Bergtour in den Allgäuer Alpen am 15.07.2022

Eigentlich hatte ich mir den Großen Krottenkopf Nordgrat vorgenommen. Stattdessen wurde es meine erste geschlossene Umrundung eines einzelnen Berges. Was auch interessant war und obendrein landschaftlich sehr schön.

08:20 Uhr startete ich diese Tour am Parkplatz Renksteig (824m) auf meinem treuen Aluross. Es ging gleich mal steil bergauf zum Golfplatz und dann entspannt dahin am Christlessee entlang zur Trettachbrücke. Vor der Spielmanssau steilte es noch einmal auf und dann noch mal richtig am letzten Stück zur Materialseilbahn (ca. 1080m).

Nun ging es zu Fuß weiter. Die letzten Radlmeter hingen mir noch ordentlich in den Oberschenkeln, als ich mich zur Kemptner Hütte aufmachte. Ich war gespannt, ob mich das später noch einholen würde. Zunächst war ich aber derjenige, der einholte – nämlich zahlreiche andere Wanderer, die meisten davon mit großen Alpenüberquerungsrucksäcken ausgestattet. Auch absteigende Bergfreunde traf ich bereits. Ist eben beliebt, der E5-Abschnitt Oberstdorf – Meran*.

Auf ca. 1200m ging es in beinahe dschungelartigen Wald voller Laubbäume, hoher Gräser und Blumen. Eine willkommene Abwechslung zu den oft etwas eintönigen Fichtenwäldern im Gebirge. Der nächste landschaftliche Wechsel folgte am P1474, wo es in den Sperrbachtobel hinein ging. Hier führt der Weg auf halber Höhe durch die Schlucht des Sperrbaches. Dahinter zeigten sich bereits Muttlerkopf und Oefnerspitze. Wie erwartet hingen die Gipfel noch in Wolken, aber immerhin rissen diese allmählich auf.

In einer langen Rechtsschleife erreichte ich dann die Kemptner Hütte (1844m). Hier ging es noch sehr ruhig zu und ich konnte entspannt einen Kaffee trinken und ein Stück Schoko-Nuss-Kuchen essen (Mmmmh). Angesichts der Länge der heutigen Tour war mir diese Aufstiegsstärkung sehr recht.

Nach dieser kurzen Pause setzte ich meinen Aufstieg zum oberen Mädelejoch (2033m) fort. Als ich auf dem Weg dorthin über die Nachtböden wanderte, liefen zahlreiche Murmeltiere über den Weg – alte dicke und kleine junge. Sie waren kaum scheu und verkrochen sich erst im letzten Moment in ihre Bauten. Auch floral war hier wieder einiges geboten: Alpendost und Alpenrosen blühten farbenprächtig um die Wette. Über Murmeltieren und Blumen thronte bereits mächtig der Große Krottenkopf. Es sah noch ganz schön weit weg aus, mein Tagesziel.

Ab dem Mädelejoch folgte ich ein Stück dem Steig zum Muttlerkopf und bog dann weglos in die Böden des herrlich einsamen Oefnerkares ab. Etwa am P2309 nahm ich den Aufstieg in die Hermannskarscharte in Augenschein. Der sah gar nicht mal so einladend aus mit seiner steilen Schutthalde und der engen Rinne darüber. Es ging dann aber. Der Aufstieg war zwar mühsam, aber deutlich weniger unangenehm, als ich ihn mir von gegenüber vorgestellt hatte. Kur vor der Scharte (2443m) gab es sogar kurz Kletterei in brauchbarem Fels (I-II).

In der Scharte pfiff ein stürmischer Wind, so dass ich mich nur kurz stärkte und den Helm auspackte, bevor ich mich am Nordgrat versuchte. Dieser wartet gleich zu Beginn mit der ersten IIIer-Stelle auf. Die ersten Züge gingen gut, dann kam ein trittarmer Ausstieg auf ein Podest, aus dem ich nicht recht schlau wurde. Hochgekommen wäre ich schon, war mir aber nicht 100%ig sicher, genau so auch wieder herunterzukommen. Diese Sicherheit möchte ich aber bei Solotouren immer haben. Ich probierte es mehrfach und entschloss mich schließlich zum Rückzug.

Es tat mir leid um den schönen Grat und ich tröstete mich damit, dass dessen Begehung bei stürmischen Böen eh nicht ganz so schön gewesen wäre. Ich war also ein wenig enttäuscht, haderte aber nicht mit meiner Entscheidung. Dass ich im Solo-Betrieb konservativ bin, finde ich ok.

Spontan entschloss ich mich dazu, nicht zurück ins Öfnerkar zu gehen, sondern ins Hermannskar. Weil der Abstieg dorthin angenehmer aussah und weil ich so den Krottenkopf umrunden würde. Immerhin ein schöner Ersatz für den ausgefallenen Nordgrat. Die obersten 20m des Abstiegs waren dann allerdings deutlich unangenehmer, als ich sie mir von oben vorgestellt hatte. So gleicht sich eben alles aus…

Im schönen Hermannskar querte ich über Blockhalden oberhalb des Sees zum Wanderweg und folgte diesem zur Krottenkopfscharte (2350m) hinauf. Da ich mich noch einigermaßen frisch fühlte, beschloss ich hier, den Großen Krottenkopf über den Normalweg anzugehen. Dieser war überraschend unterhaltsam (T4, I), bot Felskontakt und war angenehm frei von künstlichen Steighilfen und Versicherungen. Kurz unter dem Gipfel kam mir ein anderer Bergfreund entgegen – der erste seit Verlassen der Hütte.

14:45 Uhr stand ich dann am Großen Krottenkopf auf 2656m Höhe. Die Aussicht war durch die Wolken leider eingeschränkt. Nur nach Süden zu war sie relativ frei und reichte bis Ortler und Wildspitze. Davor zeigte sich der Hohe Riffler prominent sowie weiter östlich Wazespitze und Verpeilspitze. Etwas näher beeindruckte die Heiterwand.

Toll, dass ich es doch noch hierher geschafft hatte! Da es immer noch sehr zugig war, fiel die Gipfelbrotzeit allerdings nicht allzu lange aus und ich machte mich bald wieder an den Abstieg zurück zur Krottenkopfscharte. Dann ging es weiter bergab zum P2043. Unterwegs beobachtete ich eine Gruppe Steinböcke mit vier Kitzen. Die Kitze sprangen unbeholfen (also nach Steinbock-Maßstäben) über den Hang, zwei halbwüchsige Böcke probten ihre Kräfte – ein schönes Schauspiel.

Mit mittlerweile über 2000 Höhenmetern in den Beinen war mir die Gegensteigung zum Oberen Mädelejoch dann herzlich unwillkommen. Aber es half nichts: Sowohl Radl als auch Auto standen definitiv auf der anderen Seite. Also musste ich noch mal hoch. Was dann besser ging als erwartet. Konditionell war ich heute erstaunlich gut drauf.

Zwanzig vor fünf erreichte ich zum zweiten Mal die Kemptner Hütte, deren Hüttenterasse mittlerweile dicht bevölkert war. Weißbier, Schlutzkrapfen und noch ein Stück von dem Schoko-Nuss-Kuchen waren jetzt genau, was ich brauchte. Unter „richtigen Bergsteigern“ genießt die Hütte einen etwas zweifelhaften Ruf wegen E5, ahnungslosen Alpenüberquerern, alpinem Massentourismus und so. Ich kann nur sagen, dass das Team sehr freundlich war und das Essen sehr gut. Und das Bier hat eh geschmeckt.

Nach dieser Stärkung stieg ich zügig weiter ab und freute mich über mein Radl, mit dem der Rückweg zum Parkplatz in wenigen Minuten erledigt war. 18:45 Uhr endete diese Tour, die zwar nicht komplett erfolgreich verlaufen war, mich dafür landschaftlich begeistert hatte. Und außerdem: Meine erste komplette Umrundung eines einzelnen Berges!

*Die Alpenüberquerung auf dem E5 ist inzwischen derart beliebt, dass Viele vielleicht gar nicht wissen, dass sie nur einen sehr kurzen Abschnitt des Fernwanderwegs darstellt. Der E5 beginnt an der Pointe du Raz in der Bretagne und endet in Verona. 2900km hat die Gesamtstrecke. Die 105 km zwischen Oberstdorf und Meran sind wahrscheinlich die meistbegangenen davon…

Daten zur Tour

  • Großer Krottenkopf (2656m), mit Umrundung über die Hermannskarscharte
  • Schwierigkeit T6, I-II (ohne Umrundung T4, I)
  • 2350 Höhenmeter ab Renksteg

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

4 Kommentare

Fabian Knoch · 1. August 2022 um 7:08 am

Kannst du nen link auf komoot etc. oder das gpx zur Verfügung stellen?

    Hannes · 1. August 2022 um 4:17 pm

    Hallo Fabian, freut mich, dass Dich die Tour interessiert! Wenn Du magst, gebe ich Dir gerne eine ausführlichere verbale Beschreibung – einfach melden. Tracks stelle ich allerdings nicht zur Verfügung.

Philipp · 22. September 2022 um 7:53 am

Toller Tourenbericht! Den Krottenkopf habe ich vor vielen Jahren mal gemacht und will die Tour nächstes Jahr mal wiederholen. Danke für Bericht und Bilder, war ja ein strammes Tagesprogramm 👍

    Hannes · 22. September 2022 um 7:24 pm

    Danke Philipp, freut mich, dass Dir der Bericht gefällt. Und ja, war eine lange Tour. Direkt rauf ist da wohl entspannter. 😉 Dir dann kommendes Jahr viel Freude an diesem schönen Berg!

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