Klettern im Mangfallgebirge am 18.04.2022
Der Dülferriss an den Ruchenköpfen ist einer der Megaklassiker in den bayerischen Voralpen. Dementsprechend hatte ich die Tour schon lange im Hinterkopf. Doch für die schönen Klettertage im Sommer und Herbst habe ich immer längere Touren bevorzugt, im Frühjahr wiederum welche mit kürzerem Zustieg. Am Osterwochenende gingen wir es dann aber endlich an.
Seit der letzten Skitour an der Alpspitze hat sich der Schnee deutlich zurückgezogen. Daher boten sich für einen Bergausflug nur zwei Möglichkeiten: Entweder sehr früh aufstehen und recht weit fahren oder die Sportart wechseln. Am Ostermontag entschieden wir uns für Letzteres und eröffneten die Klettersaison.
Eduard, den ich vom Hallenklettern her kenne, hatte gerade einen Kurs Alpinklettern in Arco absolviert. Nun war er hoch motiviert, das Gelernte in die Tat umzusetzen. Für südseitig ausgerichtete Mehrseillängen-Kletterei bieten sich im Frühjahr vor allem die Ruchenköpfe an. Und da fiel er mir wieder ein, der Dülferriss.
Kurz vor neun gingen Eduard und ich in Geitau (789m) los. Auf einen früheren Start hatten wir bewusst verzichtet, um nicht in der morgendlichen Kälte vor der Wand zu stehen. Da die Tour nur aus vier kurzen (oder zwei längeren) Seillängen besteht, hatten wir auch nicht den großen Stress. Am Segelflugplatz vorbei wanderten wir über die Straße und in den Bergwald hinein. Wir tauschten allerlei Berg- und Klettergeschichten aus und so verging die Zeit wie im Flug. Ab der Untersteilenalm (1180m) wurde der Weg steiler und bald zeigten sich auch die ersten Schneeflecken.
Gegen halb elf erreichten wir den Soinsee (1459m), dessen Ufer bereits von einigen Wanderern in Beschlag genommen war. Herrlich war es hier: Während ein Großteil des Sees noch von Eis bedeckt war, schien die Sonne ans nördliche Ufer und sorgte für angenehme Temperaturen. Es war wärmer und der Wind war schwächer, als wir erwartet hatten. Super Voraussetzungen für schöne Kletterei! Mit entsprechender Vorfreude stapften wir die Schneehänge hinauf zur Bergwachthütte (1615m). Hier gab es bereits zahlreiche Spuren, vor allem von Wanderern, aber auch zum Brotzeitfelsen führten schon einige wenige Spuren hinauf.
Den Einstieg in den Westgrat ließen wir heute links liegen und wandten uns der Südwand zu. Diese macht für Voralpenverhältnisse ganz schön was her. Auch der Dülferriss ist dank klassischer Linie vom Wanderweg aus gut erkennbar, was uns dabei half, auf Anhieb den Einstieg zu finden. Hier machten wir erst mal Pause, stärkten uns und sortierten den Kletterkram. Da wir heute die einzigen Kletterer an den Ruchenköpfen waren, mussten wir auch keine Angst haben, dass uns jemand vom Südwandband Steine auf den Kopf schmeißt.
Und dann ging es los. Die erste Seillänge war meine und war noch recht zahm. Nach einigen Schrofen stellte sich eine gestufte Rippe als Haupthindernis in den Weg (III+). Da der Tritt der ersten Stufe extrem abgeschmiert war, zog ich es hier vor, die kleintrittige Wand rechts daneben zu erklettern. Der Rest war dann wieder leicht. Der erste Haken der Tour war dann auch gleich der erste Standplatz und ich konnte Eduard auf ein kleines Podest nachholen.
In der zweiten Seillänge durfte Eduard ran. Zunächst ging es in einen steilen, engen Riss hinein (IV-). Dort hieß es dann, Füße sortieren, um trotz der begrenzten Bewegungsmöglichkeiten Höhe zu gewinnen und oben wieder auszusteigen. Der Riss weitet sich nun zum Kamin und wer hier sichern möchte, freut sich über einen Friend am Gurt. Eduard ist den Kamin auf der linken Seite gegangen, ich fand es rechts angenehmer. Wir hatten nun das Südwandband erreicht und machten eine kurze Pause. Unten stapften immer wieder Wanderer durch den Schnee, die Sonne schien und wir hatten die ganze Wand für uns. Was für ein schöner Frühlingstag!
Dann ging ich die dritte Länge, die Schlüsselseillänge (IV+) der Tour an. Vor dieser hatte ich einigen Respekt, sind solche Klassiker doch meist von vornherein streng bewertet und durch Abnutzung über die Jahre nicht leichter geworden. Bis zum ersten Klebehaken ging es leicht, dann wurde es steil. Hier konnte ich zum Glück gut ausspreizen und dann auf kleinen Tritten den nächsten Absatz erreichen. Kurz darauf hatte ich auch den zweiten Haken erreicht. Tja, und nun? Um die Schlüsselstelle – einen kurzen glatten Riss – zu entschlüsseln brauchte ich etwas. In einer Kombination aus Arm- und Fußklemmtechnik gewann ich schließlich genug Höhe, um an die nächsten großen Griffe zu gelangen und die steile Stufe zu überwinden. Yeah, geschafft! Hoch zufrieden, aber immer noch konzentriert, kletterte ich nun die letzten Meter zum Stand.
Nun war Eduard wieder am Zug und startete in Seillänge Nr. 4. Diese ist wieder etwas leichter (IV-), dafür sehr spärlich gesichert. Wieder geht es einen Riss entlang (die Route heißt eben nicht umsonst Dülfer“riss“), aus dem man dann hangelnd und etwas ausgesetzt auf eine Schuppe ausstiegt. Für mich war das noch mal eine richtig schöne Stelle. Allerdings gibt es bis hierhin keine Haken, man sollte also gut auf Legemöglichkeiten achten. Den Abschluss der Tour bildet dann eine geneigte Rissverschneidung, die nach oben hin immer leichter wird.
Zufrieden gaben wir uns die Hand und genossen die wohlverdiente Gipfelpause. Eduard freute sich über seine dritte und bislang alpinste Mehrseillängenroute und seinen souveränen Vorstieg. Ich freute mich darüber, die Schlüsselstelle gemeistert zu haben. Und gemeinsam freuten wir uns über die schöne Kletterei, das tolle Wetter und die herrliche Aussicht.
Nach der Gipfelrast gingen wir hinüber zum Beginn der Abseilpiste und standen nach 3x Abseilen wieder am Wandfuß. Wir packten unsere Sachen zusammen und wanderten durch das Nachmittagslicht zurück nach Geitau, nochmals die ein oder andere Kletterstelle Revue passieren lassend. Kurz vor fünf waren wir wieder am Ausgangspunkt und fuhren nach dieser schönen Saisoneröffnung am Dülferriss zurück nach München.
Für diese Tour habe ich in ein Wandbild den ungefähren Routenverlauf eingezeichnet – ohne Gewähr.
Daten zur Tour
- Ruchenköpfe (1805m), Südwand „Dülferriss“
- Erstbegangen 1910 durch Hans Dülfer & W. v. Redwitz
- Schwierigkeit IV+, 4 SL, 80m
- Absicherung mittel mit Ringhaken an Standplätzen und Schlüsselstellen
- Abstieg über Abseilpiste am Westrand der Südwand (rote Pfeile vom Gipfel aus) oder zu Fuß durch die Schnittlauchrinne (T4, I)
- 1000 Höhenmeter ab Geitau
- Topo gibt es bei bergsteigen.com
- Wandbild mit Routenverlauf gibt es gleich hier:
5 Kommentare
Boris Schulze · 24. April 2022 um 7:20 am
Servus Hannes,
das klingt nach einem herrlichen Bergtag im Frühling, toll!
Ich konnte den angewärmten Südwandfels förmlich unter meinen Fingerspitzen spüren. Und gleich jucken sie schon sehr, auch die draußen-Kraxelsaison zu eröffnen.
Heute geht’s aber (wenn’s klappt) erstmal nur ans Plastik.
Gratulation zu der schönen Tour dir und Edi und auf bald!
Boris
Hannes · 24. April 2022 um 7:25 am
Servus Boris,
vielen Dank! Freut mich, wenn das Frühlings-Kletter-Feeling rüberkommt. 🙂 Viel Spaß am Plastik heute – und bis bald wieder gemeinsam am Seil!
Schöne Grüße
Hannes
Detlev · 4. Juli 2024 um 7:24 pm
Sehr schön geschrieben, tolle Bilder. Macht Laune für die Tour (nach dem bezwungenen Westgrat), LG aus München
Detlev · 4. Juli 2024 um 7:26 pm
Die Schnittlauchrinne im Abstieg ist auch ok, allerdings z.T. rutschig, man muss nicht die Abseilpiste nehmen
Hannes · 8. Juli 2024 um 2:46 pm
Servus Detlef und danke für das Lob. Mir hat die Tour wirklich gut gefallen.
Danke auch für den Hinweis zum Abstieg; ich habe die Schnittlauchrinne oben ergänzt. Für uns war sie keine Option, da damals noch voller Schnee.
Schöne Grüße,
Hannes