen und ich war froh, dass es nun leichter werden würde.

Geschafft - am Waxensteinkamm

Geschafft – am Waxensteinkamm

Die letzten Meter zum Gipfel des Großen Waxensteins (2277m) waren schnell geschafft. Hier hatten sich zwei andere Bergfreunde bereits häuslich eingerichtet und genossen die Sonne. Ich setzte mich dazu und machte eine ausführliche Pause. Obwohl der Aufstieg bis hierher nicht extrem lang gewesen war, war ich ziemlich erschöpft. Und viel Wasser hatte ich auch nicht mehr. Vielleicht hatte ich ja auch schon am Tag zuvor zu wenig getrunken.

Gipfelblick Richtung Alpspitze...

Gipfelblick Richtung Alpspitze…

...und übers Loisachtal

…und übers Loisachtal

Ich beschloss daher, keine weiteren Gipfel im Waxensteinkamm zu besuchen und stieg nach meiner Pause über die Waxensteinrinne zum Schafsteig ab. Diesem folgte ich nach kurzer Wegsuche Richtung Südwesten. In einigem auf und ab wanderte ich weiter zum Schönanger. Ein Blick auf die Karte offenbarte, dass der Weg vor dem Riffelschartenweg noch mal einiges an Höhe verlieren würde. Da schien es kürzer zu sein, über die Riffelspitzen zur Scharte zu gelangen, zumal der Aufstieg zur Nördlichen Riffelspitze völlig unproblematisch aussah.

Am hier eher undeutlichen Schafsteig

Am hier eher undeutlichen Schafsteig

Also los. Über einfaches Grasgelände ging es hinauf zum Kamm, der auf der Nordseite beeindruckend direkt abbricht. Kurz darauf stand ich auch schon am Gipfel. Der Übergang zum nächsten Gipfel war überraschend kurz. Das waren doch kaum zwei eigenständige Gipfel? Ich blickte hinab zur Riffelscharte, suchte den Weg. Aber da war kein Weg. Und das war auch nicht die Riffelscharte, das war der Schönanger. Oh kacke! Ich hatte, obwohl ich schon mal hier gewesen war, die Wiesen verwechselt, und war, statt auf die Riffelspitzen, auf die Schönangerspitze (2264m) gestiegen. So etwas dummes!

Leichtes Gelände leitet zur Schönangerspitze.

Leichtes Gelände leitet zur Nördlichen Riffelspitze Schönangerspitze.

Beeindruckender Tiefblick nach Norden

Beeindruckender Tiefblick nach Norden

Da der Abstieg in den Schönanger nicht einsehbar war und ich kein Interesse an weiteren Experimenten hatte, beschloss ich, den Aufstiegsweg zurück zum Schönanger zu gehen. Um sechs war ich wieder unten. Eine Stunde hatte mich dieser sinnlose Ausflug gekostet, ganz zu schweigen von der Kraft, die heute noch wertvoller war als Zeit.

Diese Gams ließ sich von mir Schneckentempowanderer nicht aus der Ruhe bringen.

Diese Gams ließ sich von mir Schneckentempowanderer nicht aus der Ruhe bringen.

Weiter also ging es bis zum Riffelschartenweg. Der Anstieg zur Scharte wurde dann noch mal richtig hart. Die Oberschenkel machten allmählich zu und konditionell ging auch nicht mehr viel. Warum hatte ich eigentlich nur zwei Liter Wasser eingepackt an einem so heißen Tag? Im Schneckentempo und auf der letzten Rille erreichte ich kurz nach sieben endlich den höchsten Punkt. Ja, endlich nur noch bergab gehen! Aber erst noch mal hinsetzen und den letzten Schluck Wasser trinken. Ich hätte auch gerne etwas gegessen, aber dafür war der Gaumen zu trocken. Na ja, muss wohl auch so gehen.

Die letzten Meter zur Riffelscharte gehen der Sonne entgegen.

Die letzten Meter zur Riffelscharte gehen der Sonne entgegen.

Schöne Aussicht auf Ammergauer und Allgäuer Alpen

Schöne Aussicht auf Ammergauer und Allgäuer Alpen

Der Abstieg ging dann immerhin gut von der Hand, trotz der Erschöpfung. Zwischendurch knabberte ich etwas Schnee, kurz nach der Station Riffelriss fand ich dann endlich Wasser. Schmelzwasser zwar und zudem wahrscheinlich teilweise aus dem Bayrischen Schneekar, aber was soll’s. Um wählerisch zu sein, war ich zu durstig. Gierig trank ich einige Schlucke, bevor ich wieder aufhörte, um mir mit dem eiskalten Zeug nicht den Magen zu verderben. Weiter ging es bergab, in die Dämmerung hinein. Zwanzig nach neun war ich dann wieder am Eibsee, mittlerweile dank Wasser einigermaßen wiederhergestellt.

Es wird Zeit, anzukommen...

Es wird Zeit, anzukommen…

Angesichts dieser etwas unnötigen Schinderei war ich heilfroh, wieder unten zu sein. Gleichzeitig erfüllte mich der Blick hinauf zum Waxensteinkamm doch mit ein wenig Freude und Stolz nach der heute erkundeten Aufstiegsvariante durch diese beeindruckende Steilwand. Das war doch ein echtes kleines Abenteuer heute.

Daten zur Tour

  • Großer Waxenstein (2277m), Norwestwand
  • Erstbegehung 1911 durch W. Nonnenbruch, E. & O. Schlagintweit
  • Schwierigkeit T6, II-III
  • 1750 Hm (mit Abstecher Schönangerspitze 😉 )

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

4 Kommentare

Mark · 19. Juni 2017 um 4:36 am

Sehr interessant. Der Waxensteinkamm scheint es dir wirklich angetan zu haben, aber bei dem Anblick aus dem Garmischer Raum wundert mich das nicht.

    Hannes · 19. Juni 2017 um 8:16 pm

    Stimmt, das hat er. Mittlerweile habe ich die Touren, die mich dort am allermeisten interessiert haben, allerdings erkundet, so dass ich mich demnächst vielleicht auch anderen Teilen des Wettersteingebirges zuwenden kann. 🙂

Rebecca · 26. Juni 2017 um 6:49 pm

Ups, „verkoffert“ trifft’s da wohl ganz gut. Aber schön, dass du heil wieder unten angekommen bist und im Endeffekt so eine coole Tour gemacht hast! Auf mich wartet erstmal der Normalweg auf den Großen Waxenstein 😉

    Hannes · 29. Juni 2017 um 9:21 pm

    Ja, auch der Normalweg lohnt sich. Ist wirklich eine schöne Ecke.

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