Klettern im Mangfallgebirge am 18.10.2024

Als der Nieselregen wieder einsetzte, während Michael die zweite Länge der Flora Bohra am Leonhardstein vorstieg, dachte ich, dass es das wohl gewesen sein würde. Jetzt noch rauf zum Stand und dann abseilen. Aber immerhin hatten wir es versucht!

Recht kurzfristig hatten wir uns zum Klettern verabredet. „Flora Bohra“, coole Sache. Ich wollte da schon länger mal hin und Michael war die Route vor einigen Jahren bereits geklettert und meinte, sie sei sehr schön. Respekt hatte ich allerdings auch, denn ein solider Sechser ist für mich schon sehr fordernd.

Freitag früh saßen wir also im Auto. Der Wetterbericht hatte sich leider kurzfristig verschlechtert, mit möglichen unergiebigen Schauern am Vormittag. Das Wetter hatte das anscheinend mitbekommen und sich vorgenommen, noch einen draufzusetzen. Als wir durch Rottach fuhren, fing der leichte Regen an und blieb uns für die nächsten knapp zwei Stunden treu.

Gegen halb zehn starteten wir am Parkplatz Klamm durch den Nieselregen ins Schwarzenbachtal. Auf den direkten Aufstieg zur Leonhardstein Südwand verzichteten wir bei der Nässe und wählten stattdessen zunächst den Normalweg zum Gipfel. Unsere Zuversicht, tatsächlich klettern zu können, war gering. Aber jetzt waren wir hier, jetzt wollten wir es auch probieren.

Kurz nach dem Abzweig von der Forststraße fanden wir dann die Umgehung der Westwand und umrundeten den halben Berg. Während wir hier durch den Wald wanderten, hörte auch der Regen endlich auf. Immerhin also kein Niederschlag mehr, als wir am Einstieg standen. Die erste Seillänge sah auch ganz okay aus, die Platten darüber eher nass. Einfach mal losklettern und schauen, beschlossen wir.

Also stieg ich vorsichtig in die erste Seillänge ein. Die war nicht allzu schwer (IV) und gut gestuft, sodass die Feuchtigkeit nicht sehr störte und ich bald den Stand erreichte.

In der zweiten Seillänge sah das schon anders aus. Die Einstiegsplatte war feucht, stellenweise sogar nass. Mit anfangs wenig Überzeugung stieg Michael ein, überwand die erste knifflige Stelle (VI-) dann aber erstaunlich schnell und leichtfüßig. Kurz darauf fing der Nieselregen kurzzeitig wieder an und ließ mich nochmals an unserem Tun zweifeln.

Nachdem ich diese Länge (leider unter Zuhilfenahme einer Schlinge) bewältigt hatte, war der Regen dann doch endgültig vorbei. Die folgende dritte Länge sah immerhin etwas weniger nass aus. Na gut, dann probieren wir die eben auch noch. Eine kurze Querung auf der Platte nach links war recht knifflig (VI-), dann ging es richtig schön über eine Lochplatte gerade hoch.

Seillänge vier wartete dann mit einer ersten Schlüsselstelle auf uns, dem steilen Riss (VI). Michael hatte hier etwas Probleme mit rutschenden Tritten und ich später auch, sodass wir die steilste Stelle leider nur mit einem Griff in die Exe überwinden konnten. Der Rest dieser hervorragenden Seillänge ging dann wieder frei.

Der Fels trocknete immer weiter ab und allmählich waren wir zuversichtlich, doch noch die ganze Route klettern zu können. So richtig in Topform waren wir nicht, aber es ging schon noch was. Also rein in die fünfte Länge, die wieder tolle Reibungskletterei an schönen Löchern bot (VI-). Mittlerweile war der Fels so weit abgetrocknet, dass mir das richtig Spaß machte.

In Länge sechs überwand Michael dann einen herrlich griffigen Wasserrillenaufschwung und kämpfte sich etwas botanisch zum Stand unter der Schlüssellänge. Deren erste Hälfte würde dann also mir gehören, denn wir planten, den optionalen Standplatz zwischen den beiden Verschneidungen dieser Länge zu nutzen.

Also ging ich am Fixseil (das man eigentlich nicht so richtig benötigt) entlang zum Einstieg von Seillänge sieben und legte mal los. Und machte dann auch gleich etwas richtig Blödes. Von weit unten wollte ich den ersten Haken einhängen, dabei rutschte mir der linke Fuß weg und ich bekam mein volles Gewicht auf die linke Schulter, die sich auch prompt beschwerte1. Kurz fühlte sich der Arm kraftlos an, aber zum Glück ging es bald wieder.

Diese Seillänge fand ich dann richtig schwierig (VI/VI+) und konnte sie nur mit mehrmaligem Rasten an den Haken klettern. Vielleicht hätte ich versuchen sollen, mehr nach links auszuspreizen. Stattdessen bin ich den unteren schrägen Riss ziemlich direkt geklettert, dann an einen großen Griff rechts und den oberen Riss dann von links. Schließlich war ich oben. Nicht gerade Rotpunkt, aber immerhin.

Die nun folgende Verschneidung (VI/VI+) fiel uns deutlich leichter. Sie ist etwas technischer, fordert dafür weniger Kraft. Michael konnte sie sauber vorsteigen und ich ebenso nachsteigen. Das machte wieder richtig Spaß.

Die achte Länge hat zwischen Schrofen noch einmal zwei kurze knifflige Stellen zu bieten (VI-), die ich jeweils nullte. Insbesondere die Zweite, eine seichte Verschneidung, war mir einfach zu hoch. Es folgte noch ein steiler Aufschwung, der mir deutlich schwerer vorkam als die IV-, die im Topo steht, und dann war auch diese Länge geschafft.

In Seillänge neun durfte Michael dann noch einmal eine überraschend steile und schöne Verschneidung klettern (V-) und dann waren wir oben. Puh, heute hatten wir uns ganz schön gemüht. Sicherlich lag es an der Nässe. Oder am Föhn. Oder am Vollmond. Aber bestimmt nicht an unserem Kletterkönnen …

Wir machten eine kurze Pause am Gipfelkreuz des Leonhardsteins (1449 m). Leider war die Sonne, die uns in den letzten beiden Seillängen gewärmt hatte, schon wieder hinter Wolken verschwunden, sodass es recht zugig war. Trotzdem tat es gut, hier zu sitzen.

Schließlich packten wir unsere Sachen zusammen und gingen den Abstieg an. Ganz zufrieden waren wir beide mit unserer Leistung nicht. Gleichzeitig freuten wir uns, dass wir trotz des Wetters eingestiegen waren und trotz der Mühen auch oben angekommen. Und wir waren uns einig, dass die Flora Bohra eine wirklich schöne Route ist. Dass wir ihr heute nicht ganz gewachsen waren, dafür kann sie ja nichts.

Mit solchen Gesprächen und Gedanken wanderten wir zurück. Kurz vor Erreichen des Parkplatzes setzte dann der Regen wieder ein. Also immerhin hatten wir diesen durchwachsenen Tag heute maximal ausgenutzt.

Daten zur Tour

  • Leonhardstein (1449 m) via Südwand „Flora Bohra“
  • Schwierigkeit VI/VI+
  • 9–10 Seillängen, 230 m
  • Sehr gut mit Bohrhaken abgesichert
  • Abstieg über Wanderweg auf der Nordseite
  • 620 Höhenmeter
  • Erstbegangen 2012 durch Daniel Hirsch und Toni Abbattista
  • Infos und Topo bei bergsteigen.com
  1. Bislang kannte ich das nur von der rechten Schulter, ist links aber auch nicht viel besser. ↩︎

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

2 Kommentare

Mark · 28. Oktober 2024 um 5:16 pm

Servus Hannes,
ich glaube ja, dass es an der falschen Hose lag.
Im Ernst, bei mir sind es mittlerweile einige Routen mit einem kleinen A0. Ironischerweise sind das tendenziell eher moderne Routen als klassische und selten welche, bei denen ich mir im Vorhinein gedacht habe, dass ich evtl. die Schlüsselstelle werde nullen müssen.

    Hannes · 29. Oktober 2024 um 10:16 am

    Servus Mark,
    danke für Deinen Kommentar. Das ist doch beruhigend. Ich finde es auch nicht so tragisch, immerhin konnte ich auch einige Sechser-Passagen frei klettern. Und ab und zu mal die eigenen Grenzen aufgezeigt zu bekommen, ist ja auch nicht so schlecht. Aber ein wenig gewurmt hat es mich dann halt doch. 😉

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