Bergtour in den Leoganger Steinbergen am 02.11.2019
Langes Wellness-Wochenende in Leogang. Schön. Doch wie soll man es bei dieser Kulisse drei Tage nur in der Sauna aushalten? Also legte ich einen alternativen Wellness-Tag ein. 2000 Höhenmeter aufs Birnhorn sind schließlich auch eine Form der Entspannung.
Nach einem ausführlichen Frühstück im Hotel machte ich mich kurz vor halb neun auf den Weg. Ich schätze mich glücklich, dass meine bessere Hälfte für meine Bergsucht Verständnis hat und mich auch an diesem Tag ohne Groll oder Enttäuschung ziehen ließ.
Bei kühlem Wetter startete ich in den Ort. Eine tiefhängende Nebelschicht sorgte für trüb herbstliche Stimmung. Ich hoffte, dass ich da bald drüber kommen würde. Durch die Badhaussiedlung wanderte ich richtung Riedlalm. Bald steckte ich dann mittendrin in der Suppe. Hier überholte ich auch zwei andere Wanderer – es waren die ersten und letzten, die ich an diesem Tag treffen sollte.
An der Riedlalm (1224m) entstieg ich dem Nebel wieder und der Blick weitete sich. Leider lag über den Gipfeln noch eine weitere, dünne Wolkenschicht, trotzdem war es hier schon viel angenehmer als unter dem Nebel. Über einen Weidehang wanderte ich weiter zur oberen Riedlalm, dann führt der Pfad weiter durch Bergwald zum sogenannten Riedlspitz (1480m), einem schönen Aussichtspunkt etwa 600m über Leogang.
Ich hielt mich allerdings nicht lange auf mit der Aussicht, sondern setzte meinen Weg gleich fort: Mit teilweise etwas windigen Versicherungen durchquert der „Riedlgang“ nun einen Graben und wendet sich nach Westen. Der nächste Graben ist dann bereits der Ausfluss des Ritzenkars. Hier konnte ich noch einmal meine Flasche auffüllen, weiter oben war es dann ziemlich trocken. Kurz darauf zweigt dann auch der Anstieg ins Ritzenkar vom Riedlgang ab und es geht hinauf.
Das herrlich wilde Ritzenkar hat vier Abschnitte: Zuerst geht es durch eine Latschengasse, an herbstlichen Lärchen vorbei. Es folgen Wiesenhänge, die von einigen latschendurchsetzten, schrofigen Felsstufen unterbrochen werden. Ganz am Ende folgt der felsige Karschluss.
Kurz vor Beginn des felsigen Teils machte ich auf ca. 1950m Pause, setzte mich auf einen Stein und nahm ein zweites Frühstück zu mir. Unter mir lagen immer noch einige Nebelschwaden über dem Tal, geradeaus zeigten sich die wolkenverhangenen Gipfel der Glocknergruppe. Und ich saß dazwischen, allem entrückt. Ja, das hatte schon Erholungswert hier.
Nach der Pause startete ich in den felsigen Teil. Dieser ist nicht schwer und eigentlich erreicht nach meinem Empfinden nur eine Stelle den glatten zweiten Grad. Allerdings ist der Fels für den Schwierigkeitsgrad erstaunlich kompakt und klettert sich etwas ungewohnt. Fast wie Urgestein.
Schnell gewann ich an Höhe in diesem angenehmen Gelände. Nach dem Felsteil wurde es noch einmal schottrig, dann kam Schnee hinzu und schließlich erreichte ich die Ritzenkarscharte auf ca. 2400m. Und blickte übers riesige und sehr weiße Ebersbergkar. Ups, da hatte ich ja noch was vor mir. Irgendwie hatte ich mit etwas weniger Schnee gerechnet.
Ich blick hoch zum Südgrat des Birnhorns. Da hinauf hätte ich deutlich weniger Schneewühlerei als erst hinüber zum Kuchelnieder und dann über den Normalweg. Und eigentlich sah der Grat nicht so schlecht aus. Einige Felsstufen waren aber nicht so ganz einsehbar. Und da ich keine Ahnung hatte, wie schwer oder neuschneefreundlich die sein würden, entschied ich mich doch für die längere, einfachere Variante.
Zunächst stand also die Querung zum Kuchelnieder an. Der Schnee war etwa knöcheltief. Unter ungebundenem Pulver befand sich eine angefrorene, glatte Schicht, die vorsichtiges Gehen erforderte. In Zustiegsschuhen war das nicht ideal und ich verlor einiges an Zeit. Schließlich erreichte ich aber doch den Kuchelnieder und machte mich an den Weg aufs Birnhorn.
Auch die Bänder richtung Gipfel waren natürlich verschneit und an einigen Stellen war ich dankbar über die Drahtseile, die auf den teils glatten Platten bequemes Hangeln ermöglichten. Zahlreiche Steigeisenkratzer zeugten von früheren Winterbegehungen. Ja, über Bergschuhe und Steigeisen hätte ich mich hier auch gefreut. Aber mit Vorsicht und dank der Seile ging es auch so. Kurz vor dem Gipfel überwand ich noch zwei abschüssige Platten etwas unelegant auf dem Hosenboden und dann hatte ich es geschafft: Birnhorn, 2634m, höchster Gipfel der Loferer und Leoganger Steinberge.
Wie es sich für einen Gruppenhöchsten gehört, war die Aussicht ziemlich umfassend. Kaiser, Berchtesgadener, Hohe Tauern lagen vor mir ausgebreitet. Nicht schlecht für so einen kleinen Wellness-Ausflug! Als ich mich zur wohlverdienten Gipfelrast setzte und gerade in meine hart erwellnesste Gipfelsemmel biss, bemerkte ich eine Schauerzelle, die vom Kitzbüheler Horn genau zu mir zu ziehen schien. Das gibt’s doch nicht! Überall trocken und der einzige Schauer weit und breit zieht genau zu mir.
Da ich eine weitere Verschlechterung der Wegverhältnisse nicht riskieren wollte, brach ich die Pause ab und machte mich auf den Weg nach unten. Am Kuchelnieder bekam ich ein paar Flöckchen ab, doch im Wesentlichen zog der Schauer dann doch knapp vorbei. Dafür begann es, aufzulockern. Auch nicht schlecht. Zurück ging es durchs Ebersbergkar und ins Ritzenkar. Als ich dort die letzten verschneiten Abschnitte hinter mich gebracht hatte, holte ich endlich die Gipfelpause nach. Schuhe und Socken zog ich aus, damit sie wenigstens ein bisschen trocknen konnten. Warm war es hier, mittlerweile schien mir die Sonne ins Gesicht und die Gipfelsemmel schmeckte auch im zweiten Versuch. Einfach herrlich!
Der weitere Abstieg verlief unspektakulär. Ich wählte dieses Mal den Abstieg über die Maureralm und bis auf einen übermotivierten Riesendackel, der mich am ersten Hof in Maurer nicht vorbeilassen wollte, stellten sich mir keine weiteren Hindernisse entgegen. Dafür tauchte die allmählich sinkende Sonne die umliegenden Berge in immer fantastischere Farben. Besonders die Wände des Steinernen Meeres erglühten bald in orange und rosa.
Obwohl die Tour aufs Birnhorn nicht gerade kurz war, fühlte ich mich nur mäßig erschöpft und so machte mir auch die Gegensteigung zum Hotel nichts aus. Um fünf war ich wieder dort. Genau richtig für einen Saunagang vor dem Abendessen. Schon schön, so ein Wellness-Urlaub.
Daten zur Tour
- Birnhorn (2634m), durchs Ritzenkar
- Schwierigkeit T5, II
- 2000 Höhenmeter
6 Kommentare
Werner · 16. November 2019 um 7:10 pm
Das ist ja eine interessante Variante auf das Birnhorn. Muss ich mir auch mal anschauen, allerdings lieber im Sommer.
Hannes · 17. November 2019 um 9:04 pm
Servus Werner, ohne Schnee oben ist’s sicher entspannter. 😉
Mark · 17. November 2019 um 4:18 pm
Mir war gar nicht bewusst, dass es diese Anstiegsmöglichkeit aufs Birnhorn gibt. Für einen kurzen November-Tag war es auf jeden Fall ein ordentliches „Wellness“-Programm.
Hannes · 17. November 2019 um 9:06 pm
Mir hat die Variante wirklich gut gefallen. Noch logischer wird sie in Verbindung mit dem Südgrat. Das dann aber vielleicht doch lieber ohne Neuschnee.
Michael · 5. August 2023 um 9:58 pm
Hallo Hannes, du wirst dich nicht erinnern, aber wir hatten mal 2015 Kontakt wegen deiner 2 Touren auf den Tupungato. Wir waren letztlich nicht dort, in Santiago wurde uns am Busbahnhof mein großer Trekkingrucksack mit allen wichtigen Ingredenzien gestohlen. Wir sind dann 2 Monate mit Mietwagen durchs Land gereist, haben schöne Touren gemacht und bei meinem alten Schulfreund aus Valparaíso schöne Tage verbracht.
An deinen unvergesslichen Namen und unsere kurze Kommunikation habe ich mich aber immer wieder erinnert. Und ich stoße ja auch immer wieder auf deine Tourenberichte.
Jetzt zufällig auf das Birnhorn durchs Ritzenkar, das ich schon gelegentlich angemacht habe. Du hast – wie immer – einen schönen und sympathischen Tourenbericht mit Bildern geschrieben, die einem das Wasser im Mund zusammen laufen lassen. Da muss ein Deichjodler kommen, um einen Einheimischen, der nur wenige km entfernt wohnt, anzuregen😉
Vielen Dank dafür! Nur leider müssen meine liebste und ich erst unsere derzeitigen Leiden auskurieren, die unsere geplante Bolivienreise platzen ließen ins Wasser haben fallen lassen: Bandscheibenvorfall (sie) und noch mal Corona (ich) – das baut auf …
Trotzdem (und trotz unseres inzwischen doch etwas fortgeschrittenen Alters von 73 bzw. 66 Jahren verlieren wir nicht den Mut, dass wieder bessere Zeiten kommen…
Also liebe Grüße aus Bad Reichenhall
Michael und Brigitte
Hannes · 7. August 2023 um 9:37 am
Hallo Michael,
vielen Dank für das Lob! Wenn ich zu interessanten Touren inspirieren kann (und dann sogar noch Einheimische! 😉 ), hat dieser Blog sein Ziel erreicht. Da freue ich mich sehr.
Ich erinnere mich natürlich noch an unseren Austausch zum Tupungato und an Euer Pech in Santiago. Ich war danach auch auf Eurer Fotoseite und dort sehr beeindruckt.
Ich wünsche Euch beiden gute Besserung und dann hoffentlich bald wieder schöne Touren!
Beste Grüße aus München
Hannes