Bergtour in den Plessur-Alpen am 24.08.2024

Es muss nicht immer schwer sein. Manchmal reicht es auch, wenn eine Tour lang ist, um sie interessant zu machen 😁. So wie die Überschreitung über das Aroser Rothorn von Lenzerheide nach Arosa.

Kurz nach halb sieben spuckte mich das Postauto in Lenzerheide (1473 m) aus. Meine vage Hoffnung, hier auf eine geöffnete Bäckerei zu treffen, erfüllte sich natürlich nicht. Immerhin hatte ich ausreichend Essen dabei, um später unterwegs zu frühstücken.

Durch den Ort wanderte ich zum Beginn des Wanderweges, der zur Alp Sanaspans hinaufführt. Leider führt der Weg zu Beginn über eine flach angelegte Forststraße, die sich in weiten Kehren den Hang hinaufmäandert. Zum Glück fand ich nach der ersten Kehre eine Abkürzung, vormals offensichtlich markiert, die mich etwas direkter bergwärts brachte.

Ab dem P1879 musste ich bedauerlicherweise wieder der Straße folgen, die hier sogar betoniert ist, was den Wandergenuss zusätzlich senkte. Immerhin war die Passage kurz und nach der Alphütte wurde die Straße dann auch endlich zum Wanderweg.

Am P2043 machte ich Pause. Nach knapp 600 Höhenmetern merkte ich den leeren Magen deutlich und beschloss daher, das ausgelassene Frühstück nun nachzuholen. Das tat gut! Anschließend querte ich den Graben des Aua da Sanaspans und wanderte bei bestem Wetter über die ausgedehnte, sanft ansteigende Alpfläche.

Vor mir sah ich bereits mein erstes Gipfelziel, den Piz Mez. Rechterhand erhob sich – ungleich beeindruckender – das Lenzerhorn. Hätte ich dieses auch in meine Überschreitung einbeziehen sollen? Möglich ist es wohl, hätte aber meinem Vorhaben 250 Höhenmeter und eine längere weglose Passage hinzugefügt. Für heute war mir das zu lang – reizvoll wäre es allerdings, damit die drei höchsten Gipfel der Plessur-Alpen auf einmal anzugehen.

Zurück in die Wirklichkeit. An freundlichen Rindern vorbei wanderte ich um die Ausläufer des Piz Mez herum und freute mich des Lebens. Auf ca. 2500 m erreicht mich auch die Sonne, was meine Stimmung zusätzlich hob. Nach einer kurzen Sonnencreme-und-Riegel-Pause verließ ich hier den Wanderweg und querte zum Südgrat des ersten Gipfels. Dieser fällt nach Westen mit schaurigen Abbrüchen ab, ist auf seiner Ostseite jedoch ein gutmütiger, wenn auch steiler Grasrücken. Und so erreichte ich gegen 09:30 Uhr den Gipfel des Piz Mez (2730 m).

Von hier aus konnte ich den Weiterweg gut einsehen: Direkt vor mir baute sich der etwas bedrohlich wirkende schwarze Gipfel der Pizza Naira auf. Hinter diesem Hindernis setzte sich der Grat weniger spektakulär und recht lang zum ebenfalls farblich zum Namen passenden Aroser Rothorn fort. Da lag schon noch ein wenig Strecke vor mir.

Der nordseitige Abstieg vom Piz Mez war problemlos und bald erreichte ich den Sattel P2659, ab dem ich wieder aufsteigen musste. Über einige Gras- und Felshöcker näherte ich mich dem steil aufragenden Gipfelaufbau aus schwarzen Schiefern. Dieser wirkte recht abweisend; andererseits schien die Felsqualität nicht geeignet, mir größere Schwierigkeiten entgegenzustellen. Und so war der Aufstieg dann auch tatsächlich in erster Linie mühsam.

Bald erreichte ich den Vorgipfel und nach einer kurzen Passage am etwas weniger krümeligen Gipfelgrat kurz nach 10:00 Uhr den Hauptgipfel der Pizza Naira (2870 m). Nun also „nur noch“ hinüber zum Aroser Rothorn! Das heißt erst einmal nordseitig wieder runter von der schwarzen Spitze.

Einen ersten steilen Abbruch konnte ich schottrig und etwas ausgesetzt (T5) links umgehen, der Rest ließ sich gut direkt abklettern (I). Der Fels war hier zwar brüchig, aber fester, als ich nach dem Aufstieg befürchtet hatte. Daher kam ich bald wohlbehalten im Sattel an. Und stellte zu meinem Erstaunen fest, dass der Weiterweg zum Rothorn ab hier sogar markiert war.

Weiter wanderte ich über breite Schieferrücken und schöne, feste Kalksteinblöcke dem Rothorn zu. Dessen rötlicher Gipfelaufbau ist im Wesentlichen ein steiler Schotterhang1 und wird nach oben hin etwas mühsam. Dazu kam mittlerweile ein starker kalter Wind, der den Berg recht ungemütlich machte und auch meinen Aufenthalt am 2980 m hohen Aroser Rothorn deutlich abkürzte.

Für den Abstieg wählte ich den Nordostgrat, der auch „Rothorngrat“2 genannt wird. Der ist schwach rot markiert, bietet im oberen Teil noch ein paar anspruchsvolle Stellen (T4) und wird ungleich häufiger begangen als mein Aufstiegsweg. Unterhalb der Schulter P2848 wird das Gelände dann schottrig und führt ohne weitere Schwierigkeiten zum Erzhornsattel (2743 m) hinab.

Da ich noch ein wenig Kondition übrig hatte, wollte ich die Gelegenheit nutzen, auch das Erzhorn (2924 m) – immerhin zweithöchster Gipfel der Plessur-Alpen – zu besteigen. Dieser kleine Abstecher wurde dann nochmals interessant (T5, bis II). Die Aussicht war lohnend und hier war es auch fast windstill, sodass ich meine Gipfelrast nachholen konnte.

Mittlerweile war es zwanzig vor eins und nun ging es nur noch bergab. Zunächst zurück zur Erzhornscharte, dann hinab ins Tal der Plessur und zum Älplisee (2155 m). Dort war einiges los. Zahlreiche Wanderer machten am See Pause. Und ein paar Meter weiter kamen Mountainbiker den eingerichteten Trail von der Seilbahnstation am Parpaner Rothorn herab.

Der Weiterweg nach Innerarosa zog sich jetzt ein wenig, aber schließlich erreichte ich doch den Ort, gönnte mir noch ein Eis und wanderte hinunter zum Obersee (1734 m), wo mich 15:15 Uhr die Familie wieder einsammelte und wir gemeinsam die Heimfahrt nach München antraten. Schön war’s mal wieder und angesichts der Länge der Tour fühlte ich mich danach noch erstaunlich gut.

Daten zur Tour

  • Überschreitung Piz Mez, Pizza Naira, Aroser Rothorn (2980 m), Erzhorn
  • 2000 Höhenmeter
  • Schwierigkeit T5, II (am Erzhorn; am Pizza Naira T5, I; sonst bis T4, I)
    1. Aus Radiolarit? Oder Sandstein? Aufklärung durch geologisch besser Informierte wäre mir sehr willkommen ↩︎
    2. Nicht zu verwechseln mit dem wesentlich schwierigeren und berühmteren Grat gleichen Namens am Zinalrothorn. ↩︎


    Hannes

    Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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