Klettern in den Chiemgauer Alpen am 19.07.2025

Dieses Jahr schien es wie verhext mit dem Klettern – immer kam etwas dazwischen. Endlich hat es nun geklappt und Michael und ich konnten Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth am Rabensteinhorn unter die Finger nehmen.

Endlich ein Tag für eine Klettertour! Michael und ich hatten beide Zeit, waren gesund und das Wetter war auch okay. Also los! Aber wohin? Nach Abwägung diverser Kriterien (Wetter im Osten besser, sonnseitige Routen zu heiß, schattseitige Routen noch nass, Kondition mittel usw.) entschieden wir uns für eine Fahrt nach Bad Reichenhall, um dort die Schönheitskönigin der benachbarten Gemeinde Schneizlreuth zu besuchen.

Zehn vor neun starteten wir den etwas länglichen Zustieg über den Forstweg zum Paul-Gruber-Haus. Es war bereits sehr warm und wir waren gespannt, wie es uns später in der Mittagshitze ergehen würde. Und wie viele andere Kletterer so unterwegs sein würden.

Ab dem Paul-Gruber-Haus folgten wir dem Steig, der um das Rabensteinhorn herumführt. Dieser führt zunächst in südwestlicher Richtung bergauf und quert dann nach Südosten hin die steile, bewaldete Bergflanke hoch über Schneizlreuth. Dieser Abschnitt ist etwas ausgesetzt und durch ein Stahlseil entschärft. Wobei „entschärft“ vielleicht gar nicht der richtige Ausdruck ist. Denn das Seil hängt lediglich an einigen alten Normalhaken, die stellenweise mit Silikon(?) abgedichtet sind und wenig Vertrauen einflößen. Zwei vermutlich später hinzugefügte (nicht normgerechte) Bohrhaken sind abgeschert und können auch nichts mehr zum Halt des Seils beitragen. Das hübsche Stahlseil wirkte auf uns daher weniger als Versicherung und mehr wie ein Kunstwerk: gerne bewundern, besser nicht anfassen.

Kurz nach den windigen Stahlseilpassagen erreichten wir die Südwestwand des Rabensteinhorns, die hier erstaunlich steil aus dem Wald ragt. Und mittendrin fanden wir auch unsere Route, die Schönheitskönigin von Schneizlreuth. Tipp für andere Besucher: Es ist die Route mit dem bequemsten Anseilplatz. Zu unserem Erstaunen war außer uns niemand hier. Dabei sind die Routen dieser Wand doch sehr beliebt und die Schönheitskönigin ganz besonders. Aber uns war es nur recht, so hatten wir unsere Ruhe. Also hieß es nun Helm aufsetzen, Gurt anlegen und bestücken, Schuhe wechseln, anseilen. Und dann losklettern.

Erste Seillänge (30 m, VI-): Heute war Michael dran, zu starten. Seine erste Herausforderung bestand darin, über einige nasse Erdstufen zum Fels zu gelangen, ohne sich die Schuhe zu sehr zu verdrecken. Anschließend ging es dann in plattiger Kletterei an einem Pfeiler aufwärts. Über die glatteste Stelle half ein kleiner Baum, der Rest ging auch gut ohne botanische Hilfe, und zügig erreichte Michael den ersten Zwischenstand auf einem bequemen Band.

Zweite Seillänge (32 m, VI): Nun war ich also dran – und gespannt, ob ich den Schwierigkeiten gewachsen sein würde. Vom Stand weg ging es erst einmal auf dem Band nach rechts und dann an der Kante aufwärts (V). Nach einer geneigten Verschneidung (IV) gelangte ich zum Herzstück der Seillänge: einer Verschneidung, die durch eine linkerhand frei stehende Riesenschuppe gebildet wird. Zunächst spreizte ich die Verschneidung aus, dann stieg ich auf ein schmales Band auf der rechten Seite.

Und nun? Zunächst stand ich wie der Ochs vor dem Berg und wusste nicht recht weiter. Rechts gab es ein paar abschüssige Tritte und gute Griffe, aber das war mir zu wackelig. Und links sah ich zunächst keine echte Möglichkeit zum Spreizen. Die Reepschnur, die im Haken über mir hing, legte nahe, dass sich hier schon andere den Kopf zerbrochen hatten. Aber noch wollte ich nicht aufgeben.

Nach einigen Herumprobieren fand ich ganz hinten im Verschneidungsspalt einen großen Seitgriff. Super, das war genau, was ich brauchte, um hochzuspreizen. Der Rest der Verschneidung war dann wieder offensichtlich, und bald erreichte ich den Stand oben auf der Schuppe.

Dritte Seillänge (30 m, VI): Etwas skeptisch blickten Michael und ich in die dritte Seillänge. Ganz schön steil und gar nicht so leicht sah die aus. Und so war sie dann auch: Vom Stand weg kletterte Michael gerade hinauf und querte unter einem kleinen Überhang nach rechts. Dann folgte er einem schrägen Riss nach links aufwärts bis in eine Nische unter einem weiteren Überhang. Wieder geht es hier rechtsherum, wobei es hilft, sich früh langzumachen, um die riesigen Griffe auf der Oberseite des überhängenden Blocks zu erreichen.

Bis zu dieser Stelle ist die Länge ziemlich anhaltend, danach flacht sie ein wenig ab und führt leichter zum Stand auf einem Band (VI- und V).

Vierte Seillänge (28 m, V+): Ich durfte nun die leichteste Seillänge der Route vorsteigen, die aber schon auch sauberes Steigen erfordert. Die Linie folgt hier einer plattigen Verschneidung, die stellenweise doch recht glatt ist (V-). Nach oben hin wird sie dann steiler und die letzten Meter fand ich gar nicht so leicht (V+). Der Stand auf einem kleinen Absatz ist dann eher unbequem.

Fünfte Seillänge (25 m, V+): Jetzt war Michael wieder dran. Den Beginn seiner Länge stellte ein Spalt dar, den man sich mühsam-rustikal hochstemmen kann. Ein super Training für die nächste klassische Alpinkletterei. Dort, wo sich der Spalt zum Piazriss verjüngt, verließen wir ihn jeweils nach links. Die Überwindung des Piazrisses nach rechts oben war dann ziemlich trickreich und kam mir schwerer vor als die V- im Topo. Anschließend geht es dann noch ein paar Meter eine Rampe hoch zu einem weiteren unbequemen Stand.

Sechste Seillänge (20 m, VI): Ich und Überhänge, das ist keine große Liebe. Aber jetzt war ich nun mal dran und der Überhang im Weg. Und eigentlich sah er auch recht gutmütig aus. Also los!

Schon die abdrängende Querung nach rechts zum Überhang hin fand ich schwierig. Und den Weiterweg erst recht, sodass ich hier auch leider am Haken rasten musste. Heute leider kein roter Punkt für mich. Nach ein paar Versuchen hatte ich dann begriffen, dass ich möglichst frühzeitig auf ein schmales Band an der Kante des überhängenden Blocks treten musste. War der Fuß erst mal dort oben und die Hand im Querriss direkt darüber, löste sich die Stelle wunderbar auf. Danach folgten nur noch einige Ausstiegsblöcke (V) und ich erreichte den Baum mit dem Wandbuch.

Endlich mal ein bequemer Standplatz für mich! Ich setzte mich auf einen Absatz und holte Michael nach, der den Überhang ebenfalls als deutlich schwerste Einzelstelle der Route empfand. Da wir uns mit dieser Stelle etwas schwergetan hatten, verzichteten wir auch darauf, weiter zum Kugelbacherweg zu gehen. Wir hatten beide das Gefühl, dass wir uns damit heute übernehmen würden. Stattdessen machten wir hier entspannt Pause und freuten uns über die insgesamt recht erfolgreiche Begehung einer für uns schwierigen Tour.

Nach einer knappen Stunde Rast setzten wir unseren Weg fort Richtung Gipfel. Wir sind eben mehr Bergsteiger als Kletterer. War es beim Klettern noch angenehm gewesen, stand hier oben im lichten Wald die Hitze. Dadurch wurde der weitere Aufstieg unerwartet anstrengend.

Nach etwas Suchen fanden wir den schwach markierten Steig, der überraschend anspruchsvoll (T4, II) zum Gipfel führt. Dafür hängen die Fixseile, die hier zwei Stellen entschärfen, an soliden Bohrhaken.

Kurz nach 15:00 Uhr erreichten wir den Gipfel des Rabensteinhorns (1373 m). Das schlichte Holzkreuz steht nicht ganz am höchsten Punkt, ist dafür aber besonders schön. Wir genossen kurz den Ausblick auf Staufen, Watzmann, Hochkalter und Steinberge, dann wandten wir uns wieder talwärts.

Südostseitig stiegen wir ab zurück zum Müllnerhornsteig, dann unter unserer Route hindurch zu den seltsamen Drahtseilpassagen und den schon bekannten Weg am Paul-Gruber-Haus vorbei zurück zum Parkplatz. In der vollkommen bewegungslosen Luft war auch der Abstieg mühsam, und wir waren froh, als wir um 16:45 Uhr das Auto erreichten. Und noch mehr freuten wir uns über die schöne Kletterei, die wir heute erleben durften. Wirklich eine kleine Schönheitskönigin unter den Kletterrouten.

Daten zur Tour

  • Rabensteinhorn (1373 m) via „Die Königin von Schneizlreuth“
  • Schwierigkeit VI
  • 6 SL, 165 Klettermeter
  • Inklusive Gipfel 900 Höhenmeter
  • Sehr gute Absicherung mit Bohrhaken
  • Abstieg über markierten Steig auf Südostseite (T4)
  • Erstbegangen 2012 durch Max Spitzer und Wolfgang Krämer
  • Infos und Topo bei bergsteigen.com

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

2 Kommentare

Jan · 29. Juli 2025 um 9:43 a.m.

Sehr schöner Bericht und wirklich interessante Tour, die kommt dann doch direkt auf die Liste 😉 Ich mag so unverhoffte Voralpenwände ziemlich gerne und der Osten scheint heuer wirklich oft wettertechnisch begünstigt zu sein.

Für die verhexte Kletterei mit der ich heuer auch zu kämpfen habe aber schon ein ganz schön strammes Programm – Respekt.

LG aus Garmisch

    Hannes · 3. August 2025 um 6:48 a.m.

    Servus Jan, danke Dir.

    Ich kann die Tour wirklich empfehlen. Und falls es dort doch mal stärker zugeht, gibt es noch Ausweichoptionen in der selben Wand.

    Ich wünsche Dir eine weniger verhexte weitere Saison. Immerhin habe ich gesehen, dass Ihr im Süden schon ein paar Felsmeter unter die Finger nehmen konntet.

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