Bergtour in an den Allgäuer Alpen am 09.04.2017

Der Schnee in den Bergen wird weniger und so kann man den Anspruch beim Wandern langsam steigern. Dieses Mal wurde es eine Liebhabertour in den Tannheimern: Wer splittrigen Kalk mag, Latschenkampf und Waldwühlen, der kommt auf dem Weg zur Großen Schlicke auf seine Kosten. Wer das alles nicht mag, dem sei von dieser Tour abgeraten.

Im Allgäu bin ich nur selten unterwegs. Auf der Suche nach einer frühlingstauglichen und interessanten Tour wurde ich in der Kette nördlich des Reintals fündig, die es nebenbei erlauben würde, die berühmten Klettergipfel auf der anderen Talseite einmal aus der Nähe zu betrachten.

Halb neun startete ich meine Kammüberschreitung in Musau bei Vils. Auf dem Achselsteig gewann ich schnell an Höhe. Das Wetter war herrlich, die Temperatur im Bergwald genau richtig, dazu hatten die gefiederten Waldbewohner gerade nichts besseres zu tun, als mit lautem Gesang ihresgleichen anzulocken und nebenbei Wanderer zu erfreuen. So ließ sich dieser Tag schon mal sehr gut an.

An der Achsel fällt der Blick auf den Säuling.

An der Achsel fällt der Blick auf den Säuling.

An der Achsel genoss ich kurz den Ausblick über das morgendliche Lechtal mit den Ammergauer Alpen im Hintergrund, wo sich Säuling, Hochplatte, Tegelberg und Geiselstein prominent vom Horizont abhoben. Dann ging ich den weglosen Teil der Überschreitung an. Ein kurzer Steilaufschwung in splittrigem Fels (I-II, wem das hier zu bröselig ist, sollte daran denken, dass es weiter oben nicht besser wird) führte mich an den bewaldeten Kamm, dem ich von nun an folgte.

Tegelberg und Schloss Neuschwanstein

Tegelberg und Schloss Neuschwanstein

In wechselnder Steilheit und mit gelegentlichem Schrofenschinden ging es durch den Wald hinauf zum Musauer Berg. Die Nordabstürze des Rückens sind abschnittsweise erstaunlich steil, dort geht es in ziemlich wildes Gelände hinab. Der 1510m hohe Gipfel hingegen ist reichlich unspektakulär – und mir wurde auch erst später klar, dass ich ihn bereits überschritten hatte.

Lech und Alpenvorland

Lech und Alpenvorland

Weiter ging es weglos den Wald hinauf in Richtung Plattjoch. Auf ca. 1600m traf ich unerwartet auf einen markierten Steig, der hier von Süden heraufzog. Im Schnee fanden sich frische Spuren von Hundepfoten und im weichen Waldboden Schuhabdrücke. Da war wohl noch jemand unterwegs. Der Steig erleichterte den weiteren Aufstieg und so erreichte ich bald das Gipfelkreuz (welches allerdings nicht am Gipfel steht), neben dem es sich Hund und Herrchen bereits bequem gemacht hatten. Beim zweibeinigen Bergfreund handelte es sich, wie sich bald herausstellte, um den Errichter des Kreuzes – welch exklusive Begegnung an diesem einsamen Berg!

Tannheimer Prominenz auf der anderen Seite des Reintals

Tannheimer Prominenz auf der anderen Seite des Reintals

Im Wald zeigt sich ein Frühlingsbote

Im Wald zeigt sich ein Frühlingsbote

Während ich noch meine Brotzeit genoss, setzte er seinen Weg bald fort, um in einem Kar in der Nähe mit Figln abzufahren. Auch keine schlechte Variante, dachte ich mir. Der Hund sah das wohl ähnlich und war vor lauter Vorfreude schon ganz aufgeregt. Einige Minuten nach den beiden machte auch ich mich wieder auf und kämpfte mich zunächst durch dichten Latschenbewuchs (LKK 3) zum höchsten Punkt des Plattjochs (1895m). Anschließend erstieg ich einen kleinen Gratturm, der sich auch leicht nordseitig umgehen lässt. In splittrigem Fels ging es zunächst leicht bergan, oben wich ich dem übelsten Gebrösel dann seitlich aus und handelte mir dafür eine kurze, aber gar nicht so einfache Querung (II+) ein.

Da geht's weiter. Ganz hinten die Große Schlicke.

Da geht’s weiter. Ganz hinten die Große Schlicke.

Nachdem das geschafft war, nahm ich den Nordgrat des Bugschrofens – des nächsten Gipfels im Kamm – in Angriff. Dieser war leichter (I), aber nicht weniger splittrig, was zur Vorsicht mahnte. Überhaupt nötigte mich die erlesen schlechte Felsqualität dazu, mich bei sämtlichen Kletterstellen der Tour im Schneckentempo zu bewegen und sorgsam jeden Griff und Tritt zu prüfen. Muss ich auch nicht immer haben, gehört aber ab und an dazu.

Der brüchige Nordgrat des Bugschrofens

Der brüchige Nordgrat des Bugschrofens

Am Gipfel des Bugschrofens (1974m) machte ich noch einmal Pause, bevor ich die sehr latschige Überschreitung zum Karretschrofen anging. Für den Voralpinisten mit masochistischer Ader gibt es eigentlich kaum etwas schöneres als gepflegten Latschenkampf (in diesem Fall LKK 3-4)  mit brüchigen Felseinlagen (bis II). So war dieser Abschnitt also quasi der pure Genuss, doch – leider, leider – ging auch diese Passage irgendwann zu Ende und ich fand mich auf dem grasigen Gipfel des Karretschrofens (2034m) wieder. Nun stellten sich mir keine weiteren Schwierigkeiten mehr in den Weg und zügig erreichte ich die Große Schlicke (2059m), den Endpunkt dieser Überschreitung.

Am Karretschrofen blicke ich zum Bugschrofen zurück.

Am Karretschrofen blicke ich zum Bugschrofen zurück.

Auch bis zur Großen Schlicke ist es nicht mehr weit.

Auch bis zur Großen Schlicke ist es nicht mehr weit.

Brotzeit, dann Augen zu und in der Sonne dösen; echt schön hier, so ganz allein. Die Aussicht war auch nicht schlecht: Gegenüber die Tannheimer Prominenz von Gehrenspitze bis Gimpel, dahinter der Thaneller und allerlei andere Lechtaler, weiter östlich überragte die Zugspitze diverse Ammergauer Gipfel, im Norden das flache Alpenvorland und im Westen und Südwesten erstreckte sich das Gipfelmeer der mir weitgehend unbekannten Allgäuer Alpen.

Aussicht Große Schlicke

Die beeindruckende Nordwand der Gehrenspitze

Aussicht Große Schlicke

Allgäuer Gipfelmeer

Nach einer Dreiviertelstunde riss ich mich dann doch los und begann den Abstieg. Im oberen Teil konnte ich den Abstieg über diverse Schneefelder abkürzen, dann ging es über den schmalen Waldsteig weiter talwärts. An der Musauer Alm (1290m) gönnte ich mir ein Weißbier und genoss noch einmal die Sonne, bevor ich die letzte Stunde zurück ins Tal anging und diese lohnende Runde kurz vor 16:00 Uhr beendete.

Musauer Alm Große Schlicke

Entspannung an der Musauer Alm

Daten zur Tour

  • Große Schlicke (2059m) über gesamten Ostgrat von der Achsel
  • Schwierigkeit T6, II, LKK 4
  • 1400 Höhenmeter

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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