Klettern im Kaisergebirge am 26.10.2019
Für die vielleicht letzte Klettertour in dieser Saison suchten sich Stefan und ich die Vordere Karlspitze bzw. deren SO-Grat aus. Es wurde ein schöner und sehr langer Klettertag im Wilden Kaiser.
Eines war klar: Heute war zügiges Klettern angesagt. Mit insgesamt 800 Klettermetern ist die Tour doch recht ausgewachsen. Dementsprechend gingen wir früh los und machten uns bereits 07:20 Uhr am Parkplatz der Wochenbrunner Alm auf den Weg. Mit uns zusammen starteten zahlreiche weitere Kletterer zu ihren unterschiedlichen Touren und es herrschte eine ganz spezielle Aufbruchstimmung.
Der Zustieg ist identisch mit dem Weg zum Ellmauer Tor. Nach den letzten Versicherungen biegt man nach links ab und steigt eine eine deutliche Rinne unter einem Klemmblock hindurch. Aus der Rinne raus darf man gleich mal ordentlich zupacken (II), dann ist man am ersten Klebehaken und dem Beginn der Tour. Noch während wir uns kletterbereit machten, kam von unten schon die nächste Seilschaft herauf. Und es sollte heute nicht die letzte sein.
Die erste Seillänge war mal wieder meine. Eine Querung und eine Rinne (III) galt es zu meistern. Wie immer brauchte ich ein wenig, um mich an den Fels zu gewöhnen, zumal die Absicherung eher sparsam war. Stefan durfte anschließend eine Länge durch Steilgras (I) führen, bevor es wieder felsig wurde. So kamen wir bis zum Ende der fünften Länge (III) gut voran.
Hier folgen zwei Längen über eine Schrofenterrasse (I), die wir, um Zeit zu sparen, am kurzen Seil gingen. So hatten wir uns von den nachfolgenden Seilschaften ein wenig abgesetzt, als wir am Beginn der achten Seillänge standen, die durch eine geröllige Rinne zu einer Scharte führt (II+). Aus Gründen des Seilablaufs stieg ich diese Länge wieder vor, auch wenn sonst Stefan dran gewesen wäre.
Die Seillänge endete in einer kleiner Scharte vor einem Felstor, das zum Matejak-Kamin leitet. Durch das Tor blies ein kalter Wind, was den Aufenthalt an diesem schattigen Plätzchen etwas ungemütlich machte. Von hier aus startete Stefan in die neunte Länge und war, leider, schon nach wenigen Metern aus meinem Blickfeld verschwunden.
In dieser Schlüssellänge gibt es zwei Varianten: Entweder durch einen schmalen Durchschlupf und einen sehr engen Kamin (III+) oder außen eine steile, glatte Verschneidung empor (IV+). Was genau sich hier abspielte, kann ich nicht sagen, auf jeden Fall kam Stefan nicht so gut vorwärts.
Während es also ein wenig dauerte, liefen immer mehr Seilschaften zu mir auf. Bald standen wir zu neunt am Stand und es wurde kuschlig. Zwei weitere Seilschaften stiegen einfach vorbei. Immerhin hatten wir es recht nett zusammen. Ein Bergwacht-Ausbilder aus Reichenhall übernahm zwischendurch auch das Sichern für mich, damit ich mir etwas überziehen konnte, denn im T-Shirt wurde es hier doch ein wenig kalt.
Als Stefan schließlich am Stand angekommen war, ließ ich erst einmal die Anderen vorbei und startete dann ebenfalls. Ich war dann auch ziemlich überrascht, wie steil und glatt die Verschneidung war und konnte mir gut vorstellen, dass sie im Vorstieg eine ganz schön zache Nummer wäre. Ob ich mich hier besser angestellt hätte? Ich weiß es nicht. Aber mir war jetzt sauberes Klettern auch ziemlich wurscht. Hauptsache hoch und dann weiter!
Der Vordere Karlspitze SO-Grat ist insgesamt weniger gratig, als ich erwartet hatte. Erst ab der zehnten Seillänge kommt Grat-Feeling auf, und auch hier nicht durchgehend. Auch Länge Nummer elf, eine Querung rechts eines Gratturmes (II) stieg ich vor, dann war auch Stefan wieder so weit.
Besonders schön war dann die 13. Seillänge, die steil und ausgesetzt an der linken Kante des nächsten Turmes emporzieht (III+). Der Fels ist hier fest und griffig – für mich die schönste Länge der Tour. Auch die 15. Länge bietet noch ein paar nette Kletterstellen (III) und dann war es das auch. Nachdem Stefan den letzten Standplatz erreicht hatte, seilten wir aus und wanderten ungesichert weiter durch Schrofengelände (bis I) zum Gipfel. Die in der Beschreibung bei bergsteigen.com angegebenen 180m sind etwas knapp bemessen und wahrscheinlich ist der Weg eher doppelt so lang.
Doch schließlich erreichten wir den höchsten Punkt der Vorderen Karlspitze (2260m) und konnten uns über die Aussicht und den Abschluss unserer Kletterei freuen. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit machten wir nur kurz Pause und aßen eine Kleinigkeit. Die letzte Seilschaft des Tages, die wir zwischendurch wieder überholt hatten, kam etwa 10min nach uns ebenfalls an und gemeinsam machten wir uns schließlich an den Abstieg.
Während wir über den Grat richtung Hintere Karlspitze stiegen, erglühten Goinger Halten und Ostkaiser in der Abendsonne. Ein herrliches Schauspiel, das aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass es Zeit wurde, vom Berg zu kommen, bevor es dunkel werden würde. Der Abstieg vom Grat erfordert noch einmal volle Konzentration an einigen Kraxelstellen, die teilweise mit Klammern entschärft sind (I-II).

Kitzbüheler Horn und Großes Wiesbachhorn erstrahlen im Abendlicht.
Endlich erreichten wir das Ellmauer Tor und damit das Ende der Schwierigkeiten. Erleichtert gingen wir nun den weiteren – einfachen – Abstieg an, während es allmählich dunkel wurde. Etwa halb acht waren wir wieder am Auto. Nach einem sehr langen Tag im Gebirge. Da hatte er uns zum Saisonabschluss noch einmal voll gefordert, der Vordere Karlspitze SO-Grat.
Daten zur Tour
- Vordere Karlspitze (2260m), Südostgrat
- Schwierigkeit III+ (IV+), 15 SL, 800m
- 1200 Hm
- Absicherung alpin, Standplätze gebohrt, ebenso Zwischensicherungen an den schwierigen Stellen
- Erstbegangen am 15.08.1905 durch J. Bögle und H. Schmied im Abstieg
- Topo bei bergsteigen.com
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