Hochtour in den Glarner Alpen am 07.-08.09. 2012
Nach unserem Traumtag am Balmhorn stand das letzte Ziel unserer Hochtourenwoche auf dem Programm: Der Bifertenstock in den Glarner Alpen. Über Brünig- und Klausenpass fuhren wir zum Urner Boden, wo sich die Rindsviecher auch durch eine Sportwagenrallye (wir hatten noch nie viele Ferraris an einem Tag gesehen) nicht davon abhalten ließen, gemütlich über die oder gleich auf der Straße zu gehen, was immer wieder zu erheiternden Szenen führte.
Am frühen Nachmittag erreichten wir schließlich Tierfehd, im Gegensatz zu unserer Erwartung kein Ort, sondern gewissermaßen Basislager für eine gigantische Baustelle. Oberhalb wird für 2 Milliarden Franken das Pumpspeicherwerk Mutssee-Limmern ausgebaut. Neben der gigantischen Bauseilbahn gibt es hier auch eine Personenseilbahn, die Bauarbeiter und Wanderer in beeindruckend direkter Manier zum 1000m höher gelegenen Kalktrittli (1860 m) bringt – hier kann es dann richtig losgehen.
Erstes Ziel an diesem heißen Nachmittag ist die Muttseehütte (2501 m), deren Lage durch die Großbaustelle einiges an Schönheit eingebüßt hat. Dafür steigt die Energiesicherheit in der Schweiz… Anschließend geht es zur unbewirtschafteten Kistenpasshütte, die beeindruckend über dem Limmernsee trohnt, und weiter zum Kistenpass (2640 m), von dem aus man unser heutiges Tagesziel, die Bifertenhütte, bereits sehen kann.
Nach den klassischen U-Tälern der Berner Alpen beeindruckte uns die Weite der Landschaft in diesem Tal der Glarner Alpen, während wir über die von der tiefstehenden Sonne in warmes Licht getauchte Hochfläche wanderten. Gegen 17:00 Uhr erreichten wir die Hütte (2482 m), die zu den kleinsten bewarteten und gemütlichsten zählt, die ich bislang kennengelernt habe. Ein buntes Windrad drehte sich lustig, daneben war die wahrscheinlich pinkeste Vogelscheuche Mitteleuropas zu bewundern und im Windschatten der Hauswand gackerten drei Hühner umher – Hüttenhunde hatte ich schon ein paar Mal getroffen, -katzen ebenso – aber Hüttenhühner? Das war neu. Drinnen hatte Hüttenwartin Moni einen Zettel hinterlassen, sie sei bei den Steinböcken und kehre bald zurück. Auf dem Tisch standen einige Getränke und frisch gebackener Kuchen, so dass wir es uns auch ohne sie schon einmal gut gehen lassen konnten.
Abends gab es dann natürlich noch etwas richtiges zu essen, Moni erzählte vom Hüttenleben, wie schön es hier sei, nur der ständige Wind sei auf Dauer etwas anstrengend. Ihre Fotoalben zeugten von der Schönheit der Umgebung, dem fotografischen Talent der Autorin und der erstaunlichen Zutraulichkeit der örtlichen Steinböcke. Und nebenbei erfuhren wir, dass man von der Bündner Seite viel schneller und weniger mühsam aufsteigen kann als von Tierfehd aus…
Samstag früh – auch an unserem letzten Tourentag traten wir um 05:00 Uhr aus der Hütte und wanderten, immer wieder zum hell funkelnden Sternenhimmel emporblickend, in Richtung Bifertenstock. Der Weg führt zunächst flach über den breiten Rücken zwischen Kistenstöckli und „Bifistock“, dann steiler den Ostgrat des Berges hinauf. Auf ca. 3000 m gelangt man dann über eine Querung in die Südflanke auf den beeindruckenden Bänderweg: Zwischen zwei Kalkschichten, die steile Felswände bilden, führt eine Schieferschicht als schottriges Band durch zwei riesige, von Gletschern geformte Kessel.
Wir hatten uns den Bänderweg zuvor schon auf Fotos angesehen, aber die Wirklichkeit übertraf dann doch unsere Erwartungen; die Kessel, die glatten Wände, das schmale Band sorgten für eine atemberaubende Szenerie und auch für latentes Unwohlsein. Selten bin ich etwas so Ausgesetztes gegangen. Eigentlich war das Gehen nicht schwierig aber die ständige Präsenz des Abgrundes, der Mangel an Haltepunkten im losen Schotter und vielleicht auch der Blick auf die gleichmäßigen Wände des Kessels zehrten an unseren Nerven. Etwa in der Mitte des zweiten Bandes hatten wir dann genug. Wir hatten beide des Gefühl, dass uns das Weitergehen zu sehr zermürben würde und beschlossen, umzudrehen. Also zurück über den schmalen Schotter und dann abwärts.
Inzwischen stand die Sonne schon hoch am Himmel und es war angenehm warm, während wir durch die Schieferwüste abwärts stapften. Als Trostpreis stiegen wir noch aufs Kistenstöckli und genossen dort unser Gipfelbier. Anschließend ging es zurück zur inzwischen gut gefüllten Hütte. Moni bereitete für uns großartige Röstitaler zu und nach dieser Stärkung machten wir uns an den mit 500 Hm Gegensteigung gar nicht so entspannten Abstieg zum Kalktrittli.
Gegen 16:00 Uhr waren wir am Auto und unsere Hochtourenwoche beendet. Schön war’s, spannend und erlebnisreich. Zwei tolle Gipfel hatten wir bestiegen, zwei weitere versucht und zum Bifertenstock werde ich bestimmt noch einmal zurückkehren. Aber jetzt hieß es erst mal raus aus den stinkenden Klamotten, heimfahren, duschen, schlafen…
Fakten zur Tour
- Bifertenstock (3421m), Normalweg (Bänderweg)
- Schwierigkeit: PD, I-II
- 950 Hm ab Bifertenhütte
- Erstbesteigung am 07.09.1863 durch Abraham Roth, Georg Sand, Johann August Raillard-Stähelin mit Heinrich Elmer, Christian Vordermann, Jakob Stüssi
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