Im ersten Teil dieses kleinen Exkurses ging es darum, was nach meiner Aufassung eigentlich Abenteuer sind und wie man sich selbst um Abenteuer bringen kann, wenn man nicht aufpasst. Im zweiten Teil möchte ich nun darauf eingehen, wie man Andere um ihr Abenteuer bringen kann. Sowohl durch die bloße Durchführung als auch durch das Berichten davon.

Keine Tour ohne Folgen

Für nachhaltiges Wandern gilt der Satz „Take nothing but pictures, leave nothing but footprints“ (Nimm nichts außer Fotos, hinterlasse nichts außer Fußspuren). Ein guter Leitfaden – doch auch, wenn man sich daran hält, wird man die Natur verändern, in der man unterwegs ist.

Die Fußspuren eines einzelnen Wanderers sind in der Wildnis kaum wiederzufinden. Wenn regelmäßig Menschen unterwegs sind, sieht das schon anders aus. In alpinen Tourenbeschreibungen ist oft von Steigspuren die Rede, denen man folgen kann. Während also ein Einzelner die Wildnis kaum beeinflusst, tun viele Einzelne das durchaus. Aus Fußspuren werden Steigspuren, aus Steigspuren werden Pfade  und so verändert sich der Charakter einer Tour schon erheblich. Im brüchigen Fels wird wohl fast jeder ein wenig Geröll wegfegen oder einen losen Stein entfernen. Und somit wird heikles Bruchgelände durch viele Begehungen deutlich freundlicher. Es ist also eine Illusion, dass unser Tun nicht die Natur und damit auch die Gegebenheiten für unsere Nachfolger beeinflusst.

Da sich dies nicht verhindern lässt, können wir nur darauf achten, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen.  Am besten eben wirklich nur Fußspuren. Insbesondere deutliche Markierungen – sei es durch offensichtliche Steigspuren, Farbmarkierungen oder Steinmänner – verändern den Charakter einer Route erheblich und nehmen ihr viel von ihrem Anspruch und ihrer Abenteuerlichkeit. Wer also in weglosem Gelände unterwegs ist, sollte darauf achten, es genau so weglos zu hinterlassen.

So viel zu den Fußspuren. Nun zu den Fotos. Fotografieren beeinflust die Umgebung erst einmal überhaupt nicht. Aber das Zeigen von Fotos kann dazu führen, dass auch Andere den gezeigten Ort besuchen möchten. Gleichzeitig haben sie dann schon eine Vorstellung davon, was sie erwartet. Allgemeiner gesagt, die Verbreitung von Infos und Berichten zu Routen macht diese einfacher zugänglich und einfacher planbar, mindert also ebenfalls das Abenteuer. Hinzu kommt, dass mit steigender Bekanntheit mehr Menschen eine Tour gehen werden und damit auch mehr Spuren hinterlassen.

Zwischen Inspiration und Erschließen

Konsequenterweise sollte man also eigentlich gar nicht von Touren berichten, die nicht ohnehin schon überlaufen oder in diversen anderen Online-Berichten oder Führerwerken beschrieben sind. Warum schreibe ich trotzdem Tourenberichte? Tatsächlich sind die meisten hier veröffentlichten Touren bereits anderswo beschrieben. Gleichzeitig habe ich selbst auch schon vielfach von Tourenbeschreibungen profitiert, ohne die ich auf manche Idee nie gekommen wäre. Davon möchte ich gerne einen Teil an Andere zurück- bzw. weitergeben. Schließlich bemühe ich mich darum, nicht zu viel zu verraten, den Charakter einer Unternehmung zwar dem subjektiven Erleben nach wiederzugeben, ohne aber eigene Beurteilung, Wegsuche etc. überflüssig zu machen.

Trotzdem – es bleibt ein Rest Inkonsequenz, einfach deswegen, weil mir das Schreiben Freude macht. Nur bei wenigen Unternehmungen entscheide ich mich dafür, tatsächlich keinen Bericht zu schreiben und die entsprechende Tour geheim zu halten. Meine Hoffnung ist, dass der Nutzen dieses Blogs den Schaden überwiegt. Dass also eher durch Inspiration für Andere Erlebnis gemehrt als durch Verringerung der Ungewissheit Erlebnis gemindert wird. Klar ist, wir – damit meine ich alle, die gerne abseits der ausgetretenen Pfade unterwegs sind – müssen aufpassen, dass wir nicht durch viele Unternehmungen und detaillierte Berichte davon den Raum für Abenteuer immer mehr einengen. Dass wir nicht so viel erschließen und beschreiben, dass nichts Unbekanntes mehr übrig bleibt.

Kategorien: Berggedanken

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

6 Kommentare

Mark · 22. Februar 2015 um 7:45 pm

Meiner Einschätzung nach neigt man meistens dazu die Wirkung von (Sommer- und Herbst-)Berichten zu überschätzen. Bei vielen Touren, die selten begangen werden, gibt es gute Gründe dafür (lange, mühsame Zustiege, brüchige Schrofen etc.). Mit schön bebilderten Berichten derartiger Touren wird man hauptsächlich Bergsteiger anlocken, die ohnehin einsame Touren lieben. Vielleicht entscheiden sich ein paar nun statt auf den Vorderen Gruselkogel auf die Hintere Bruchspitze zu steigen, aber einen großen Nettozuwachs an Tourengängern in einsamen Gelände wird es nicht geben.
Bei Skitouren schätze ich die Situation grundsätzlich anders ein. Da gibt es genug Beispiele, wie aus relative ruhigen Touren Massenaufläufe geworden sind.

    Hannes · 22. Februar 2015 um 8:57 pm

    Servus Mark,

    da hast Du wahrscheinlich recht. Es ist auch genau meine Hoffnung, dass mit Berichten von einsamen Sommertouren vor allem Bergsteiger inspiriert werden, die so etwas ohnehin mögen. Die wenigen Touren, die ich bislang nicht veröffentlich habe, waren auch entweder Skitouren oder einsame und ausnahmsweise nicht mühsame Sommertouren.

    Grüße
    Hannes

Jan · 11. November 2024 um 11:17 am

Hey Hannes,

ich entarte gerade echt ein wenig zur Dauer-Wühlmaus auf deinem Blog! 😉

Vielen Dank für’s Teilen und teilhaben lassen. Ich finde es sehr spannend, dass du bereits vor fast 10 Jahren Themen reflektiert hast, die bei mir aktuell erst hochkochen und die ich 2015 & gefühlt vor dem ganz großen Outdoor-, Tourenportal und Instaboom noch nicht erwartet hätte. Mich würde brennend interessieren: Hat sich seitdem etwas für dich geändert? Würdest du das Thema inzwischen – massig Touren und Entwicklungen mehr im Gepäck – anders behandeln?

Ich klemme inzwischen ein wenig unverhofft in einem ähnlichen Dilemma. Den meisten Spaß habe ich an exotischen Touren – und der Dokumentation dieser. Auch sind es für mich die kleinen und teils spartanischen Blogs, die man sich mühsam zusammensuchen muss, welche mir allergrößte Inspiration, Mehrwert und teils auch Sicherheit geben. Und wenn man schon die Infrastruktur (in Form einer kleinen Seite) und die Freude am Niederschreiben hat, wäre es ja schade, Nichts in diesen Pool zurückzugeben. Nur wo die Grenze ziehen. Ich zerbreche mir akut den Kopf, wie ich mit einer möglichen, Miniatur-Erstbegehung im Schatten eines maximal prominenten Berges umgehen soll. Die Linie ist offensichtlich und wird Vielen täglich ins Auge stechen. Sie ist einfach. Sie ist Abenteuer. Sie ist aber auch absurd gefährlich und hat mich einen Strang meiner Zwillingsseile gekostet. Hätte ich die Information, die ich mir nun (zum Glück nur) kostenintensiv selbst besorgen musste vorher gehabt, wäre ich hier vielleicht nicht eingestiegen. Ich wäre aber auch einen sehr intensiven und interessanten Bergtag ärmer. Auf jeden Fall gab es viel zu lernen – viel mehr als bei der drölften Wiederholung von Modetour X im Wetterstein und entsprechend ergiebig wäre auch ein Festhalten des Erlebten.

Grübelnde Grüße aus GAPA,
Jan

    Hannes · 11. November 2024 um 12:17 pm

    Hallo Jan,
    freut mich sehr, dass Du hier so viel Lesestoff findest. 😉

    Dann versuche ich mich mal an einer Antwort. Zunächst ganz Allgemein: Die Frage, was und wie ich hier veröffentlichen soll, beschäftigt mich immer wieder. Ich kann nicht behaupten, schon den perfekten Weg gefunden zu haben. Dieses Jahr habe ich auch schon einen Bericht mit leichten Bauchschmerzen veröffentlicht. Aktuell mache ich es so:
    – Bewusstes Weglassen von Informationen. Ich veröffentliche keine GPS-Tracks und beschreibe das Auffinden des richtigen Steiges oder der richtigen Route teilweise absichtlich ungenau oder auch gar nicht.So können auch Nachfolger hoffentlich noch ein wenig Abenteuer erleben.
    – Manche Wanderungen und Skitouren halte ich zurück. IIer-Klettereien mache nicht so viele, Wanderungen auf einsamen Steigen und Skitouren jedoch schon. Siehe dazu auch den Kommentar von Mark, der meiner Meinung nach im Großen und Ganzen immer noch stimmt.

    Über weitere Anregungen, wie man Inspirieren und Abenteuer erhalten abwägen kann, freue ich mich.

    Spannend finde ich bei Deinen Grübeleien den Aspekt der Sicherheit. Den Fall, dass ich bei einer Tour Zweifel hatte, ob sie zu gefährlich sei, um sie öffentlich zu beschreiben, hatte ich bislang zwei Mal. Bei einem Mal (aus dem Tal offensichtliche Route, online beschrieben, aber nur auffindbar, wenn man danach sucht) habe ich versucht, den Blogbericht so zu schreiben, dass er von einer Nachahmung abrät. Den zweiten (Tour weder bekannt noch offensichtlich, Abstieg überraschend leicht, online kaum Informationen) habe ich tatsächlich nicht veröffentlicht.

    Vielleicht helfen Dir diese Gedanken bei Deiner Entscheidung. Ich bin gespannt, wie sie ausgehen wird. In jedem Fall wünsche ich Dir weiterhin viele schöne und unfallfreie Bergtage.

    Schöne Grüße aus München
    Hannes

      Jan · 20. November 2024 um 1:04 pm

      Hey Hannes,

      danke für die Rückmeldung und deine Gedanken! Total spannend mal mitzubekommen, wie du damit umgehst 🙂

      Das bewusste Weglassen von Informationen kriege ich nur selten gut umgesetzt – dafür ist mir der Kontext zu wichtig, der den Leser hoffentlich befähigt sich ein umfassendes Bild zu machen. Ich glaube da insgeheim ein bisschen an die Eigenverantwortung des Einzelnen – möchte aber ungern das Ruder in die Hand nehmen und direkt in meine Darstellungen schon eine Ebene der Unschärfe einbauen. Ich schätze die kommt ganz von selbst durch unterschiedliche Wahrnehmung, wechselnde Bedingungen und Bergwelten im Wandel. Wenn wir mit dem weltbesten, laminierten Topo losziehen sagt das ja auch noch nichts über Charakter, Gelingen oder Abenteuer einer Tour aus. Entsprechend massiv und träge kommen meine Beiträge aber auch daher – mit Monaten bis Jahren Rückstau.

      Auf jeden Fall war mir der Austausch eine große Hilfe! Vielen Dank dafür. In dem konkreten Fall werde ich wahrscheinlich die Tour zamschreiben, im kleinste Kreis meines Newsletters verteilen und per Suche auffindbar machen – das setzt aber voraus, dass man sehr spezifisch nach genau diesem Stück Fels recherchiert. Im Blog wird der Post hingegen nicht direkt auffindbar sein. Ich denke das ist eine gute Mitte aus „Information teilen“ ohne Inspiration zu schaffen, wo es keine geben sollte. Um regelmäßige Neubewertungen kommt man dann wahrscheinlich eh nicht herum 😉

      Dir ebenfalls schöne Bergzeit & einen guten Start in den (noch zaghaften) Winter!

      LG aus GAP

        Hannes · 24. November 2024 um 1:17 pm

        Servus Jan,

        freut mich, dass Du für Dich eine passende Lösung gefunden hast. Ich schreibe auch immer mal wieder Berichte, die nicht öffentlich zugänglich sind.

        Spannend, wie jeder unterschiedlich mit dem „Dilemma des schreibenden Abenteurers“ umgeht. Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Der Hauptgrund, warum meine Berichte weniger detailliert sind als Deine, ist natürlich nicht, dass ich Infos zurückhalten will. Sondern einfach, dass ich einen anderen Stil habe. Und ehrlich gesagt auch, dass ich mich meistens nicht so detailliert erinnere wie Du.

        Dann Dir einen schönen Bergwinter und schöne Grüße
        Hannes

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