Bergtour in den Bechtesgadener Alpen am 15.06.2024

Da ich für heute keinen Partner hatte, suchte ich eine Kraxelei, die ich auch gut ohne Sicherung bewältigen könnte. Die Zellerführe am Wagendrischelhorn schien dafür gut geeignet und auch schon weitgehend schneefrei zu sein.

08:00 Uhr startete ich in Obermayrberg. Der Himmel war von einer hoch gelegenen Wolkenschicht bedeckt, ansonsten war das Wetter sehr angenehm. Die Gipfel am Südrand der Reiteralm sowie des Hirschbichlkamms standen bereits vor mir und weckten die Vorfreude.

Bis zur Jagdhütte Daxstein (933 m) musste ich einer Forststraße folgen, dann ging es über einen Steig weiter, der mir ausgezeichnet gefiel. Durch schönen Bergwald stieg ich nun bergauf, der immer wieder Aussicht auf die umliegenen Berge gewährte. Kurz nach der Jagdhütte Hochgscheid (1386 m) wurde der Steig steiler und die Bäume durch Latschen ersetzt, bis ich den Hochgscheidsattel (1750 m) erreichte. Den ich übrigens gar nicht so gscheid finde, denn seine Ostseite ist so zerschrundet, dass er als Übergang nicht taugt. Der Abzweig in diese Richtung befindet sich daher auch etwas weiter nördlich und ca. 200 m höher.

Vom Sattel aus war die Südwestwand des Wagendrischelhorns einsehbar und ich konnte die Rampen und Bänder, über die die Zellerführe führt, bereits erkennen. Das sah alles sehr interessant aus. Unten etwas steil, aber sonst durchaus einladend.

Zunächst galt es aber, den Rest des Zustieg hinter mich zu bringen. Über Gras- und Geröllhänge ging es noch ein Stück bergauf, dann westlich um das Stadelhorn herum. Ein erstes Schneefeld wollte ich zunächst überqueren, entschied mich dann aber für eine Umgehung unterhalb, was in Zustiegsschuhen, ohne Stöcke und angesichts des harten Schnees die schnellere Variante zu sein schien.

Kurz danach näherte ich mich einem zweiten, deutlich steileren Schneefeld. Dieses bereitete mir zunächst Kopfzerbrechen, dann sah ich, dass ich zwischen Schnee und Fels recht einfach hindurchsteigen konnte. Dahinter erreichte ich den versicherten Anstieg zur Mayrbergscharte. Hier stieg ich wenige Meter auf, um ein drittes Schneefeld oberhalb zu umgehen. Damit hatte ich alle spätwinterlichen Hindernisse hinter mir und konnte nun die letzten Meter zum Einstieg spazieren.

Die Einstiegsrampe wirkte – wie im Kalk so oft – aus der Nähe viel weniger abweisend als aus der Ferne und so machte ich mich ohne Bedenken ans Werk. Konzentriert und kontrolliert, immer mal wieder den nicht immer festen Fels prüfend, stieg ich die ersten Meter hinauf. Schnell fand ich mich zurecht und hatte viel Freude an der leichten Kraxelei (II).

Eine erste Stelle, die etwas Mut erforderte, war die Querung um einen abdrängenden Block (II+). Direkt danach wurde es leichter und bald erreichte ich die Zellerhöhle, die viel tiefer war, als ich gedacht hatte. Die Höhle wirkte faszinierend frostig, denn über dem türkisblauen Wasser am Höhlengrund hingen noch ein paar Eiszapfen von der Decke.

Nach der Höhle folgt die nominelle Schlüsselstelle (III-/III). Ich war nicht ganz sicher, wo die Führe entlanggeht und entschied mich dafür, einen etwas bröseligen Turm am linken Rand des kurzen Steilwandls zu ersteigen, was auch eine Umgehung sein könnte. Anschließend hielt ich mich nicht an den Rinnengrund, sondern kletterte weiter links über plattige Schrofen. Das war zwar etwas anspruchsvoller, aber machte viel Spaß.

Kurz darauf kam ich an eine Querung über ein schmales Band. Hier ragt ein Felsblock heraus, den ich umkletternd musste (II+). Mental war das für mich die anspruchsvollste Stelle. Dann folgte die Ausstiegsrinne, die viel nettes Kraxelgelände bietet und diverse Varianten ermöglicht. Auch hier achtete ich nicht immer auf den leichtesten Anstieg, sondern suchte mir möglichst schöne Passagen zusammen. Es sollte ja Spaß machen.

Tja, der Spaß war dann viel zu schnell vorbei und ich erreichte den Nordwestgrat des Wagendrischelhorns. Von hier aus ging es über einige leichte Felsen und den abschließenden Grashang zum Gipfel (2251 m), den ich kurz nach Mittag erreichte. Perfektes Timing für eine Gipfelbrotzeit!

Die Aussicht war nicht ungetrübt, aber trotzdem schön. Im Norden erstreckte sich das Plateau der Reiteralm mit den Staufen und dem Untersberg dahinter. Im Osten grüßte das Hochkaltermassiv herüber und auch König Watzmann zeigte sich dahinter. Nach Süden dann die immer noch sehr winterlich anmutenden Tauern und davor Leoganger und Loferer Steinberge. Das riesige Ebersbergkar unterhalb des mächtigen Birnhorns war ebenfalls noch ziemlich weiß.

Ich genoss meine Gipfelpause – wie auch die ganze Tour – in völliger Einsamkeit. Kein Mensch war zu sehen in der großartigen Bergszenerie. Nur ein paar Kühe sollte ich später auf dem Rückweg noch treffen.

Für den Abstieg wählte ich den Klettersteig (B-C), der direkt in die Mayrbergscharte führt. Denn erstens ist dieser kürzer als der Normalweg und war zweitens größtenteils schneefrei. Von der Scharte aus gönnte ich mir dann noch den Abstecher zum Stadelhorn, auf dem ich auch noch nie war. Mittlerweile war ich gut eingekraxelt und in dem leichten Gelände (kurz II, meist bis I) recht zügig unterwegs. Ins Gipfelbuch auf 2286 m machte ich den erst vierten Eintrag in diesem Jahr und nach 45min war ich auch schon wieder zurück in der Scharte und konnte den Abstieg fortsetzen.

Die Abstiegsrinne von der Mayrbergscharte sah erst einmal nicht sehr einladend aus, wurde aber schnell gutmütiger – auch dank der Versicherungen. Der weitere Abstieg erfolgte dann entlang des Aufstiegs und 15:45 Uhr war ich wieder am Auto. Eine schöne Kraxeltour lag hinter mir, die mir eher etwas leichter gefallen war als erwartet. Vielleicht war ich die Schlüsselstelle also wirklich umgangen. Aber egal – Hauptsache sicher hoch und runter und auch noch Spaß dabei.

Daten zur Tour

  • Wagendrischelhorn via Zellerführe und Stadelhorn (2286 m)
  • Schwierigkeit III-/III, T4, B-C
  • 1700 Höhenmeter
  • In der Zellerführe immer mal wieder Bohrhaken vorhanden, habe aber nicht so genau hingeschaut.
  • Zellerführe erstbegangen 1909 durch Hartmann und Zeller

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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