Die Katastrophe im Schweizer Dorf Blatten, das buchstäblich von der Landkarte verschwunden ist, hat für viele Schlagzeilen gesorgt und viele von uns tief bewegt. Hier fasse ich die Ereignisse knapp zusammen und erläutere einige Hintergründe.
Der Bergsturz von Blatten ging bereits durch sämtliche Medien, daher nur in aller Kürze der Hergang:
- Ab dem 14. Mai 2025 wurden am Kleinen Nesthorn, einem Ausläufer des Bietschhorns, Anzeichen für Instabilität beobachtet. Der Berg steht bereits seit Längerem unter Beobachtung.
- Nach einem Murgang wurden am 19. Mai 2025 das Dorf Blatten und der Weiler Ried vollständig evakuiert.
- In den Folgetagen brachen ca. 1,5 Millionen Kubikmeter Gestein aus dem Kleinen Nesthorn auf den Birchgletscher. Durch die zusätzliche Belastung sowie die dadurch erhöhte Schmelzrate beschleunigte sich die Fließgeschwindigkeit des Gletschers.
- Am 28. Mai 2025 brach ein Großteil des Gletschers ab und stürzte zusammen mit dem aufliegenden Gestein talwärts. Blatten und Ried wurden unter ca. 10 Millionen Kubikmeter Eis und Gestein begraben.
- Das Material des Bergsturzes füllte im Bereich Blatten den gesamten Talboden des Lötschentals aus und staute den Fluss Lonza auf. Dadurch bildete dieser einen See, in dem der obere Teil von Blatten versank, der der direkten Zerstörung durch den Bergsturz entgangen war.
- Am 31. Mai 2025 sank der Pegel des neuen Sees erst einmal wieder.
Soweit der Stand der Dinge. Eine detaillierte Beschreibung findet sich z. B. bei Wikipedia, einige eindrückliche Vorher- / Nachher-Fotos bei Spiegel Online.
Diese Katastrophe ist hauptsächlich für die Bewohner von Blatten schrecklich, die ihre Heimat verloren haben. Gleichzeitig ist es großes Glück, dass der Ort rechtzeitig evakuiert wurde, sodass nach aktuellem Stand nur eine Person ums Leben gekommen ist.

Es wird nun viel über die Ursachen des Bergsturzes und die Rolle des Klimawandels dabei diskutiert. Schauen wir uns aber zunächst die Geologie des Bergsturzgebietes an.
Das Bietschhorn besteht überwiegend aus Granit, der vor ca. 300 Millionen Jahren aus dem Erdinneren aufgestiegen ist. Das Kleine Nesthorn wiederum ist aus älteren Gneisen und Amphiboliten aufgebaut, in die der Granitkörper damals eingedrungen ist. Die Kontaktzone zwischen Granit und Gneis ist eine typische Schwachstelle, da die mechanischen und thermischen Eigenschaften der Gesteine sehr unterschiedlich sind. Daher entstehen hier unter Belastung (z. B. während der Entstehung der Alpen) leichter Risse und Zonen mit zerkleinertem Fels als in homogenen Gesteinskörpern. Am Kleinen Nesthorn bildet diese Kontaktzone zudem eine sehr steile Flanke über dem Birchgletscher.
Das Kleine Nesthorn neigt also aufgrund seiner geologischen Gegebenheiten zur Instabilität. Dies ist auch seit Längerem bekannt und der Birchgletscher steht bereits seit 1993 unter Beobachtung.
Den Klimawandel kann man daher als alleinigen Grund für die Katastrophe ausschließen. Gleichzeitig hat er den Zerfall des Kleinen Nesthorns sehr wahrscheinlich stark beschleunigt. Die Mechanismen dafür habe ich in einem Artikel über bröckelnde Berge beschrieben.
Es scheint mir plausibel, dass der Klimawandel nicht nur Verwitterung und Erosion beschleunigt, sondern auch die Bündelung in große Einzelereignisse begünstigt. Unter Permafrostbedingungen stürzt von einem Berg vorwiegend das Gestein in der saisonalen Auftauzone hinab. Taut hingegen das instabile Gesteinspaket insgesamt auf, kann es in einem einzelnen Großereignis abbrechen.
Die Häufigkeit großer Bergstürze hat sich in jedem Fall erhöht. Bis 1980 wurde in den Alpen etwa ein „Millionensturz“, d. h. ein Bergsturz mit Gesteinsvolumen von mindestens 1 Million Kubikmeter, alle 20 Jahre beobachtet.
In den letzten Jahrzehnten wurden diese allmählich häufiger und in den vergangenen drei Jahren hat sich jeweils ein Millionensturz ereignet: 2023 der Kollaps des Fluchthorn-Südgipfels mit ca. 1 Million Kubikmeter, 2024 ein Bergsturz am Piz Scerscen im Val Roseg mit 8–9 Millionen Kubikmeter und dieses Jahr nun der Bergsturz von Blatten mit ca. 6 Millionen Kubikmeter Felsmaterial (zzgl. drei Millionen Kubikmeter Eis).
Eine Situation wie in Blatten – ein instabiler Berg über einem sehr steilen Gletscher, der wiederum direkt oberhalb eines Dorfes liegt – ist in den Alpen fast einmalig. Daher werden derart dramatische Ereignisse auch in Zukunft selten bleiben. Große Bergstürze allgemein werden jedoch zunehmen. Meistens werden sie sich in unbewohnten Tälern abspielen, immer wieder aber auch Infrastruktur und Siedlungen bedrohen. Das gehört zu unserer Realität in einer sich erwärmenden Welt.
Quellen: Wikipedia, Die Zeit, FAZ, Spiegel Online, SAC
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