Klettern im Wetterstein am 09.07.2022

Nach einjähriger Pause waren Gregor und ich mal wieder zum Klettern verabredet. Wir hatten uns die klassische Leberle-Führe in der Musterstein Südwand herausgesucht. Diese stellte sich als sehr abwechslungsreich und interessant heraus. Aber auch als fordernder als ich erwartet hatte, wobei ich auch nicht meinen besten Tag hatte.

Wir starteten etwa zwanzig vor acht am Parkplatz der Meilerhütte zum Aufstieg durchs Bergleintal. Nach zwei (weitgehend) bergabstinenten Monaten musste ich beim Aufstieg erst mal ganz schön keuchen. Nach etwa einer Stunde hatte ich mich dann eingegangen und es ging leichter.

Das Wetter war bewölkt und mit zunehmender Höhe nahm auch der Wind zu. Es war doch etwas weniger schön, als wir gehofft hatten. Ab dem P1824 bekamen wir „unsere“ Wand immer besser zu Gesicht und konnten sie schon einmal studieren. Die Leberle wird allerdings erst später gut sichtbar, was wir dann dazu nutzten, den Wegverlauf und insbesondere den Einstieg zu suchen. Letzteren fanden wir auch gleich auf Anhieb.

Am Einstieg machten wir kurz Pause, dann startete ich in die erste Seillänge der Leberle. Schwer war die nicht (II), zeigte aber gleich mal den Charakter der Tour: Sehr klassisch, mit Schlaghaken nur dort, wo man keine Schlinge legen kann. Und natürlich bohrhakenfrei. Außerdem merkte ich, dass ich heute mental keinen guten Tag hatte. Das Bewegungsgefühl passte, aber das Zutrauen war heute nicht so doll.

In der zweiten Länge überwand Gregor ein kurzes steiles Wandl (III) und hängte dann die dritte Länge, eine steile Rinne (II-III) gleich an. Da ihm kurz vor Erreichen des nächsten Standplatzes das Seil ausging, hängte er eine Rücklaufsperre ein und wir kletterten ein paar Meter simultan. In diesem Gelände kein Problem.

Wir hatten nun den Leberle-Kessel erreicht und es stellte sich die Frage, wo es anschließend weiter gehen würde. Eher links oder eher rechts? Das Panico-Topo war hier keine Hilfe, Topo und Textbeschreibung aus dem AV-Führer deuteten eher nach rechts, so dass ich dorthin zu einer Erkundung startete. Ich fand dann auch schnell den Einstieg zur Rampe der sechsten Seillänge, wo ich an zwei Friends Stand machte.

Gregor war nun bei der sechsten Seillänge dran. Über eine Rampe ging es noch leicht, dann folgte ein steiler Riss (IV-) an einer Verschneidung. Gregor machte das gut, ich dann weniger. Völlig planlos ging ich den Riss an, quetschte mich zu tief in die Verschneidung, rutschte beim rausqueren mit dem Fuß ab, hing im Seil und brauchte auch danach noch ewig, bis ich die Stelle endlich geschafft hatte. Boah, das war echt schlecht.

Seillänge sieben war dann wieder meine und führte über eine steile Rampe (IV). Ich war hier zwar langsam unterwegs, aber sicher. Die achte Länge führte anschließend durch einen hübschen Kamin, den man gut mit den Knien aufwärts stemmen konnte (IV-). An der engsten Stelle nahmen wir jeweils kurz den Rucksack ab, für den es dort ein passendes Aufbewahrungs-Podest gab.

Dann standen wir unter dem Kamin von Länge neun. Verdammt eng und verdammt glatt. Ich war dran und probierte es. Aber mir fehlte vollständig das Gefühl, den oberen, glatteren Teil bewältigen zu können und ich bat Gregor darum, zu übernehmen. Das machte er dann auch, kletterte die ersten Meter in einer Mischung aus Stemm- und Wandkletterei und überwand den oberen Teil in der Froschtechnik. Anschließend zog er die Rucksäcke hoch und dann durfte ich nachkommen. Ich tat mich unglaublich schwer mit dieser Stelle, brauchte ewig. Ich war noch nie einen so engen Kamin geklettert. Letztlich ging es dann ganz ok, aber Kraft- und Nervenaufwand waren schon hoch.

Nachdem die Schlüssellänge überwunden war, konnte ich die zehnte und letzte Länge angehen. Es geht in eine abweisend aussehende Schlucht, dort einige Meter hinauf und dann hinüber zu einem Loch, durch das man in die Sonne steigt (III). Danach noch ein paar Meter Gehen und ich hatte den Westgrat des Mustersteins erreicht. Erleichtert richtete ich den letzten Standplatz ein. Leberle geschafft, Südwand geschafft!

Nachdem wir unser Geraffel zusammen gepackt hatten, setzten wir unseren Weg richtung Gipfel fort. Gregor kannte den Westgrat bereits von einer früheren Begehung, was uns nun zugute kam. In hübscher IIer-Kletterei ging es also weiter zum Gipfel, den wir schließlich 16:20 Uhr erreichten. Mittlerweile hatte sich die Sonne etwas durch die Wolken gekämpft und es ließ sich auf dem Gipfelbankerl gut aushalten. Die Aussicht dort oben war ohnehin klasse.

Nach einer halben Stunde Pause drängte ich darauf, wieder aufzubrechen. Mir war klar, dass ich heute eher langsam unterwegs war. Und der Abstieg war noch lang. Also kletterten wir wir zurück zum Endpunkt unserer Route, querten dann sehr ausgesetzt auf die Nordseite (II), kletterten einen steilen Riss ab (III-) und eine ausgesetzte Rampe (II) und schließlich die Abseilstelle (im Aufstiegssinn) hoch (III). Ich war wirklich nicht schnell, prüfte jede heikle Stelle mehrfach. Aber dass ich dieses Gelände auch einem eher schwachen Tag sicher seilfrei klettern konnte, freute mich dann doch.

Nach der Abseilstelle wird das Gelände allmählich leichter und viertel vor sieben erreichten wir dann auch endlich die Meilerhütte. Ich war erleichtert, das schwere Gelände hinter uns zu wissen. Der restliche Abstieg würde nun einfach sein.

Entspannt machten wir nochmals Pause, aßen etwas und stießen auf die spannende Klettertour an. Nach einer guten Stunde brachen wir wieder auf und wanderten den langen Weg übers Platt und durchs Bergleintal ind die Nacht hinein und zurück zum Parkplatz. So ging eine abenteuerlicher Klettertag zu Ende.

Daten zur Tour

  • Musterstein (2478m) Südwand, „Leberle“
  • Schwierigkeit IV, 10 SL, 320m
  • Absicherung alpin; wenige Schlaghaken vorhanden; gut mit Keilen, Friends, Schlingen absicherbar
  • Achtung auf Steinschlag, insb. am Standplatz vor SL 9
  • 1600 Höhenmeter
  • Abstieg über Westgrat T6, II, jeweils eine Stelle III und III-
  • Erstbegangen 1902 durch A. Heinrich und H. Leberle

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

4 Kommentare

Mark · 26. Juli 2022 um 6:50 pm

Ich finde es nicht so überraschend, dass man sich nach längerer alpiner Abstinenz beim Klettern etwas schwer tut. Die Gegend um die Meilerhütte ist noch ein weißer Fleck auf meiner Alpinkletterlandkarte, obwohl ich schon häufiger darüber nachgedacht habe dort etwas zu klettern.

    Hannes · 27. Juli 2022 um 1:41 pm

    Letztlich war ich eigentlich zufrieden damit, wie gut es dann doch noch ging. Nur Riss und enge Kamine muss ich einfach mal üben. Dafür fehlt mir die Technik.

    Die Gegend hat mir landschaftlich gut gefallen. Aber der Zustieg ist natürlich schon lang.

Gerd Schröder · 1. Oktober 2023 um 3:12 pm

Eigentlich kommt mir mein Bericht etwas komich vor: Mein Leberleweg liegt 70 Jahre zurück. Wir kamen aus Berlin mit einiger Klettergartenerfahrung und Mut zum Touremgehen. Wir gingen brav nach AV-Führer am linken Rand des Leberlekessels. Die heiße Seillänge war die Leberleplatte, plattig. abschüssig. Die unangenehmste Stelle war auch bei uns der enge schwarze Riss, der auch Dir Schweiß und Kraft kostete, Einige unserer Bilder von damals decken sich mit Deinen Aufnahmen: Das Ende der Rinne unterhalb des Kessels und natürlich der enge schwarze Riss. Schön, dass man auch heute noch solche Routen geht, besser abgesichert als wir früher gingen. Wir kannten noch keine friends und Keile waren uns auch noch unbekannt.
Gerd

    Hannes · 4. Oktober 2023 um 3:32 pm

    Hallo Gerd,
    vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich freue mich, dass Du meine Seite entdeckst hast und der Bericht anscheinend ein paar Erinnerungen wach gerufen hat

    Vor 70 Jahren war der Weg sicher noch mal eine andere Herausforderung. Nicht nur, dass Ihr weder Keile noch Friends hattet, Seile und Schuhe waren ja auch auf einem anderen Niveau als heute. Von daher Chapeau für Eure Begehung damals!

    Ab und an klettere ich alte, bohrhakenfreie (oder -arme) Klassiker sehr gerne. Das Gesamterlebnis ist einfach viel intensiver, als wenn Wegführung und Absicherung offensichtlich sind.

    Beste Grüße
    Hannes

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