Klettern im Dachsteingebirge am 15.07.2024
Direkt nach meiner Fortbildung hatte ich mich mit Dirk zu einigen Tagen Klettern am Dachstein verabredet. Zum Eingrooven und Kalibrieren an die regionale Schwierigkeitsbewertung hatten wir uns einen echten Klassiker ausgesucht: die Hochkesselkopf Südwestverschneidung.
Zehn vor sieben machten wir uns am Parkplatz der Unterhofalm zum Aufbruch bereit. Der Tag versprach herrlich zu werden, es war nichts los und der Hochkesselkopf stand bereits deutlich vor uns. Was für eine Linie – die riesige Südwestverschneidung beeindruckte bereits von hier.
Mit dem Zustieg tat ich mich am Anfang schwer. Die Tour vom Vortag steckte mir anscheinend noch in den Knochen. Erst nach einer guten halben Stunde fand ich meinen Rhythmus wieder und konnte wie gewohnt steigen.
Nun bemerkte ich auch immer mehr, wie schön es hier war. Wir wanderten durch Bergwald und über Lichtungen, dann über weite Almflächen unterhalb des Gosausteins. Einige Jungbullen ließen uns dabei zum Glück in Ruhe.
Kurz vor dem Abzweig ins Eiskarl sahen wir dort drei andere Kletterer. Die waren bestimmt auf dem Weg zu selben Tour wie wir. Und würden uns hoffentlich keine Steine auf den Kopf schmeißen1. Der Weg ins Kar war erst botanisch, dann geröllig und rustikal-schrofig. Erst ganz zum Schluss wanderten wir über bequeme Grasbänder zum Fuß eines Schneefelds, das unterhalb des Einstiegs lag.
Das Schneefeld ließ sich links im IIer-Gelände umgehen. Da die drei vor uns noch am Einstieg standen, legten wir das ganze Geraffelt weiter unten an und kraxelten anschließend in Kletterschuhen das letzte Stück. Nun hatten auch wir freie Fahrt.
Da ich bei unserer letzten Tour die erste Seillänge vorgestiegen war, schlug ich Dirk vor, dass er heute begönne. Dass ich mit diesem Arrangement die Schlüssellänge „gewonnen“ hatte, wurde mir allerdings erst später klar.
Los geht’s! Seillänge eins führt Dirk über einen kurzen steilen Aufschwung (III) zum nächsten Stand. In der zweiten Länge darf ich ran: auf einer schmalen Leiste quere ich nach rechts zu einem Riss. Dort befindet sich ein sehr passend platzierter Bohrhaken. Der allerdings keine Lasche hat. Um irgendwas um den Anker zu fädeln, stehe ich nicht gut genug. Immerhin finde ich im Riss einen alten Normalhaken, den ich einhängen kann. Besser als nix. Der Riss ist dann gar nicht so leicht. Gut, in der ersten anspruchsvollen Stelle einer Tour tue ich meistens etwas schwer, trotzdem für eine IV nicht schlecht! Wie viele IVer-Längen muss ich heute noch vorsteigen?
In der dritten Länge führt Dirk weiter über steile Platten (IV). Die Absicherung mit Bohrhaken in der Tour ist gut, aber man muss schon auch ordentlich wegsteigen. Und zumindest in dieser Länge ist selbst absichern nicht sinnvoll möglich. Mit Respekt für Dirks Moral steige ich diese Länge nach.
Die Längen vier bis sechs werden nun etwas leichter und führen weiter über Platten die Verschneidung entlang. Nach diesem entspannenden Zwischenstück geht es in Länge Nr. sieben wieder zur Sache. Die sogenannte Doppelrissverschneidung (IV) ist ganz schön steil und erfordert immer wieder beherztes Zupacken. Im oberen Teil fehlt noch einmal eine Bohrhakenlasche, was Dirk mit zwei Friends kompensiert. Es folgt ein kleiner Überhang und er erreicht den Stand. Im Nachstieg frage ich mich dann, wie genau ich jetzt noch mal anderthalb Grade schwerer klettern soll.
Nun also die Schlüssellänge (V+), eine Verschneidung, die aufgrund eines Felsausbruchs in der Originallinie nacherschlossen wurde. Erste Hürde ist ein Übertritt in die Verschneidung. An der Exe ziehend wäre es leicht, aber jetzt meldet sich doch der Ehrgeiz, das hier sauber über die Bühne zu bringen. Und auch Dirk meint, das würde ich sicherlich schaffen. Also nehme ich halt die mittelguten Griffe und bin bald drüben. Anschließend arbeite ich mich wie eine Dampflok schnaufend die steile Verschneidung hinauf. Immerhin gibt es immer wieder große Griffe und auch Möglichkeiten zum Ausspreizen. Und natürlich hilft auch, dass diese Länge deutlich nervenschonender abgesichert ist als der Rest der Tour. Trotzdem bin ich froh und auch ein wenig stolz, als ich diese 25 m hinter mich gebracht habe und Dirk nachholen kann.
Seillänge neun führt Dirk an einer Rippe, die sich steiler klettert, als sie ausschaut, auf einen Absatz (IV) und dann durch leichteres Gelände. In der zehnten Länge muss ich dann links von einer Platte zu einem großen Loch steigen. Weiter geht es auf einer glatten Kante über dem Loch entlang. Leider habe ich den ersten Haken übersehen und bin mittlerweile recht hoch über dem Stand. Also klettere ich konzentriert und vorsichtig an der Kante zum nächsten Haken (III). Nach einer kurzen Stufe (IV) komme ich dann auch schon zum Stand an einem weiteren Loch.
In Länge elf steigt Dirk nun direkt über das zweite Loch und weiter über gestuftes Gelände (III) sowie zum Schluss noch über eine Platte (IV-) unter einem Überhang.
Die zwölfte Länge ist dann die abwechslungsreichste der Tour. Unter dem Überhang führt der sogenannte Reitriss (IV+) nach links oben. Den kann man elegant piazen. Und die glatt polierte Kante zeugt davon, dass das schon viele mit schwitzigen Händen gemacht haben. Oder man wählt wie ich die rustikale Variante: Ein Bein in den Riss, das andere raus und hinauf reiten. Sieht wahrscheinlich nicht gut aus, klappt aber prima.
Nach diesem ersten Hindernis hangele ich mich an einer wunderschönen Piazschuppe nach rechts in eine steile, glatte Verschneidung (IV). Mittlerweile habe ich mich so weit eingegroovt, dass ich die wunderschöne Kletterei an festem Fels auch ein wenig genießen kann. Auf die tolle Verschneidung folgt eine riesige Schuppe, die ich erst reite, dann hangele. Schließlich spaziere ich auf ihrem First entlang, bis ich bequem auf den Hauptkörper des Berges übertreten kann und auch gleich am Stand bin. Eine super Länge!
Länge Nr. 13 besteht dann nur noch aus leichten Grasschrofen (I-II) zu einem Grasbuckel, an dem wir bequem das Klettergeraffel verstauen können. Super, nach fünf Stunden haben wir diese anspruchsvolle und wunderschöne Tour geschafft!
Über leichte Platten (kurz III, sonst bis II) und Schrofen wanderten wir weiter zum Gipfel, an dem wir uns natürlich noch eine ausführliche Pause gönnten. Unter uns lagen die tiefblauen Gosauseen und bildeten einen schönen Kontrast zum steilen Felszapfen der Bischofsmütze. Schon schön hier, am Dachstein.
Der Abstieg führte uns zunächst über einen mit Steinmännchen markierten Steig durch einfaches Gelände, bevor wir noch einmal Hand anlegen mussten (bis II). Nach einer versicherten Passage (B-C) wurde es wieder leichter und über ein mit großen Blöcken bedecktes Karrenfeld erreichten wir schließlich den Linzer Weg.
Auch der Linzer Weg zieht sich nochmals und weist auch einige steile, versicherte Passagen auf, bevor er auf dem Rinderfeld wieder auf unseren Aufstiegsweg trifft. Hier angekommen, lag nur noch Wandergelände vor uns. Zwischendurch fand ich kurioserweise eine komplette Schuhsohle (kann man die wirklich unbemerkt verlieren?), dann kamen wir gegen 18:00 Uhr wieder an der leider geschlossenen Unterhofalm an. Also fuhren wir hungrig und durstig zurück nach Filzmoos, wo wir Abhilfe für beides fanden.
Eine tolle Tour lag hinter uns – definitiv zu schön für eine reine Eingehtour. Und vielleicht auch deshalb sollte sie der Höhepunkt unseres Urlaubs bleiben.
Daten zur Tour
- Hochkesselkopf (2454 m), Südwestverschneidung
- Schwierigkeit V+ (eine Länge, meist IV)
- 13 Seillängen, 440 m
- Gut mit Bohrhaken abgesichert, kein Plaisier
- Erstbegangen am 02.08.1946 von Hubert Peterka und Fritz Proksch
- 1250 Höhenmeter
- Ein Hoffnung, die die drei in geradezu vorbildlicher Weise erfüllten. Nur zwei oder drei winzige Kiesel bekamen wir von oben ab und das ist in dieser Route nicht selbstverständlich. ↩
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