Skitour in den Tuxer Alpen am 28.02.2022
Auf den Lizumer Reckner wollte ich schon lange mal. Einmal hatte ich es sogar schon probiert, musste aber wegen Schießübungen auf ein anderes Ziel ausweichen. Dieses Mal nun gelang es mir zum Glück kurzfristig einen Tag frei zu nehmen, um an einem schießfreien Tag unterwegs sein zu können.
Nach einer sehr bescheidenen Nacht startete ich 07:15 Uhr am Lager Walchen. Nicht nur hatte ich sehr früh aufstehen müssen, um jetzt hier sein zu können. Ein großer Landkrieg in Europa, Hunderttausende Flüchtlinge und Hunderte Tote, Drohung mit Atomkrieg – das hatte mich auch schon vorher um den Schlaf gebracht. Zwar hatte ich die Entwicklung schon seit einigen Wochen ziemlich genau so erwartet, aber als es dann soweit war, hatte es mich trotzdem schockiert.
Wie es wohl weitergeht? Ich glaube nicht, dass Putin langfristig gewinnen kann. Dafür sind die Lebensbedingungen, die er anzubieten hat, einfach zu unattraktiv. Aber natürlich kann er auf dem Weg in den Niedergang noch viele Zwischensiege erringen. Und sehr viele Menschen in Russland, in der Ukraine und anderswo mit ins Verderben ziehen. Zur Vergeblichkeit des Kriegführens empfehle ich die Lektüre von Tolstois „Krieg und Frieden“ — gibt es auch auf russisch.
Die eisige Luft brachte mich wieder zurück in den Augenblick, als ich mit steifen Fingern und geschulterten Ski am Posten vorbei auf das Truppenübungsgelände ging. Etwa 100m weiter konnte ich dann auf die Ski steigen und los ging’s. Am Lizumbach entlang und über das Gelände der Stieralm ging es in den Wald. Gelegentliche Stockproben ergaben, dass der Schnee oberflächlich noch deutlich pulvriger war, als ich ihn erwartet hatte. Nicht so schlecht.
Nach der Innerlannalm (1684m) ging es dann endlich richtig bergauf, bis die Skiroute die Militärstraße erreichte. Dort hatten zwei junge Soldaten einen LKW etwas schief am abschüssigen Straßenrand geparkt und warteten nun auf Hilfe. Freundlich grüßten wir uns, während ich auf den Ski weiterging. Auch am Hochlager grüßten mich Alle sehr freundlich. Es ist schwer vorstellbar, dass man mit so netten Soldaten ein anderes Land überfallen könnte. Aber wer weiß, was Krieg aus Menschen macht?
Zur Lizumer Hütte geht es vom Militärlager aus ein kurzes Stück bergab und dann wieder hoch. Zwei Stunden nach Aufbruch kam ich dort an und beschloss, für Kaffee und Kuchen kurz einzukehren (was ich empfehlen kann!). Die Frühstückszeit dort war gerade beendet und die Übernachtungsgäste bereits unterwegs. So konnte ich in Ruhe eine kleine Stärkung genießen, bevor ich mich wieder auf den Weg machte. Netterweise gab mir die Wirtin sogar noch etwas Sonnencreme mit, denn ich hatte meine dummerweise zu Hause vergessen.
Zahlreichen Spuren und zwei größeren Gruppen folgend querte ich die Hänge der Lizumer Sonnenspitze in das kleine Tälchen, das zwischen Geier und Pluderling liegt. Die Sonne stand nun schon recht hoch, dazu war es hier windstill und damit richtig warm. Mir war es nur recht.
Ursprünglich hatte ich vorgehabt, zuerst zum Gipfel des Geier zu gehen und dann von dort aus den Lizumer Reckner anzugehen. Doch einige Tage zuvor hatte ich in einem Skitourenführer die Empfehlung gelesen, schon vorher abzubiegen und direkt in die Scharte zwischen beiden Gipfeln zu steigen. Leider folgte ich dieser Empfehlung und spurte auf etwa 2700m nach rechts raus und um den Geier herum in eine kleine Mulde unterhalb der Scharte.
Tja, da stand ich nun, etwa 40m unterhalb der Scharte. Der Hang hinauf war eher zu steil, um ihn komplett mit Ski zu gehen. Und ganz offensichtlich voller Triebschnee. Ich war versucht, mich den kurzen Hang einfach hochzuwühlen. Aber zu Fuß gehen hätte geheißen hohe Zusatzbelastung, was mir angesichts des Lawinenlageberichts und der eindeutigen Gefahrenzeichen nicht vertretbar erschien.
Was also nun? Ich hatte keine Lust, mich von einer schlechten Tourenbeschreibung um diesen schönen Gipfel bringen zu lassen, also suchte ich nach einer Alternative. Und ein Stück richtung Geier fand ich sie. Dort war ein steiler Hang abgeblasen und ich sollte im felsdurchsetzten Gelände sicher aufsteigen können. Also querte ich hinüber, packte die Ski an den Rucksack und ging es an. Das Blöde war nur: dort, wo ich Trittfirn erwartet hatte, fand ich haltlosen Schwimmschnee; und dort, wo ich festen Fels erwartet hatte, fand ich bröselig-erdigen Schrott. Dass ich trotzdem weiter stieg, war nicht gerade einer meiner besten Entscheidungen.
Fluchend bahnte ich mir also einen Weg nach oben, prekäre Tritte tretend und mich an den wenigen festen Felsen abstützend. Mühsam war das, sehr anstrengend und zeitraubend. Höhepunkt war, als ich einen Block zu Tal beförderte, auf dem ich mich kurz vorher noch abgestützt hatte. „Du musst jetzt aber halten,“ sagte ich zum nächsten, etwas größeren Block, an dem ich gerade stand. Er tat mir den Gefallen. Nachdem ich diesen überklettert hatte, lehnte sich der Hang ein wenig zurück und lieferte endlich guten Trittschnee. Der Rest war schnell erledigt und erleichtert erreichte ich den verspurten Nordhang des Geiers.
Zwei Tiroler hatten den Weg zum Gipfel des Lizumer Reckners gespurt und kamen gerade wieder herab. Es ginge besser, als es aussähe, meinten sie. Das hörte sich gut an. Und tatsächlich ging es ziemlich gut. Dank der künstlichen Griffe ließen sich auch die plattigen Abschnitte der Kletterei (I-II) gut bewältigen. Unterhalb des steilen Gipfelaufbaus ließ ich schließlich meine Skistöcke zurück und hangelte am Drahtseil (B) nach oben. 13:15 Uhr hatte ich dann den höchsten Punkt der Tuxer Alpen (2886m) erreicht. Hart erarbeitet heute und daher um so schöner, nun hier oben zu stehen und den Blick übers Tuxer, Stubaier und Zillertaler Gipfelmeer schweifen zu lassen.
An einem windgeschützten Platz etwas unterhalb des Gipfels machte ich kurz Pause und aß einen Riegel. Dann kletterte ich vorsichtig zurück zu meinen Ski und stieg noch zum Gipfel des Geier (2857m) auf. Auch dieser lag leider voll im Wind, so dass die zweite Gipfelpause nicht viel länger ausfiel als die erste.
Dann wurde es Zeit für die Abfahrt. Die Schrottwühlerei hatte Kraft gekostet, so dass ich heute nicht so mühelos abfahren konnte wie auf den letzten beiden Skitouren. Trotzdem wurde es ziemlich gut, denn der Schnee war einfach spitze. Als ich den Gipfelaufbau des Geiers hinter mir hatte, fand ich tatsächlich noch Platz für eine eigene Linie. Und dann ging es los – bis zu den Knien im herrlichen Pulverschnee. Wow, so genial ist es nicht oft. Was für ein Spaß!
Zur Hütte hin wurde der Schnee dann schwerer und ab der Hütte war ohnehin nur noch Abrutschen angesagt. Aber egal, denn es hatte sich schon gelohnt. 15:45 Uhr erreichte ich wieder den Ausgangspunkt und schnallte die Ski ab. Schön war es heute gewesen am Lizumer Reckner. Und dazu hatte ich endlich den Kopf frei bekommen und war die düsteren Gedanken losgeworden, die mich in den Tagen zuvor geplagt hatten. Gut gelaunt setzte ich mich ins Auto und fuhr nach Hause. Die Sorgen kamen später natürlich zurück – aber doch weniger drückend als zuvor.
Daten zur Tour
- Lizumer Reckner (2886m) und Geier
- SKT-Schwierigkeit AD (meine Variante, über den Geier PD), B, I-II
- 1600 Höhenmeter
2 Kommentare
Mark · 6. März 2022 um 4:49 pm
Gratulation zu einem weiteren Gruppenhöchsten! Und dazu noch mit tollem Schnee!
Bei meinen Begegnungen mit österreichischen Soldaten waren sie immer freundlich.
Hannes · 8. März 2022 um 9:08 am
Danke Mark – es war eine wirklich schöne Tour!
Und die Nettigkeit österreichischer Soldaten spricht meiner Meinung nach ganz klar für das Land. 😉