Als Kevin seinen Jeep Wrangler über die kurvige Straße steuerte und der Canyon des Kings River in den Blick kam, konnte ich kaum glauben, tatsächlich hier zu sein. Hinter mir lagen eine fast schlaflose Nacht in Fresno, Vorratskäufe in Santa Barbara, ein Flug nach LA, jede Menge Vorbereitung und ein Jahr Träumen von diesem Augenblick.

Ein erster Blick auf Kings Canyon

Ein erster Blick auf Kings Canyon

Im Sommer 2010 beschloss ich, meinen nächsten Sommerurlaub in Kalifornien zu verbringen. Ein mit mir sehr gut befreundetes Paar lebt derzeit dort und das muss man natülich ausnutzen. Bei Kalifornien denken die meisten sicher eher an Surfen oder Klettern als an Wandern, aber für mich war von Anfang an klar, dass ich die Sierra Nevada würde besuchen müssen.

Als ich begann, nach möglichen Touren zu recherchieren, stieß ich ziemlich schnell auf die Sierra High Route – ein Routenvorschlag, der über 195 Meilen (314 km) von Kings Canyon nach Twin Lakes führt, etwa die Hälfte der Strecke weglos. Ich war sofort fasziniert, auch wenn ich fürchtete, die Route könnte zu lang und zu hart sein. Trotz dieser Zweifel bestellte ich Steve Ropers Buch, nach dessen Lektüre kein Weg mehr an der High Route vorbeiführte; diese Tour klang so gut, die musste ich zumindest versuchen. Nun ging es an die Planung…

Ein erster wichtiger Schritt war es, den Verlauf der Route zu ermitteln. Ropers Beschreibung hat bezüglich der Route in etwa die Detaillierung eines alpinen Gebietsführers, auch wenn er das Gelände viel ausführlicher beschreibt und einen ganz anderen Stil pflegt. Diese Beschreibungen galt es nun in Punkte auf einer Karte zu übersetzen, um einen Überblick über den Routenverlauf zu bekommen. Gleichzeitig versuchte ich, anhand der Beschreibungen ein Gefühl für die Schwierigkeiten und Längen einzelner Passagen zu bekommen, um einen Zeitplan aufzustellen. Normalerweise werden für eine Komplettbegehung 20 – 30 Tage angesetzt (UL-Wanderer sind deutlich schneller, allerdings nur bei guten Bedingungen), ich plante 16 Tage, d.h. 20 km Strecke pro Tag ein, plus 2 Reservetage. Die Reservetage wollte ich, falls ich sie nicht für die eigentliche Route brauchen würde, evtl. zum Bergsteigen nutzen. 20 km – das klang nicht so schlimm. Angesichts des komplexen Terrains blieben bei mir jedoch bis zum Schluss Zweifel, ob ich das schaffen würde.

Neben der Routenplanung mussten einige oragnisatorische Dinge erledigt werden: Flüge nach Los Angeles und nach Fresno buchen, ein Wilderness permit für die Tour reservieren, ESTA-Registrierung, topographische Karten in den USA bestellen.

Parallel dazu machte ich mir über meine Ausrüstung Gedanken. Es gibt auf der Route nur einen sinnvollen Punkt, um Vorräte aufzufüllen: Red’s Meadow. Nach dem 16 Tage-Zeitplan sollte ich dort nach 10 Tagen ankommen. 10 Tage plus 2 Reservetage ergibt 12 Tage, für die ich zu Beginn Essen würde mitnehmen müssen. Das bedeutet ein enormes Gewicht und dementsprechend würde der Rest der Ausrüstung so leicht wie möglich sein müssen. Eine neue Tourenjacke brauchte ich ohnehin, also wählte ich gleich eine leichte aus. Viel Überlegung steckte ich in die Auswahl der Biwakausrüstung, die ich komplett neu kaufen musste. Letztendlich entschied ich mich für die Variante Tarp + Biwaksack statt Zelt. Ein weiterer wichtiger Punkt waren die Schuhe. Mit meinen alten Bergschuhen komme ich zwar wahrscheinlich auch auf einfache 6000er, dafür wiegen sie aber auch ordentlich. Also fahndete ich nach einem leichteren Bergschuh mit steifer Sohle (welche ich für leichte Klettereien bevorzuge). Einige Kleinigkeiten kamen noch hinzu, bis ich schließlich alles zusammen hatte.

Ausrüstung will natürlich auch getestet werden. Die Biwakausrüstung testete ich in der Sächsischen Schweiz auf ihre Schlaftauglichkeit, Schuhe und Jacke bei Wanderungen in Sachsen und in den Niederen Tauern.

Schließlich stand eine der für mich schwierigsten Aufgaben an, die Essensplanung. Es galt für 18 Tage nahrhaftes, leichtes, ausgewogenes und schmackhaftes Essen zusammenzustellen und zwar größtenteils aus in den USA erhältlichen Produkten. Es benötigte einige Tabellen mit Nährwerten, Portionsgrößen, Kohlenhydratgehalt, etc. und viel Unterstützung meiner Freunde in Santa Barbara, bis schließlich ein Essensplan stand. Und letztendlich hat es gut geklappt. Ich würde im Nachhinein sicherlich einige kleine Änderungen vornehmen, aber die Mengen haben gestimmt und ich hatte bis zum Schluss nichts über.

So näherte ich mich mit vielerlei Aufgaben langsam dem Tourenbeginn, als sich eine Frage in den Vordergrund drängte: Wie kommt man eigentlich nach Kings Canyon, genauer gesagt zur Road’s End Ranger Station? Da wird es doch sicherlich einen Shuttlebus geben, oder? Oder? Nun ja, es gibt einen, aber nicht bis Road’s End, der letzte Halt liegt ca. 50 Meilen entfernt. Was also nun?

Die Lösung dieses Problems lag in der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft anderer Outdoor-Enthusiasten. Über ein amerikanisches Wanderforum fand ich Kevin, der bereit war, mich nach Road’s End zu fahren und am Tag meines Tourenbeginns sogar Zeit hatte. Was für eine Freude!

Und so saß ich am 15. August in Kevins Jeep Wrangler, als wir schließlich den Kings River erreichten und weiter nach Road’s End fuhren. Wir unterhielten uns über Camping-Ausrüstung und vergangene Wander-Erlebnisse.

Der Kings River

Der Kings River

An der Ranger Station angekommen, holte ich mein permit ab. Der Park Ranger war sehr freundlich, befragte mich zu meinem Zeitplan und wo ich den Kings Canyon National Park verlassen würde („There I stop worrying about you“). Ich fragte sie, ob die High Route oft begangen würde. Die spontane Antwort „ja“ wurde dann doch etwas relativiert, so viele seien es nun auch wieder nicht, und treffen würde ich wahrscheinlich niemanden. Aber die Route sei in den letzten Jahren beliebter geworden, „You know, once it’s on the internet…“.

Ja, bei Unternehmungen, die man auch wegen Ihrer Einsamkeit schätzt, stellt sich durchaus die Frage, wie viel man darüber im Internet preisgeben möchte. Einerseits schätze ich den Informationsaustausch mit anderen Wanderern und Bergsteigern sehr, andererseits möchte man nicht zu viele Leute dorthin locken, wo sie sonst nicht hinkämen. Die High Route ist auch ein Beispiel dafür, wie eine Zunahme an Informationen die Hürde für eine Tour senken kann. So sind inzwischen zum Beispiel hochaufgelöste topographische Karten mit eingezeichneter Route online erhältlich. Ich habe sie nicht verwendet, da ich die Wegfindung als wichtigen Teil dieser Unternehmung ansehe, aber sie können ganz sicher sehr viel Arbeit ersparen.

Für die folgenden Berichte meiner Begehung der Sierra High Route habe ich mich bemüht, einerseits meine Erfahrungen zu beschreiben ohne andererseits zu viele Details zur Begehung preiszugeben. Diese Tour soll ein Abenteuer bleiben, eine Route, die nur von denen begangen wird, die bereit sind, sich darauf einzulassen und entsprechenden Aufwand zu treiben.

Nachdem ich also mein wilderness permit entgegengenommen hatte, verabschiedete ich mich von Kevin, packte meinen Rucksack aus seinem Jeep und begann mein Abenteuer.

Kevins Jeep, mein Rucksack und ich

Kevins Jeep, mein Rucksack und ich

Zum ersten Teil des Tourenberichts.


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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