Skitour in der Samnaungruppe am 06.05.2023

Eigentlich hatte ich ja mit der Skitourensaison schon abgeschlossen – und war mit Dirk für eine Bergtour verabredet. Doch angesichts der Schneelage in den Alpen disponierten wir dann doch um und suchten uns einen richtig schönen Skiberg für den Saisonabschluss aus: den Muttler.

Um sieben starteten wir in Samnaun. Der Ort wirkte wie ausgestorben und nur die zollfreien Tankstellen schienen besetzt zu sein. Wintersportorte wirken nach Ende der Saison ja oft etwas traurig. Auch das Wetter war leider noch nicht in bester Stimmung. Immerhin konnten wir durch dünne Wolken unser Tagesziel gerade so erkennen. Weit weg sah er aus, der Gipfelaufbau des Muttler.

Mit den Ski am Rucksack machten wir uns auf den Weg ins Val Maisas, das von Samnaun aus genau südwärts zieht. Erstes Hindernis war die Überwindung eines ausgedehnten Lawinenkegels am Ausgang des Val da Platta. Die beeindruckenden Schneemengen, die hier aufgetürmt lagen, ermahnten uns, die Gefahr von Lawinen ernst zu nehmen.

Kurz hinter einen kleinen Hütte, auf ca. 2040m nahmen wir dann die Ski vom Rucksack und gingen bequemer weiter. Anfangs noch mit einigen Unterbrechungsstellen, dann immer durchgängiger ging es dahin. Da die Nacht bewölkt gewesen war, war der Schnee bereits jetzt durchfeuchtet. Es war also Spurarbeit gefordert.

Schließlich erreichten wir den Rossboden, den großen Kessel, der den Abschluss des Val Maisas bildet. Auf der rechten Seite bildete der Stammerspitz, zweithöchster Gipfel der Gruppe, eine beeindruckende Kulisse. Gewaltige Lawinenkegel zogen von seinen steilen Flanken herab und füllten den rechten Teil des Talkessels aus. Linkerhand ragte der kegelförmige Muttler mit seinen perfekten Skihängen vor uns auf. Keine Menschenseele und keinerlei Begehungsspuren waren zu sehen, was die Szenerie noch eindrucksvoller machte.

Zunächst berieten wir uns kurz über die Lawinensituation und den besten Aufstiegsweg. Über Beides wurden wir uns bald einig, also ging es weiter das Tal hinauf und schließlich westlich unter dem Rossbodenjoch hindurch in die ausgedehnte Nordwestflanke des Muttler. Wir wechselten uns bei der Spurarbeit mehrmals ab, worüber ich sehr froh war, denn der Aufstieg war steil und dementsprechend anstrengend.

Das Wetter blieb wechselhaft. Kurz bevor wir auf ca. 2900m Pause machten, fing es sogar leicht an zu schneien. Was sollte das denn jetzt, fragte ich mich. Aber kurz danach riss es schon wieder auf und wurde freundlicher. Der Gipfel war bald wieder wolkenfrei und wir konnten begutachten, was uns erwartete. Der Weiterweg über den sich hier noch einmal aufsteilenden Hang bis zum Skidepot sah ganz schön anstrengend aus. Und der Fußanstieg am schwach ausgeprägten Blockgrat (oder sollte man besser „Schieferbruchgrat“ sagen?) bis zum Gipfel erst recht. Aber wat mutt dat Muttler. Also packten wir bald zusammen und gingen weiter.

Steil ging es weiter. Spitzkehrengelände der schon leicht gehobenen Klasse. Immerhin war der Schnee weich, so dass beim Umsetzen der Ski kein Stress aufkam. Etwa 150m unter dem Gipfel ließen wir es dann gut sein und stellten auf Fußbetrieb um. Steigeisen und Pickel hatten wir zwar dabei, brauchten sie aber nicht. Der Schnee war locker und nur schlecht mit dem Untergrund verbunden, so dass der Aufstieg recht mühsam wurde

12:40 Uhr hatten wir es dann geschafft und standen am Gipfel des Muttler in 3296m Höhe. Sehr cool war es, dass wir uns durchgebissen hatten und nun hier oben saßen. An der alten Helikopterplattform setzten wir uns zur Pause und genossen den Blick ins Grau der umgebenden Wolken. Tja, Aussicht war heute nicht zu haben, ansonsten war es bis hierher eine ebenso tolle wie auch anstrengende Tour gewesen. Wie wohl die Abfahrt werden würde?

Nachdem wir zurück zu unserem Depot gestapft waren, stiegen wir wieder auf die Ski und machten uns bereit. Pünktlich kam nun auch die Sonne wieder heraus, so dass wir bei guten Sichtverhältnissen abfahren konnten. Aus Vorsicht hatten wir entschieden, alle Hänge einzeln zu befahren. Dirk legte los, dann war ich dran. Und merkte schon beim ersten Schwung, dass das gar nicht so übel ging wie erwartet. Es machte sogar richtig Spaß, durch den Sulz zu surfen.

Yeah! Beschwingt ging es hinab durch die „Muttler aller Flanken“*. Und dann gleich weiter über den Rossboden und ins Val Maisas hinein. Erst nach gut 1000 Höhenmetern Abfahrt mussten wir wieder von den Brettern steigen. Er ist schon ein genialer Skiberg, der Muttler!

Nun also ein letztes Mal umbauen. Jacke ausziehen, Handschuhe wegpacken, Ski an den Rucksack und im T-Shirt bei frühsommerlichen Temperaturen zurück nach Samnaun wandern. Beim Blick zurück kam ein wenig diebische Freude darüber auf, dass nun unsere Spuren diesen fast perfekten Kegel zierten. Halb vier ging die Tour dann zu Ende. Ein toller Saisonabschluss war es heute und sehr zufrieden packten wir ein letztes Mal die Skiausrüstung zusammen.

Daten zur Tour

  • Muttler (3296m), über Nordwestflanke und Nordgrat
  • SKT-Schwierigkeit AD+
  • 1450 Höhenmeter
  • Erste touristische Besteigung am 29.06.1858 durch Johann Jakob Weilenmann

*Dieser geniale Wortwitz stammt nicht von mir, sondern findet sich bereits bei Alpic.net und powderski.at (in einer Bildunterschrift). Ehre für schlechte Wortspiele, wem Ehre gebührt!


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

2 Kommentare

Mark · 14. Mai 2023 um 12:01 pm

Den Muttler habt ihr gut erwischt. Ich kenne viele Bilder, bei denen der obere Bereich abgeblasen ist.

    Hannes · 14. Mai 2023 um 3:05 pm

    Stimmt, für die Abfahrt hatten wir wirklich gute Bedingungen.

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