Klettern im Kaisergebirge am 31.08.2024

Schon länger hatten Leonhard und ich vor, nach unseren gemeinsamen Wintertouren auch zusammen klettern zu gehen. Die erste Tour sollte dabei nicht zu schwer werden und alpines Flair bieten. So suchten wir uns die Predigtstuhl Nordkante aus.

Wir starteten gegen 06:45 Uhr an der Griesener Alm. Die Ostwände von Predigtstuhl und Fleischbank leuchteten bereits in der Morgensonne und die Stimmung war erwartungsvoll. Heute würde ein prächtiger, sonniger Bergtag werden.

Zunächst wanderten wir Richtung Stripsenjochhaus, dann bogen wir links ab auf den Eggersteig, der uns nach ein wenig auf und ab in die Steinerne Rinne führte. Für mich war es tatsächlich das erste Mal hier und entsprechend beeindruckt schaute ich die senkrechten Wände hinauf zu den fernen Gipfeln.

Schließlich steuerten wir den Einstieg in die Predigtstuhl Nordkante an – und zwar den neuen, oberen, der wohl etwas besseren Fels bietet als der Originaleinstieg (und dafür im Absturzgelände liegt). Dort war bereits eine Seilschaft aus der Traunsteiner Gegend zugange, sodass wir gleich wussten, wo es lang ging.

Ca. 08:45 Uhr ging es dann los mit der Kletterei. Da die ersten Seillängen nicht sehr schwierig sind, starteten wir am laufenden Seil. Ich ging zunächst voran; an der IIIer-Stelle gleich zu Beginn benötigte ich einen Moment zum warm werden, dann ging es flüssig dahin (1. SL III, 2. SL III+, 3. SL II).

Nach der dritten Länge ließen uns die beiden Traunsteinöer netterweise vorbei. Nun waren wir also dran mit Wegfindung. Und machten das gleich mal falsch. Statt geradeaus über Schrofenbänder zu steigen, stieg ich nach rechts in eine Rinne. Die kletterte sich ganz schön (III), ein eingerichteter Stand ließ sich jedoch nicht finden. An einem Block sorgte ich für Abhilfe und holte Leonhard nach. Leonhard übernahm jetzt und querte über weitere Schrofen zurück in die Route und von dort zum Stand unter der ersten schwierigen Länge (5. SL I, 6. SL II).

In der siebten Länge erhöhte sich dann der Anspruch. Auf einem schmaler werdenden Band querte Leonhard nach links an eine Kante. Sehr ausgesetzt kletterte er um die Kante an einen Riss, spreizte diesen aus und stieg aufwärts (IV). Nach meinem Empfinden die Schlüsselstelle der Route. An einer kurzen Querung befindet sich dann auch der einzige geklebte Zwischenhaken der ganzen Tour. Zum Stand sind es aber noch ca. 2 m das Band entlang und 10 m nach oben.

In Länge acht folgte ich einem weiteren Riss, der oben etwas abdrängend aufsteilte, bevor ich den nächsten Stand erreichte (IV). Die neunte Länge führte etwas leichter (III+) über eine kurze Wand auf einen Absatz und dann kurz hinab zu Schrofen unterhalb der großen Wiese in Wandmitte.

Zwei Franken hatten vor dem kurzen Abstieg Zwischenstand bezogen. Und netterweise ließen sie erst Leonhard vorbei und gaben dann unsere Seilkommandos jeweils weiter, denn Leonhard war außer Hörweite geklettert. Gleichzeitig erreichte mich von unten ein Chilene, der mit seiner deutschen(?) Freundin unterwegs war und die gesamte Tour am laufenden Seil vorstieg. Ganz schön was los hier!

Die nächsten drei Seillängen gingen wir seilfrei erst über die Wiese (I), dann eine eindrucksvolle Schlucht hinauf (II) und rechts hinauf weiter zum nächsten Stand (III-).

Für die 13. Seillänge packten wir das Seil wieder aus. Leonhard stieg die schöne Verschneidung vor (III) und bezog den ersten sonnigen Standplatz des Tages. Die Aussicht war hier ebenfalls sehr hübsch, da hatte er sich ein feines Platzerl ausgesucht.

An diesem feinen Platzerl ließen wir nun die deutsch-chilenische Seilschaft vorbei, die unten noch Zeit für Materialübergabe gebraucht hatte. Damit war die Geschwindigkeitssortierung endlich abgeschlossen und wir konnten in Ruhe weiterklettern.

Seillänge 14 kletterte ich nicht direkt genug, was die Sache nicht schwieriger machte (II), aber länger. Da die Schwierigkeiten überschaubar waren und ich auch immer mal wieder eine Zwischensicherung anbrachte, kletterte Leonhard zum Glück einfach los, als das Seil aus war. So kamen wir ohne Verzögerung zum nächsten Stand. Von diesem aus blickten wir bereits auf das Oppelband und waren neugierig, wie gruselig das wohl werden würde.

In Seillänge 15 kletterte Leonhard einige Meter ab (III) und querte unter den Beginn des Oppelbandes. Die 16. Länge bestand anschließend aus ein paar Metern Kletterei auf das Band hinauf und dem Spreizen über eine Unterbrechungsstelle (III). Den spannenden Teil hatte damit wieder Leonhard gewonnen.

Jetzt also die 17. Seillänge. Nur 10 m lang, aber angeblich die ausgesetzteste Passage dieser Schwierigkeit in den gesamten Nordalpen. Die berühmte Kriechpassage am Ende des Oppelbandes. Und tatsächlich ist der Kontrast zwischen der Enge des Kriechbandes und dem nach unten kaum begrenzten Platz auf der rechten Seite sehr beeindruckend. Schwer ist es nicht, sich dort hinüberzuschieben, nur mühsam. Und ich fand die Stelle auch nicht ganz so gruselig wie befürchtet. Spannend ist sie trotzdem und wird mir sicherlich im Gedächtnis.

Durchaus erleichtert erreichte ich den Stand am Ende der Kriechpassage und machte mich für die letzte Seillänge bereit. Diese bietet noch einmal steilen und im unteren Teil auch erstaunlich kompakten Fels an einem breiten Riss. Einige Meter richtig schöne Kletterei (IV), bevor es leichter wurde und ich Leonhard nachholte.

Gegen 13:10 Uhr erreichten wir den Gipfel. Die schnelle deutsch-chilenische Seilschaft saß schon dort. Wir setzten uns zufrieden dazu, genossen Brotzeit, Aussicht und das gute Gefühl, eine schöne Route geklettert zu sein. Auf einigen der umliegenden Gipfel waren ebenfalls Kletterer unterwegs. Eine tolle Stimmung war das.

Nachdem wir uns sattgesehen (und auch -gegessen) hatten, machten wir uns an den Weiterweg. Weder Leonhard noch ich waren hundertprozentig motiviert, noch zum Hauptgipfel zu gehen. Daher beschlossen wir, gleich durch den Botzong-Kamin abzuseilen.

Die andere Seilschaft wollte ihren Weg noch über den Hauptgipfel bis zur Goinger Halt fortsetzen, sodass wir die Abseilpiste für uns hatten. Ich war nicht böse darum, denn a bisserl aufpassen mit Steinschlag muss man dort schon. Dafür bietet der Kamin eine schöne und in der ersten Länge auch spektakuläre Abseilfahrt.

Bisher war alles glattgegangen, fast schon zu glatt. Und dementsprechend verhängte sich in der letzten Abseillänge das Seil. Hatte ich übrigens noch nie, war also mal dran. Na gut, während ich schon mal den weiteren Abstieg aus dem Botzong-Kessel erkundete, stieg Leonhard nochmals auf, befreite das Seil und seilte erneut ab.

Für den weiteren Fußabstieg sollte man übrigens aufmerksam nach Steinmännern schauen und sich zum Verlassen des Kessels im Abstiegssinn links halten. Ich fand’s nicht so ganz offensichtlich. Ab der letzten Abkletterstelle (II+) ging es dann locker über einen Schuttpfad zum Eggersteig und anschließend auf diesem die Steinerne Rinne hinab. Gegen halb fünf waren wir wieder an der Griesener Alm, wo Weißbier und Schnitzel ganz hervorragend schmeckten.

Schön war’s mal wieder. Und eine sehr gelungene erste Klettertour in dieser Konstellation. Kann man mal wieder machen.

Daten zur Tour

  • Predigtstuhl Nordgipfel (2092 m), Nordkante
  • Schwierigkeit IV
  • 18 SL, 700m
  • Absicherung alpin (Standplätze gebohrt, geschlagene Zwischenhaken, zusätzliche eigene Absicherung empfehlenswert)
  • Abstieg per Abseilpiste im Botzong-Kamin
  • Unterer Teil erstbegangen 1908 durch Hans Matejak; oberer Teil 1924 durch Josef Ostler; Ausstieg durch Otto Oppel
  • 1200 Höhenmeter
  • Infos und Topo bei Markus Stadler

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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