Bergtour in den Berchtesgadener Alpen am 28.06.2020

Watzmannüberschreitung. Früher für mich ein Ehrfurcht gebietendes Ziel, später dann weniger spannend als Anderes. Und doch immer irgendwie im Hinterkopf. Irgendwann müsste man vielleicht doch mal. Und letzten Sonntag war es dann soweit – eher aus Verlegenheit. Aber lang, schön und eindrucksvoll war die Tour trotzdem.

Eigentlich wollten Boris und ich an dem Tag eine längere Klettertour durchführen. Doch schien uns die Wettervorhersage dafür mit eventuell starken Gewittern im Laufe des Nachmittags zu unsicher. Also wählten wir eine Ausweichtour, bei der wir nur überschaubar lang exponiert sein würden und die wir beide schon länger mal machen wollten: Die Watzmannüberschreitung*.

Da es sich um eine lange Tour handelt, war frühes Aufstehen angesagt. Und so starteten Boris und ich schon morgens kurz vor fünf an der Wimbachbrücke zu dieser Unternehmung. Auch einige andere Autos leerten sich gerade. Zwei Mädels gingen gerade los und ein paar sehr nach Speedfreaks aussehende Damen und Herren machten sich startklar.

Los ging es bei herrlichem Wetter. Im Tal hielt sich noch ein wenig Nebel und im Osten zogen die letzten Wolken der aufgehenden Sonne entgegen. Während wir uns bald in einen guten Rhythmus liefen – darauf achtend, nicht zu schnell zu gehen, schließlich würde es lang werden – überholten uns bald die Speedfreaks. Vier einzelne Herren und eine Dame zogen in einem Tempo an uns vorbei, dass uns die Ohren schlackerten. Der letzte davon sogar im Laufschritt. Nur zwei der fünf kamen uns später wieder entgegen, die Anderen machten wohl auch die Überschreitung (oder saßen im Watzmannhaus beim Frühshoppen, während wir vorbei gingen – wer weiß?).

Ob unsere Überholer vom jüngsten Wettrennen um die Überschreitungs-Bestzeit inspiriert waren? Auf jeden Fall war ein positiver Nebeneffekt von Toni Palzers irrem Rekordlauf, dass wir über die aktuellen Verhältnisse am Watzmann in der Zeitung gelesen hatten. Und uns daher guten Gewissens für Zustiegs- statt Bergschuhe entschieden.

So wanderten wir – für unsere Verhältnisse zügig – richtung Watzmannhaus. An der Falzalm (1645m) bewunderten wir den von hier aus herrlich spitzen Kleinen Watzmann, dann wandten wir uns dem Schlusshang zum Watzmannhaus (1930m) zu. 2h10 hatten wir bis hierher gebraucht. Ganz gut für rund 1200 Höhenmeter. Wir machten hier kurz Pause und gönnten uns einen Riegel, dann wandten wir uns dem ersten der drei Watzmann-Gipfel zu.

Der Weg zum Hocheck zieht sich länger dahin, als es vom Watzmannhaus aus zunächst den Anschein hat. Gleichzeitig wird die Aussicht immer besser, was definitiv entschädigt. Im Westen beeindruckte vor allem der Hochkalter, im Osten reichte die Sicht bis zum Dachstein. Und im Norden war das Haus selbst, das hoch über dem Tal auf einer Schulter thront, der größte Blickfang.

Schließlich, nach 3,5h erreichten wir das 2651m hohe Hocheck. Super, damit hatten wir ja schon mal den Großteil der Höhenmeter hinter uns. Wir fühlten uns immer noch gut, gleichzeitig brauchten wir dringend was zu Essen. Also noch mal Pause.

Hier oben war erstaunlich viel los und auf den Gipfelfelsen herrschte reges Treiben. Einige Gruppen, die hier auch pausiert hatten, brachen gerade wieder auf. Ein paar davon waren sehr langsam und wir waren etwas verwundert, dass sie angesichts der vorhergesagten Gewitter am Nachmittag so entspannt unterwegs waren. Aber sie sollten recht behalten, denn das Wetter blieb bis abends stabil.

Nach der Pause gingen wir die Gratüberschreitung an. Und nun waren wir dran mit Überholen. Wir verzichteten darauf, uns an den Stahlseilen zu sichern, schien uns das Gelände doch durchgängig noch in Komfort-Bereich zu liegen. Zum Glück gab es immer wieder Gelegenheiten, Andere zu überholen, trotzdem mussten wir zwischendurch auch anstehen.

Die 2713m hohe Mittelspitze – höchster Punkt am Watzmann – war schnell erreicht, danach folgte der längere Teil des Grates. Schwer ist dieser nicht, eher I als II, nur ziemlich speckig. Und vor Allem landschaftlich einfach toll. Die umfassende Fernsicht, die Tiefblicke auf Köngsee und Wimbachtal, der geschwungene Grat. Alles in allem ziemlich einmalig.

Halb elf erreichten wir dann die Südspitze (2712m). Etwas über anderthalb Stunden hatten wir am Grat gebraucht und konnten uns nun in die Sonne setzen und die wunderbare Aussicht genießen. Im Süden lagen die Hohen Tauern ausgebreitet vor uns: Großes Wiesbachhorn, Großglockner, Großvenediger. Ihre Firn- und Eisflanken glänzten in der Sonne. Davor das Steinerne Meer mit dem breiten Klotz des Großen Hundstod.

Fast eine Dreiviertelstunde saßen wir hier, genossen die Aussicht und unterhielten uns mit einem Mit-Überschreiter übers Klettern rund um Heidelberg. Einfach schön.

Dann wurde es Zeit, den Abstieg anzugehen. Über den liest man ja allerlei Garstiges. Wir fanden ihn gutmütiger als erwartet. Ein paar Ier-Stellen, ein bisschen Weg mit Rollsplit und unten seltsame Sandrinnen. Aber lang ist er dann doch und wir waren schließlich froh, das flache Gelände des Wimbachtals zu erreichen. Nun hatten wir den anspruchsvollen Teil geschafft.

Das Wimbachtal ist dann noch mal ein landschaftliches Highlight. Mit den steilen Felswänden ring herum, dem dichten Bergwald und dem gewaltigen Schuttstrom des Wimbachgries sehr eindrucksvoll. Ja, der Hatsch zurück zur Wimbachbrücke ist lang, aber auch sehr schön.

An der Wimbachgrieshütte machten wir noch mal Pause. Wießbier, Leberkas und Kaspressknödel lockten. Frisch gestärkt gingen wir die letzten acht Kilometer an. Zwischendurch hielten wir noch mal an, um die strapazierten Beine in den eiskalten Wimbach zu halten. Und zehn vor vier waren wieder am Auto. Elf Stunden hatten wir alles in allem gebraucht. Genau mittendrin zwischen den Schnellen und den Langsamen.

Daten zur Tour

  • Watzmann (2713m), Überschreitung
  • Schwierigkeit T5, I, A
  • 2300 Höhenmeter

*Die Watzmannüberschreitung bei nicht ganz sicherem Wetter angehen sollte man nur, wenn man am Grat und beim Abstieg von der Südspitze sehr sicher und zügig unterwegs ist. Nur dann geht es auf, am Hocheck abzuschätzen, ob das Wetter lang genug halten wird. Und man sollte natürlich bereit sein, im Zweifelsfall abzubrechen, denn ein Gewitter am Grat ist eher nicht so lustig.


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

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