Skitour in der Sesvennagruppe am 12.04.2025
Eigentlich wollte ich die Skitour von Schling auf den Piz Sesvenna nicht noch einmal angehen. Zu mühsam empfand ich beim ersten Mal das lange Schliniger Tal und die Gegensteigung unterhalb der Fuorcla Sesvenna. Aber manchmal kommt eben anders …
Nach meinem gescheiterten Versuch vor zwei Jahren wollte ich den Piz Sesvenna dieses Mal von der anderen Seite besteigen. Eine Skitour von S-Charl aus versprach ein paar Höhenmeter weniger, keine Gegensteigung und einige neue landschaftliche Eindrücke.
Eine offene Frage bei diesem Plan war, ob die Straße nach S-Charl bereits geöffnet wäre. Immerhin, laut der typischen Online-Dienste schien der Ort erreichbar. Auch die Schranke, die oberhalb von Scuol auf eine Sperrung der Straße hinweist, war offen. So legte ich mich Freitagabend mit Zuversicht schlafen, am nächsten Morgen meine Tour wie geplant angehen zu können.
Doch als ich am morgens kurz nach fünf die Straße hinauffuhr, stand ich schließlich doch vor einer Absperrung: „Wintersperre“ – solch ein Mist!1 Und vor allem die Frage, was jetzt? Nach Hause fahren? Irgendwo anders hochgehen? Oder einmal um den Berg herumfahren?
Aufgeben wollte ich den Berg noch nicht, also einmal herum. Die Straße über den Reschenpass war glücklicherweise fast leer und so startete ich zwanzig vor sieben in Schlienig endlich zu meiner Tour. Ein wenig spät, aber noch vertretbar. Dass mich bereits am Parkplatz ein eisiger Wind aus Südwest begrüßte, machte mich skeptisch, wie die Tour wohl werden würde. Der Wind war dann aber deutlich weniger störend als zunächst befürchtet.
Da ich im hinteren Teil des Schlieniger Tals und im Aufstieg über die Steilstufe an dessen Ende apere Abschnitte vermutete, befestigte ich Ski und Skischuhe am Rucksack und ging in Turnschuhen los. Das erwies sich als goldrichtig. Die Schneelage war zwar besser als vor zwei Jahren, doch gab es tatsächlich ein paar Unterbrechungsstellen. Und auch über den gefrorenen Schnee kam ich in den leichten Schuhen prima voran. Erst am Marterl oberhalb der Steilstufe stieg ich auf Ski um und deponierte die Turnschuhe.








Wie erwähnt, eigentlich wollte ich nicht noch mal hierherkommen, aber schön ist hier ja schon. Oben strahlten die schneebedeckten Gipfel in der Morgensonne, und unten brachen verschiedene Gruppen gerade von der Sesvennahütte auf. Und im Gegensatz zum letzten Mal war heute auch der Schnee gut und blieb nicht an den Fellen kleben.
Angesichts der perfekten Verhältnisse und des herrlichen Wetters machte das Steigen mit den Ski richtig Freude. Ich überholte einige der Gruppen, die von der Hütte gestartet waren und erreichte 09:45 Uhr schließlich die Fuorcla Sesvenna. Nun stand er vor mir, der Piz Sesvenna, in all seiner Pracht. Wie sich der Gipfel mit seinem markanten Ostgrat über den ausgedehnten Vadret da Sesvenna erhebt, ist schon ein imposanter Anblick.
Hier hieß es jetzt abfellen und mit einigen Schwüngen auf der Südseite des Sattels zum Gletscher hinabfahren. Da der Schnee noch gefroren war, wurde diese Kurzabfahrt ein eher ruppiges Vergnügen.
Dann also wieder auffellen und weiter aufsteigen. Zunächst steil zum Gletscherplateau hinauf und dann flacher Richtung Piz Sesvenna. Hier oben merkte ich die Höhe schon ordentlich, sodass ich ein paar Mal anhalten und Luft holen musste. Ansonsten aber ging alles wunderbar und ich war einfach froh, an einem so schönen Tag hier unterwegs zu sein. Von S-Charl aus war übrigens keine Spur zu sehen …
Unterhalb der Scharte am Ansatz des Ostgrates deponierte ich die Ski und stieg zu Fuß weiter auf. Es lag viel mehr Schnee als vor zwei Jahren, was den Aufstieg sehr erleichterte. In der Scharte legte ich dann auch die Steigeisen an und folgte einer gut ausgetretenen Spur auf den Grat. Unkompliziert ging es weiter, kein Vergleich zum letzten Mal. Ein paar Mal musste ich Hand anlegen (I-II) und ein paar etwas ausgesetzte Stellen gibt es auch. Die Schwierigkeiten hielten sich aber sehr in Grenzen und dazu fiel mir an diesem Tag eigentlich alles recht leicht.






Bald näherte ich mich dem Gipfel. Zwei Tiroler Bergfreunde waren mir im unteren Teil des Grates entgegengekommen und die anderen Gruppen waren hinter mir, sodass ich für den Moment meine Ruhe hier oben hatte. Schön. 12:05 Uhr erreichte ich voller Freude das Gipfelkreuz (3204 m). Saugut, dass es im zweiten Anlauf geklappt hatte mit dem Piz Sesvenna! Da hatte sich die spontane Fahrt über den Reschenpass doch gelohnt.
Ich genoss die fantastische Aussicht, die den ganzen Westteil der Ostalpen umfasst. Von Südwesten im Uhrzeigersinn der elegante Cevedale und der wuchtige Ortler, dann im Süden als Solitär die Cima de’ Piazzi und weiter rechts die scharfen Grate der Bernina; der breite Klotz des Piz Kesch, die wuchtige Pyramide des Piz Linard mit den gezackten Fluchthörnern dahinter; Richtung Nordosten im Hintergrund die Lechtaler, weiter vorne Weißseespitze und Weißkugel. Einfach umwerfend!
Apropos umwerfend – direkt unter dem Gipfelkreuz fand ich einen Liegestein, auf dem ich es mir für ein paar Minuten bequem machte. Gesicht Richtung Sonne, Augen schließen, den Moment genießen. So schön kann Bergsteigen sein.





Nach einer halben Stunde Pause machte ich mich wieder auf den Weg. Genau rechtzeitig, denn bald kamen mir weitere Gipfelaspiranten entgegen. Ich hatte die ruhige Zeit hier oben also perfekt genutzt.
Zurück am Skidepot packte ich Steigfelle und Steigeisen in den Rucksack und stellte auf Abfahrtsbetrieb um. Die ersten Schwünge fuhr ich noch etwas verhalten, unsicher, wie der Schnee so sein würde. Schnell merkte ich, dass meine Vorsicht unnötig war, denn der Schnee war prima. Und so schwang ich bald lachend den Gletscher hinab. Einfach saugut heute!
Nach der Steilstufe fellte ich dann noch einmal auf, um zurück zur Fuorcla Sesvenna zu steigen. So richtig Lust hatte ich nicht auf diesen Gegenanstieg. Aber immerhin fiel er mir deutlich leichter als vor zwei Jahren. Oben angekommen machte ich ein paar letzte Fotos vom Piz Sesvenna, dann stellte ich die Ski endgültig auf Abfahrt um.
Hinab ging es über die sonnigen Hänge. Der Firn war mittlerweile schon sehr weich, Spaß machte es trotzdem, hier hinunter zu surfen. Gegen 14:20 Uhr traf ich an der Sesvennahütte ein, die mich zu einer ausführlichen Pause einlud. Ich hatte den Tag über zu wenig getrunken und freute mich, das nun nachholen zu können. Und auch für den kleinen Hunger gab es etwas. So ließ ich es mir gut gehen und freute mich über diesen prächtigen Bergtag.
Nach einer halben Stunde wurde es Zeit, endgültig abzusteigen. Schnell ging es die letzten flachen Hänge hinab zum oberen Rand der Steilstufe ins Schliniger Tal. Hier sammelte ich meine Turnschuhe wieder ein und hängte sie an den Rucksack. Am Wirtschaftsweg, der hinunter zum Talboden führt, traf ich auf mehrere frische Lawinenkegel. Die waren hier morgens noch nicht gewesen. Eine Erinnerung, dass Nassschnelawinen im Frühjahr nicht zu unterschätzen sind.






Über den Weg musste ich die Ski tragen, dann rutschte ich einige flache Hänge hinab bis zur Loipe. Über letztere kam ich dann sehr bequem zurück nach Schlienig und um 16:00 Uhr endete meine Tour. Wow, das war sich ja super ausgegangen heute. Trotz des holprigen Beginns war es noch ein perfekter Skitourentag geworden. Manchmal muss man eben ein wenig Glück haben.
Daten zur Tour
- Piz Sesvenna (3204 m), über Ostgrat
- SKT-Schwierigkeit PD, I-II
- 1750 Höhenmeter von Schlinig zum Gipfel und zurück
- Nach diesem Erlebnis habe ich noch einmal genauer recherchiert. Und siehe da, auf der Webseite der Gemeinde Scuol findet sich die gewünschte Information über gesperrte Straßen. ↩︎
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