Nicht-Klettern im Dachsteingebirge am 17./18.07.2024

Über Misserfolge zu schreiben macht definitiv weniger Spaß als über Erfolge. Aber auch erstere gehören zum Bergsteigerleben und sollen in diesem Blog gelegentlich Erwähnung finden. So wie neulich am Pichlweg der Dachstein Südwand.

Nach unserer erfolgreichen „Eingehtour“ am Hochkesselkopf fühlten sich Dirk und ich grundsätzlich in der Lage, auch eine deutlich längere Tour am Dachstein zu klettern. Gleichzeitig hatten uns die IVer-Längen durchaus gefordert. Und auch unsere Begehungszeit von 5h war zwar okay, aber nicht schnell.

Ursprünglich war der Steinerweg unser großes Ziel, doch schien dieser uns ein wenig zu anspruchsvoll, um zügig durchzukommen. Daher entschieden wir uns für den etwas leichteren und kürzeren Pichlweg. Auch vor diesem hatten wir gehörigen Respekt, fühlten uns ihm aber gewachsen.

Also machen wir uns am frühen Nachmittag des 17. Juli auf den Weg zur Dachstein-Südwandhütte (1871 m). Nachts hatte es stark geregnet und noch immer hingen die Berge in Wolken. Also wanderten wir durch dichten Nebel das kurze Stück von der Seilbahnstation zur Hütte.

An der Hütte wurden wir freundlich empfangen und bezogen unser reserviertes Zwei-Bett-Zimmer (ein wenig Luxus am Berg ;-)). Den ganzen Nachmittag blieb uns der Nebel erhalten, abends kam noch Nieselregen dazu. Und als es dann nachts noch mal richtig schüttete, kamen mir zum ersten Mal ernsthafte Zweifel an unserem Vorhaben.

Trotzdem standen wir am nächsten Morgen früh auf. Nach einem ordentlichen Frühstück schnürten wir halb fünf die Schuhe und wanderten los. Im Nebel verpassten wir dann gleich mal einen Abzweig und stiegen zu weit ab. Also zurück zur Hütte und noch mal von vorn. Nun richtig, kamen wir schließlich zu den versicherten Aufschwüngen am Mitterstein. Komplett nass waren die Felsplatten hier und der Aufstieg eher lästig.

Inzwischen hob sich der Nebel so weit, dass wir uns orientieren konnten. Der Einstieg zum Pichlweg war dabei sehr deutlich. An geeigneter Steller zweigten wir vom Zustieg zum Johann-Klettersteig ab und stiegen über Geröllreißen und ein steiles, hartes Schneefeld weiter auf.

Und dann standen wir am Einstieg. Die Wolken wehten davon und wir konnten die gewaltige Wand über uns sehen. Was ein Trumm! Im unteren Teil schien die Wand auch noch ordentlich nass zu sein, weiter oben sah es besser aus.

Genau am Einstieg schien es möglich, mit einem beherzten Schritt die sonst sehr breite Randkluft zu überwinden. Allerdings würde man die Länge wohl in Bergschuhen klettern müssen, was auf dem nassen Fels eine ziemliche Eierei versprach.

Etwas skeptisch schauten wir uns das an. Ich gebe zu, dass mich die erste Länge etwas abschreckte. Dazu machte mir Sorgen, dass wir dank unseres Verhauers im Zustieg bereits 30min hinter unserem Zeitplan lagen und ab 15:00 Uhr Gewitter angekündigt waren.

Ich hatte einfach kein gutes Gefühl heute. Und Dirk auch nicht. Als dann die Wolken noch einmal zuzogen, entschieden wir uns zum Rückzug. Heute passte es einfach nicht.

Also zurück übers steile Schneefeld, über Geröll, den Steig, die versicherten Platten bis zur Hütte. Zwischendurch fand ich noch eine ganze Schuhsohle – seltsamerweise schon die zweite an drei Bergtagen. An der Hütte sammelten wir unsere Sachen ein und gingen gleich weiter. Das Wetter der nächsten Tage war noch instabiler vorhergesagt, eine ordentliche Tour würde sich also nicht mehr ausgehen. Dementsprechend enttäuscht kamen wir halb elf am Parkplatz an. Sehr schade! Aber manchmal soll es einfach nicht sein.

Später setzt mich Dirk an meinem Auto ab und trat die Heimfahrt an, während ich aus purem Trotz weiter in die oberösterreichischen Voralpen fuhr. Wenigstens noch eine kleine Tour machen, zum Abschluss dieses sehr gemischten Urlaubs.


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

6 Kommentare

Carsten · 6. August 2024 um 8:46 am

Servus Hannes,
ich finde es gut, dass Du auch über eine nicht wie geplant durchgeführte Unternehmung berichtest und diese Seite des Bergsteigens beleuchtest, die definitiv dazugehört, aber wegen fehlender Lorbeeren selten Veröffentlichung findet.
Ich war Anfang Juli zum Klettern in der Hochschwab-Gruppe unterwegs und auch wir mussten an zwei von drei Tagen unsere Pläne wegen Wetter und Bauchgefühl ändern. Das fühlt sich erstmal wie eine kleine Niederlage an, da man sich in der Planung auf dieses Ziel fokussiert und Anfahrt und Zeit dafür genommen hat. Ich versuche allerdings mental flexibel zu bleiben und an diesem Tag und Ort besser passende Unternehmungen trotzdem genießen zu können. Die Sicherheit aller Beteiligten und auch das Bewegen in der tagesformabhängigen Komfortzone sind für eine gelungene, erinnerungswürdige Unternehmung sicherlich wichtige Faktoren, genau wie die erfolgreiche Durchführung einer vorher festgelegten, ambitionierten Tour bei vertretbaren Bedingungen eine großartige Erfahrung sein kann. Wichtig ist aus meiner Sicht, sich die Freiheit und Flexibilität zu bewahren, vor Ort eine rationale Entscheidung treffen zu können und mit Partner unterwegs zu sein, die diesbzgl. auf der gleichen Wellenlänge liegen.
Viele Grüße
Carsten

    Hannes · 6. August 2024 um 1:50 pm

    Hallo Carsten,
    vielen Dank für Deinen ausführlichen und interessanten Kommentar!

    Ich sehe es wie Du, dass man beim Bergsteigen die innere Freiheit braucht, auch kurzfristig seine Pläne zu ändern, denn sonst wird es irgendwann gefährlich.

    Ich finde es nicht immer einfach, die richtige Balance zu finden aus der Bereitschaft, Widerstände zu überwinden, und der Bereitschaft umzudrehen, wenn diese zu viel werden. Das ist für mich auch ein interessanter Aspekt des Bergsteigens.

    Dir noch viele schöne Touren und gute Entscheidungen
    Hannes

    PS: Den Hochschwab besuche ich hoffentlich auch noch eines Tages.

Flachlandtiroler · 13. August 2024 um 8:21 am

Schließe mich an: Klar liest man gerne von epischen Gipfelerfolgen, aber gut dass die Realität gesunder Risiko- und Selbsteinschätzung hier auch zu Wort kommt!

VG, Martin

    Hannes · 13. August 2024 um 12:54 pm

    Danke Martin! Ja, mittlerweile bin ich auch soweit, dass ich mir sage „lieber 3x zu oft umgedreht als 1x zu selten“ (was nicht heißen soll, dass ich mich nicht doch mal fälschlicherweise fürs Weitergehen entscheide…)

Rebecca · 15. August 2024 um 10:38 am

Servus Hannes, ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Auch das Umdrehen gehört dazu und sollte nicht verschwiegen werden. Ich finde es sogar irgendwie erfrischend, auch davon von Zeit zu Zeit zu lesen – wenn immer nur alles wie am Schnürchen klappt, wäre es doch langweilig, oder? 😉
LG Rebecca

    Hannes · 18. August 2024 um 7:25 pm

    Griaß Di Rebecca,
    Ich gebe Dir komplett recht und lese selbst auch gerne von Erfolgen und Misserfolgen. Also von der vollen Bandbreite des Erlebens. Ich denke, wir gehen ja auch deswegen Bergsteigen, weil dabei eben nicht immer alles so klappt wie geplant.
    Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße
    Hannes

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