Bergtour im Karwendel am 11.05.2025

Die Bedingungen schienen günstig, um dieses Jahr eine erste Kraxeltour zu unternehmen. Allzu schwierig sollte sie nicht sein und so entschied ich mich für die Überschreitung von Schaufelspitze und Bettlerkarspitze.

Das erste Mal dieses Jahr im Karwendel. Schon bei der Fahrt durchs Rißtal erfreute ich mich an den bekannten Berggestalten. Es ist einfach so schön hier! Gleichzeitig war ich gespannt, ob ich 1) den Aufstieg zur Schaufelspitze finden würde (die Zweifel daran sollten sich später als berechtigt herausstellen) und ob 2) die Gratüberschreitung zur Bettlerkarspitze schon gut gehen würde.

An den Hagelhütten (1077 m) stellte ich das Auto ab und wanderte gegen 08:50 Uhr los. Der Himmel war blau, nur eine einzige harmlose Wolke war zu sehen. Und unter diesem prächtigen Himmel sah ich vor mir den Nordostgrat der Schaufelspitze. Im Gegenlicht konnte ich keine Details erkennen, doch wirkte die Linie eindrucksvoll und der Gipfel erstaunlich weit entfernt. Nun ja, versuchen wir es.

Ich schlug zunächst den Weg zum Plumsjoch ein, überquerte den Plumsbach und wanderte in den noch schattig-kühlen Wald hinein. Die Blätter der Laubbäume zeigten das zarte Grün des Frühjahrs, das einen so reizvollen Kontrast zu den dunklen Nadeln der Fichten bildet. Eher gemächlich, meine Umgebung genießend, wanderte ich hier bergan.

Bald fand ich den unmarkierten Steig, der zur Schaufelspitze leitet. Ich war erstaunt, wie deutlich dieser zunächst war. Steil ging es jetzt bergauf durch den lichten Bergwald. Und die Ausblicke auf Ahornboden und Rißtal wurde immer weiter, die umliegenden Gipfel rückten näher.

Schließlich wurde der Wald von Latschendickicht abgelöst und hier verlor ich den Weg dann doch aus den Augen. Ich stieg über eine Lichtung zu weit nach rechts, folgte einigen schwach ausgeprägten Latschengassen und stand schließlich komplett im Dschungel. Na, super! Gleich bei der ersten Gelegenheit verkoffert. Doch gewissermaßen automatisch schaltete ich in den Jetzt-erst-recht-Modus, kroch unter Latschentunneln hindurch und überkletterte besonders widerspenstige Exemplare an Steilstufen.

Mir war natürlich klar, dass ich in diesem LKK-4-Gelände1 vernünftigerweise höchstens 100 bis 200 Höhenmeter bewältigen konnte, bevor mir Puste oder Zeit ausgehen würden. Ich kann durchaus verbissen sein, aber Latschenkampf ist einfach zeit- und kraftintensiv. Als ich endlich einmal wieder einen Punkt erreichte, an dem ich über die umstehenden Latschen hinwegblicken und mich orientieren konnte, wurde mir klar, dass ich mich ein wenig nach links orientieren musste. Das tat ich sogleich und – hurra! – nur wenige Latschenreihen weiter erreichte ich eine deutliche Gasse mit ebenso deutlichen Steigspuren.

Ich hatte mir also die Chance bewahrt, noch den Gipfel der Schaufelspitze zu erreichen. An einem Stück Wiese machte ich allerdings erst einmal Pause, um nach dem anstrengenden Kampf mit dem Krummholz ein wenig zu verschnaufen. Der „Spaß“ hatte schon einige Körner gekostet. Anschließend erkletterte ich einen brüchigen Grasschrofenhang und gelangte schließlich zum P1989. Hier endet das Latschendickicht und dafür verengt sich der Nordostrücken der Schaufelspitze allmählich zum Grat.

Über steile Wiesen und an Schneefeldern entlang stieg ich weiter auf, überkletterte einen Gratbuckel (I), umging einen weiteren und näherte mich so immer mehr dem Gipfel an. Kurz nach 12:00 Uhr war ich dann tatsächlich oben auf 2306 m, laut Gipfelbuch als dritter Besucher in diesem Jahr. Für einen Gipfel ohne markierten Aufstieg wird die Schaufelspitze erstaunlich oft bestiegen. Es ist auch wirklich schön hier oben. Und der Aufstieg ist im oberen Teil nie schwer und stets reizvoll.

Mittlerweile hatte die Bewölkung deutlich zugenommen. Immer mehr Quellwolken zogen ins Gebirge, nach Niederschlag sah es jedoch noch nicht aus. Also inspizierte ich nach meiner Gipfelrast den Grat zur Bettlerkarspitze. Dieser gab sich größtenteils schneefrei und sah gut gangbar aus. Zwei Fragezeichen blieben allerdings: Wie gut würde die Umgehung der Schneefelder in der Nordflanke der Schaufelspitze gehen? Und würde ein steiles Schneefeld samt Wächte in der Scharte vor dem letzten Gratkopf ein Hindernis darstellen?

Ich entschied mich dafür, beiden Fragen nachzugehen und unterwegs die Antworten zu finden. Also los! Die erste Antwort war bald klar: Nicht schön, aber geht scho. Den Abstieg über brüchige, mit Geröll bedeckte Schrofen fand ich unangenehm. Da ich den Schneefeldern nicht traute, umging ich diese in teils sehr unschönem Gelände. Ich war richtig froh, als ich an der ersten Scharte festen Fels in die Hand nehmen durfte, um auf einen Gratkopf zu klettern.

Ab hier machte die Überschreitung dann Spaß. Die Kletterstellen waren weniger und einfacher (maximal II), als ich erwartet hatte. Gleichzeitig ist der Grat an diesen Stellen und auch zwischendurch im Gehgelände ausgesetzt, was ich an diesem Tag sehr genoss.

Nach dem letzten Gratkopf erreichte ich den tiefsten Punkt des Übergangs. Ab hier leitete Gehgelände zum südlichen Vorgipfel der Bettlerkarspitze. Hier findet auch der Wechsel zwischen dem massigen Wettersteinkalk der Schaufelspitze und dem gebankten Hauptdolomit der Bettlerkarspitze statt. Der Dolomit klettert sich dann auch etwas anders.

Nach dem Erklettern des Vorgipfels (II) erreichte ich den gelb markierten Normalweg und stand bald (gegen 14:00 Uhr) auf dem 2268 m hohen Gipfel der Bettlerkarspitze. Schön war es hier mit Blick auf den Achensee und allerlei Karwendelgipfel. Zu meiner Überraschung enthielt das Gipfelbuch noch keinen Eintrag aus diesem Jahr. War denn wirklich noch niemand hier oben gewesen?

Als ich wieder aufbrach, wählte ich nicht den gelb markierten Normalweg für den Abstieg, sondern den mit verblassten roten Punkten versehenen Grat. Dieser war weitgehend schneefrei und schien mir daher leichter begehbar. Schon am ersten Schneefleck sah ich frische Fußspuren – es war also doch bereits jemand hier gewesen. Bald kam ich an die kurze Steilstufe, die sich seit meinem letzten Besuch deutlich entschärft hatte. Ein Ausbruch hat die IIIer- in eine Ier-Stelle verwandelt. Auch gut, schnell runter und weiter.

Kurz darauf trafen beide Wegvarianten zusammen. Ich hatte Glück, denn ab hier war der Weg auch in den Flanken schneefrei. Erst in der flachen Nordflanke musste ich einige kurze Stücke durch den durchweichten Schnee stapfen. Ansonsten führte der Steig durch einen Geröllhang und dann weiter über Wiesen und durch Latschenfelder.

Kurz nach 15:00 Uhr erreichte ich die Plumsjochhütte, wo ich kurz Pause machte und mir ein Stück Kuchen gönnte. Dabei konnte ich zufrieden auf meine beiden heutigen Gipfelziele blicken. Schließlich machte ich mich an den wenig inspirierenden Hüttenabstieg, auf dem ich dann doch noch ein paar Tropfen Regen abbekam. 16:45 Uhr war ich zurück am Parkplatz, sehr zufrieden, dass ich trotz meiner Latschenvariante erfolgreich ein kleines Stück Karwendel erkundet hatte.

Daten zur Tour

  • Überschreitung Schaufelspitze (2306 m) und Bettlerkarspitze
  • Schwierigkeit T4-T5, II (kurze Stellen)
  • 1450 Höhenmeter
  1. LKK = Latschenkampfklasse; siehe https://www.bromba.com/berge/bn150815.htm ↩︎


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

2 Kommentare

Rebecca · 25. Mai 2025 um 5:51 pm

Hi Hannes, cool, dass das jetzt schon geht. Die Überschreitung zur Bettlerkarspitze steht auch noch auf meiner Liste. Auf der Schaufelspitze war ich schon – und kann sowohl die schwierige Wegfindung in den Latschen als auch das Gefühl an den Haglhütten, dass der Gipfel unendlich weit weg scheint, absolut unterstreichen! Beides ist mir noch lebhaft in Erinnerung.
LG und viele schöne Bergerlebnisse in 2025 🙂
Rebecca

    Hannes · 26. Mai 2025 um 1:14 pm

    Hi Rebecca, vielen Dank! Ich wünsche Dir ebenfalls viele schöne Bergerlebnisse in diesem Jahr – mit und ohne Nachwuchs.

    Die Überschreitung hat mir gut gefallen. Eher harmloser als erwartet, trotzdem aussichtsreich und und ausgesetzt. War genau richtig zum einkraxeln in diesem Jahr. Nur den Abstieg an der Schaufelspitze fand ich unangenehm, aber eventuell wird der ohne Schnee angenehmer.

    Beste Grüße
    Hannes

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