Bergtour in den Niederen Tauern am 19.06.2025

Seit ich im Forum Gipfeltreffen ein Bild der Ostwand des Hochgolling gesehen habe, war ich fasziniert von dessen markantem NO-Grat. Den wollte ich mir einmal näher anschauen, woraus ein schönes kleines Abenteuer wurde. Vielen Dank an Forumsuser Tauernfuchs für die Inspiration dazu!

Die Anfahrt verlief schon mal nicht nach Plan. Ich hatte gedacht, ich würde gut durchkommen, wenn ich vor sechs auf der Tauernautobahn unterwegs wäre. Stattdessen stand ich vor der Baustelle bei Golling (wo sonst an diesem Tag?!) über eine Stunde im Stau. Eigentlich war es danach schon ein wenig spät für diese Tour und ich überlegte, ob ich auf etwas Kürzeres ausweichen sollte. Andererseits: Der Tag war einer der längsten des Jahres, das Wetter superstabil und die Gewittergefahr vernachlässigbar. Wenn also zu spät aufbrechen, dann heute.

08:25 Uhr schwang ich mich an der Laßhoferalm dann endlich auf mein Radl. Los geht’s! Ich war supergespannt auf das, was mich erwarten würde. Schließlich hatte ich außer besagtem Foto als Information nur zwei dürre Zeilen aus dem Alpenvereinsführer. Leider merkte ich auf dem Radl schnell, dass die Fitness heute nicht so top war. Erste Anzeichen einer Erkältung machten sich bemerkbar. Na ja, jetzt war ich hier, also mal sehen.

An den Hinteralmhütten (1434 m) war auch schon wieder Schluss mit radeln. Ab hier ging es zu Fuß weiter an neugierigen Kühen vorbei zum wunderschönen Gollinganger. Da stand er nun vor mir, der Hochgolling in all seiner 1200m-Ostwand-Pracht. Und mittendrin, etwa 500 m über dem Gollinganger, setzte der Südostgrat an (der eigentlich eher ein Pfeiler ist). Verflucht lang sah er aus und die Spannung stieg.

Doch vor den Grat hat das Gebirge den Zustieg gesetzt. Und so musste ich mich zunächst einmal damit auseinandersetzen, wie ich die Steilstufe auf der Nordseite des Gollingangers überwinden würde, um dann zum Grat hinüberzuqueren. Den Weg, der auf meiner Karte eingezeichnet war, schien es nur in Ansätzen zu geben. Und während ich weiter in den Gollinganger hineinwanderte, verlor er sich bald. Was jetzt? Einfach den Hang hinauf? Oben schien es eine Lücke zwischen den Felsen zu geben, da sollte ich durchkommen.

Also stieg ich zunächst über Wiesen, dann steiler durch Grünerlen und Almenrausch-Matten bergwärts. Zwischendurch kam ich an quer verlaufenden Wegspuren vorbei, die sich zu verlieren schienen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ihnen nach Osten zu folgen. Ich aber stieg weiter auf. Die Lücke im Felsriegel gab es tatsächlich, doch waren auch hier nasse plattig-erdige Felsen zu überwinden, dazu sehr steile Botanik. Kein schönes Gelände und dazu sehr kraftraubend.

Endlich, auf etwa 1900 m, legte sich der Hang zurück und ich konnte von Botanik-Kletterei wieder auf Wandern umstellen. Über Wiesen und Blockhalden suchte ich mir einen Weg hinüber zum Grat. Dabei genoss ich das wilde Ambiente dieser einsamen Landschaft. Oberhalb der Hinteralmhütten sollte ich an diesem Tag keine Menschenseele zu Gesicht bekommen.

Am Gratansatz fließt auf der orografisch linken Seite ein Bach, und ich hatte mir von unten bereits eine flache Stelle ausgesucht, an der ich den Bach überqueren und den Grat gewinnen wollte. Auch aus der Nähe sah diese Stelle gut geeignet dafür aus und so erreichte ich auf ca. 2060 m den Grat. Super, Zustieg geschafft!

Hier machte ich erst einmal Pause, gönnte mir Essen und Trinken und warf prophylaktisch auch Magnesiumpulver ein. Dann schaute ich mir die kleine Steilstufe direkt über mir an, entdeckte einen guten Weg hindurch und legte los.

Jetzt also war ich an dem Grat unterwegs, den ich mir schon so oft Zuhause angesehen hatte. Würde ich auch durchkommen? Die erste Stufe war schnell überwunden und danach folgte leichtes Gelände bis zu einer weiteren Stufe, die ich von unten als wahrscheinliche Schlüsselstelle ausgemacht hatte. Hier steilt der Grat auf und knickt nach Süden ab. Die Stufe zu diesem Abschnitt überwand ich durch eine kurze Rinne (II). Diese fand ich gar nicht so leicht, was hauptsächlich daran lag, dass ich dem Fels nicht recht traute. Eigentlich war die Felsqualität hier gut, doch habe ich mit dünnen Gneisplatten schon einige Male schlechte Erfahrungen gemacht und nehme lieber nur die gröbsten Strukturen als Griffe und Tritte.

Nu folgte der genussvollste Abschnitt des Grates. Dunkler, grobblockiger und fester Gneis bot schöne Kletterstellen (II) bis zu einer Schulter. An dieser knickte der Grat nach Südwesten und flachte deutlich ab. Es folgte Gehgelände, das nach einem weiteren Knick nach Westen immer wieder durch kurze hübsche Kletterstellen unterbrochen wurde. Leider nur ließ die Felsqualität mit zunehmender Höhe nach.

Auf 2600 m fand ich zu meiner Überraschung einen Steinmann und einen roten Farbklecks. Bislang hatte ich nicht einmal Steigspuren ausgemacht und hier nun diese Markierung. Wozu nur? Vielleicht als Aufmunterung, sich von einigen drohend aufbauenden Steilaufschwüngen nicht verunsichern zu lassen?

Tatsächlich konnte ich diese Aufschwünge jeweils auf Bändern rechter Hand umgehen, ohne mich zu weit von der Gratkante und damit auch vom brauchbar festen Fels zu entfernen. Das ging gut, nur war ich mittlerweile ziemlich platt und musste mich ordentlich mühen beim Steigen. Auch die Muskulatur wollte nicht mehr so recht, was ich beim Klettern berücksichtigen musste. Locker leicht ist anders, aber ich kam voran.

Den letzten und steilsten Aufschwung versuchte ich zunächst ziemlich direkt an einer Rinne zu überwinden. Dort fehlte mir nach oben hinaus jedoch ein vertrauenswürdiger Griff, um aus dem abdrängenden unteren Teil auszusteigen. Also entschied ich mich für eine weiträumige Umgehung. Das geeignete Band war sogar durch einen Eisenstecken markiert. Das fand ich schade. Dieser Grat wird offensichtlich nur extrem selten begangen und jeder, der sich bis hierher zurechtgefunden hat, wird wohl auch dieses Umgehungsband finden. Da wäre es doch schön gewesen, den Grat ganz wild zu belassen.

Nun ja, ich querte also hinaus und stieg durch hier sehr brüchigen Fels wieder auf in etwas unübersichtliches Gelände. Auch hier fand sich noch einmal ein Wegweiser. Etwa mannshoch (!) wies eine verblichene rot-weiß-rote Markierung das Band aus, das zum Südgrat führte, in den der Südostgrat schließlich einmündet. Sehr seltsam, ewig lang gar nichts und dann plötzlich diese bizarren Markierungsauswüchse.

Bald stand ich also am Südgrat, das Gipfelkreuz direkt vor Augen. Ein paar nette Kletterstellen (I-II) waren noch zu überwinden, dann konnte ich es mir am höchsten Punkt der Niederen Tauern auf 2862 m gemütlich machen. Puh, das war harte Arbeit gewesen, aber auch sehr interessant. Beine ausstrecken, etwas essen, den Blick schweifen lassen, das tat gut. Auch im Gipfelbuch schmökerte ich ein wenig. Witzig: Genau am Vortag war jemand über den Südgrat heraufgekommen, der laut Gipfelbuch auch nur wenige Male im Jahr begangen wird. Zwei Exotentage zwischen all den Normalwegs- und Nordwestgratbegehungen.

Gegen 14:00 Uhr brach ich wieder auf. Ich fühlte mich ganz gut erholt und bereit für den zweiten Teil der heutigen Bergfahrt, den Abstieg über den mir ebenfalls unbekannten Südgrat. Immerhin wusste ich von Leuten, die diesen tatsächlich schon gegangen waren, sodass die Schwierigkeitsangabe von II wohl stimme würde. Und dazu gibt es im Alpenvereinsführer sogar eine knappe Wegbeschreibung für den Abstieg. Ich war daher zuversichtlich, mich zurechtzufinden.

Und so war es dann auch, wobei einige wenige, sehr geschickt platzierte Steinmänner deutlich halfen. Zunächst stieg ich direkt an der Gratkante entlang, dann an einem Turm links hinab und gelangte nach einer erstaunlich ausgesetzten kurzen Plattenquerung auf ein Grasband, das nach rechts um die Ecke führte.

Eine Unterbrechungsstelle des Bandes zwang mich zur anspruchsvollsten Abkletterei des Tages (II-III), dann ging es zurück an die Gratkante. Es folgte eine schöne Passage, die immer wieder anregend luftige Kletterei an festem Fels erforderte (II). Das machte richtig Spaß! Schließlich gelangte ich zu einem großen Abbruch, vor dem ich recht weit nach links absteigen musste bis zu einem Steinmann. Von hier aus führten schmale Grasbänder um den Abbruch herum zurück zum Grat. Nun noch ein Stück direkt an der Gratkante oder knapp daneben und ich erreichte die Tramörtenscharte (2442 m).

Bereits beim Kartenstudium im Vorfeld hatte ich den Eindruck gewonnen, dass es besser sei, nicht direkt aus der Scharte abzusteigen, sondern von einer Schulter einige Meter weiter südlich. Das bestätigte sich vor Ort: Die steile, enge Rinne, die aus der Tramörtenscharte nach Osten zieht, sah einfach gruselig aus. Von der Schulter aus eröffnete sich hingegen gangbares Schuttgelände.

Jetzt also hinab über Schutt, Geröll, Blockgelände und Schneefelder in die Karlandschaft, die sich unterhalb von Steinkarlegg und Alterkogel nach Osten zieht. Ich verzichtete darauf, einen Weg durch die Steilabbrüche direkt zum Gollinganger zu suchen, und wanderte stattdessen bis zu den sanfteren Hängen oberhalb des Gralatisees. Auf Blockgelände folgten Wiesen, dann Blaubeeren und Alpenrosen, einzelne Bäume und schließlich lichter Bergwald, durch den ich zum See (1816 m) wanderte. Hier fand ich nun wieder einen richtigen Weg vor. Mit rot-weißen-roten Markierungen. O Segnungen der Zivilisation!

Ich kam jetzt deutlich zügiger voran als bei meinem bisherigen Abstieg und fand mich bald am Gollinganger wieder. Was für ein Ort! Links und rechts stürzten die Wildbäche rauschend in die Tiefe, dazwischen der flache Boden des Angers und dahinter der mächtige Hochgolling. Die Sonne stand fast genau hinter dem Berg, was dem Platz eine fast mystische Stimmung verlieh. Ich setzte mich kurz, fotografierte und staunte.

Danach ging es weiter hinab, zurück zu den Hinteralmhütten, wo gerade ein kleines Grillfest stattfand. Dann hurtig mit dem Radl über die Forststraße zurück zum Parkplatz, den ich kurz nach 18:00 Uhr erreichte. Müde und überwältigt setzte ich mich ins Auto und machte mich auf die Suche nach einer Einkehr- und einer Übernachtungsmöglichkeit. So ganz konnte ich noch nicht begreifen, dass ich die doch recht exklusive Überschreitung des Hochgolling tatsächlich umgesetzt hatte, zu der mich jenes Foto inspiriert hatte. Es würde wohl auch noch ein paar Tage dauern, bis ich alle Eindrücke sortiert haben würde. Was für ein Tag.

Am Folgetag war ich dann noch einmal in den Tauern unterwegs, dieses Mal am Weißeck.

Daten zur Tour

  • Hochgolling (2862 m) Südostgrat mit Abstieg über Südgrat
  • Südgrat erstbegangen am 04.09.1878 durch A. Bauer, J. Bullmann, H. List und E. Augustin
  • Schwierigkeit T6, II
  • 1750 Höhenmeter ab Laßhoferalm

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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