Kürzlich habe ich einen Artikel darüber geschrieben, wie der Klimawandel dazu beiträgt, die Gefahr von Felsstürzen zu erhöhen. Dies nehme ich zum Anlass, auch die allgemein Situation kurz darzustellen, die vielleicht nicht jedem meiner Leser umfassend klar ist. Schließlich sind die Nachrichten dazu teilweise verwirrend.
Klimawandel und Treibhausgase – die globale Sicht
Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme. Stand 2022 hat das Jahresmittel der globalen bodennahen Lufttemperatur einen Wert von 1,2°C über dem vorindustriellen Wert erreicht. 2023 stellt sogar einen neuen Rekord dar und ist sehr wahrscheinlich das wärmste Jahr auf der Erde seit 125 000 Jahren.
Die CO2-Konzentration hat einen Wert von 417 ppm (parts per million, also CO2-Moleküle pro 1 Million Gasmoleküle in der Atmosphäre) erreicht; der vorindustrielle Wert liegt hier bei etwa 280 ppm. Auch die Konzentration anderer Treibhausgase wie Methan (CH4) und Lachgas (N2O) hat zugenommen.
Dabei trägt CO2 etwa zwei Drittel zur globalen Erwärmung bei und alle anderen Treibhausgase zusammen ein Drittel (siehe dazu auch die Auswertung des Umweltbundesamtes). Um den jeweils unterschiedlich starken Beitrag der einzelnen Treibhausgase zur globalen Erwärmung zu berücksichtigen und gleichzeitig übersichtlich darzustellen, wird ihre Konzentration auch in CO2-Äquivalenten angegeben. Alle Treibhausgase zusammen haben eine CO2-Äquivalenzkonzentration von 508 ppm. Für das Einhalten den 2°C-Zieles muss diese Konzentration im Laufe des Jahrhunderts bei ca. 450 ppm stabilisiert werden und darf nicht zu lange über diesem Wert liegen.
Die durch die zusätzlichen Treibhausgase veränderte Strahlungsbilanz der Erde führt zu einem Heizeffekt von 2W pro Quadratmeter Erdoberfläche oder insgesamt 1 Petawatt. Das entspricht etwa dem 50fachen der Gesamtleistung durch Energieerzeugung der gesamten Menschheit. Es geht also um sehr viel zusätzliche Energie auf der Erde. Von den 2 W/m2 landen ca. 0,6 W/m2 in den Ozeanen, die sich ebenfalls erwärmen, der Rest in der Atmosphäre.
Regionale Effekte
Die Erwärmung der Erde verläuft nicht überall gleich, sondern regional sehr unterschiedlich, was an den komplexen Einflüssen von Meeresströmungen, Windsystemen, Geographie und Vegetation liegt. Dazu kommen zwei einfache Effekte, die ebenfalls zu regionalen Unterschieden führen.
Erstens erwärmt sich die Luft über Landflächen stärker als über dem Meer. Zweitens erwärmt sich die Arktis schneller als der Rest der Erde. Diese polare Verstärkung wird durch die positiven Rückkopplung beim Schmelzen von Meereis verursacht. Eisbedeckter Ozean reflektiert einen Großteil der Sonnenstrahlung zurück ins Weltall. Schmilzt das Eis hingegen und trifft die Sonnenstrahlung direkt auf den Ozean, wird ein Großteil der Strahlung absorbiert. Die Erwärmung verstärkt sich also selbst.
Es gibt sogar noch einen zweiten verstärkenden Effekt: Ohne isolierende Eisschicht nimmt das Meer im Sommer auch mehr Wärme aus der Luft auf. Und da Wasser eine viel größere Wärmekapazität als Luft hat, dauert es im Herbst deutlich länger, bis das Wasser wieder soweit abgekühlt ist, dass sich Eis bilden kann. Die Mächtigkeit des Eises, die sich über den Winter bildet, sinkt und taut daher im Frühjahr schneller ab. Somit wird das Wasser im nächsten Sommer noch länger Sonne und warmer Luft ausgesetzt.
Aus diesen Gründen hat sich die Arktis etwa doppelt so stark erwärmt wie der Rest des Planeten. Die Auswirkungen davon betreffen auch uns in Europa direkt. Der Temperaturunterschied zwischen Arktis und Subtropen treibt den Westwind an, der in unseren Breiten vorherrscht (siehe Ferrel-Zelle). Dadurch, dass sich die Arktis stärker erwärmt als die Subtropen, nimmt dieser Temperaturunterschied ab. Das wiederum führt zu einer Abnahme der Winde; genauer gesagt nimmt die Geschwindigkeit ab, mit der die Polarfront um die Erde zieht. Dadurch kommt es häufiger zu stationären Wetterlagen, in den es entweder lange trocken ist oder lange am Stück zu Niederschlägen kommt. Das ist eine spürbare Veränderung zu dem bis vor einigen Jahren typischen Muster, dass sich das Wetter etwa alle fünf Tage ändert.
Die Folge dieser Veränderung der Wettermuster ist eine Zunahme an Extremwetter-Ereignissen in den mittleren Breiten. Extreme Trockenheit und Waldbrände (dieses Jahr z.B. in Kanada, Spanien und Griechenland) haben ebenso zugenommen wie Überschwemmungsereignisse (z.B. in Italien und Österreich).
Abschätzung der weiteren Entwicklung
Eine Abschätzung von 2021 kommt zu dem Schluss, das die derzeit verfolgten Maßnahmen zur Begrenzung des menschengemachten Klimawandels zu einer Erwärmung von ca. 3°C führen werden. Bei einem Stop der bisherigen Maßnahmen wird die Erwärmung auf 4-5°C geschätzt. Als Obergrenze für Veränderungen, deren Auswirkungen für die Menschheit noch einigermaßen bewältigbar wären, gelten 1,5 – 2°C. Die Einhaltung dieser Ziele erfordert erhebliche zusätzliche Klimaschutzanstrengungen und eine weitgehende Dekarbonisierung unserer Lebensweise.
Wie groß sind diese notwendigen Anstrengungen genau? Eine Möglichkeit, diese zu beschreiben, ist die Abschätzung, wie viel CO2 wir insgesamt noch emittieren dürfen, bevor wir ein Temperaturziel überschreiten. Für 1,5°C liegt der Mittelwert der Schätzungen bei 60 Milliarden Tonnen CO2, was etwa 10 Jahren auf dem heutigen Emissionsniveau entspricht. Allerdings gehen die einzelnen Schätzungen für diesen Wert weit auseinander.*
Wie wir oben gesehen haben, liegt die gesamte Treibhausgaskonzentration in CO2-Äquivalenten bereits heute über dem Wert, den wir einhalten müssen. Dabei beträgt die mittlere Verweildauer von CO2-Molekülen in der Atmosphäre 120 Jahre. Die Emissionsreduktion muss also rechtzeitig erfolgen. Andere Treibhausgase wie Methan werden zwar in der Atmosphäre schneller abgebaut als CO2, dafür ist es auch schwieriger, ihre Emission zu reduzieren.
Verstärkende Mechanismen im System
Bislang erfolgt die globale Erwärmung proportional zur Erhöhung der Treibhausgas-Konzentration. Es gibt aber verschiedene Mechanismen, die durch positive Rückkopplungen zu einer überproportionalen Erwärmung führen können, sogenannte Kippelemente. Eine dieser Rückkopplungen haben wir bereits kennengelernt: das Abschmelzen des arktisches Meereises.
Es gibt eine Reihe weiterer dieser positiven Rückkoppelungsmechanismen, von denen hier zwei erwähnt werden sollen. Der erste ist die Freisetzung von Treibhausgasen aus Permafrostböden. Permafrost beherbergt Kohlenstoff zum einen in Form nicht verrotteter Biomasse (im Frost können Bakterien nicht „arbeiten“) sowie regional in Form von Methanhydrat. Sobald der Boden taut, taut auch das Methanhydrat; außerdem fangen Bakterien an, die Biomasse zu zersetzen. Beides setzt Methan bzw. CO2 frei und dies trägt wiederum zur weiteren Erwärmung bei.
Eine andere positive Rückkopplung ist der Rückgang der Produktivität der Biospähre. Durch Hitze und Dürren betreiben Pflanzen weniger Photosynthese und binden daher auch weniger Kohlenstoff. Im schlimmsten Fall sterben die Pflanzen sogar ab und setzen kurzzeitig CO2 frei anstatt es zu binden. Besonders schnell erfolgt dieser Prozess bei Wald- und Buschbränden.
Beide Rückkopplungsmechanismen haben bereits begonnen. Die Vorhersage, ab welcher Erwärmung sie so stark werden, dass ihre Effekte zu einer deutlich überproportionalen Erwärmung führen und weitere Verstärkungsmechanismen in Gang setzen, ist schwierig. Bei 1,5°C Grad globaler Erwärmung sind diese Effekte sehr wahrscheinlich noch nicht unumkehrbar, bei 2°C dagegen ist das bereits sehr unsicher.
Schwer vorhersagbare Rückkopplungen
Eine genaue Prognose ist dabei schwierig, weil die Zusammenhänge komplex sind. Es gibt durchaus auch negative Rückkopplungen. Zum Beispiel nimmt bei Verschwinden von Permafrost und Eisbedeckung die Verwitterung von Gesteinen zu, was CO2 aus der Atmosphäre bindet. Insgesamt jedoch überwiegen die positiven Rückkopplungsmechanismen deutlich. Das wird auch durch die Erforschung früherer Erwärmungsereignisse in der Erdgeschichte bestätigt.
Genau ab welcher menschengemachten Erwärmung positive Rückkopplungen dafür sorgen, dass sie unumkehrbar wird, ist nicht ganz klar. Irgendwo um 2°C wird es sehr wahrscheinlich soweit sein. Und sollte es dazu kommen, würde sich das Erdklima weiter erwärmen, bis es einen neuen Gleichgewichtszustand erreicht. Dieser könnte zum Beispiel dem der letzten Warmzeit vor etwa 20 Millionen Jahren entsprechen, als die globale Durchschnittstemperatur ca. 8°C höher lag als heute.
Welche Auswirkungen die Erwärmung auf Wetter, Ökosysteme und den Menschen haben wird, beschreibe ich in Kürze im dritten und letzten Artikel der Serie.
Quellen: Wikipedia; Umweltbundesamt; Spiegel Online; Tagesschau; Andrew Goudie: „Physische Geographie“, Spektrum-Verlag
*Da einiger der Schätzungen deutlich niedriger liegen, halte ich den aktuellen politischen Konsens, wonach wir uns mit zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen problemlos einige Jahre Zeit lassen können, für sehr spekulativ und auch gefährlich.
2 Kommentare
Rebecca · 4. März 2024 um 6:41 pm
Kurz und knackig und sehr anschaulich erklärt. Man kann wirklich nur den Kopf darüber schütteln, wie viele Menschen noch immer nicht wahrhaben wollen, dass wir an unserem Lebensstil etwas ändern müssen!
LG Rebecca
Hannes · 5. März 2024 um 7:58 pm
Wie im nächsten Artikel kommentiert: Ich wünsche mir sehr, dass wir als Gesellschaft bald endlich darüber diskutieren, wie wir unseren Lebensstil ändern möchten und welche Chancen das auch mit sich bringt.