Bergtour im Karwendel am 30.09.2017
Nachdem der erste Schnee südseitig so gut wie verschwunden ist, wollte ich das schöne Herbstwetter für eine Gratkraxelei im Karwendel nutzen, schließlich war die letzte – auf den Risser Falk – schon wieder über ein Jahr her. Dieses Mal suchte ich mir die Überschreitung vom Kuhkopf zur Grabenkarspitze aus, eine bekannte, beliebte und viel begangene Tour. Kleiner Scherz. Tatsächlich erhält diese Tour nur eine Hand voll Begehungen pro Jahr und wird in Kombination mit meiner Zustiegsvariante kaum jährlich durchgeführt.
Viertel nach acht schwang ich mich am Parkplatz im Rißtal aufs Radl und fuhr zunächst an der Mautstation vorbei die Teerstraße entlang. Dann nahm ich den Abzweig ins Johannestal, wo ich dann auch bald ordentlich in die Pedale treten musste. Insgesamt sind es doch fast 500 Hm, die bis zum Kleinen Ahornboden (1399m) zu bewältigen sind, was über eine Stunde in Anspruch nahm.
Die namensgebenden Bergahorne zeigten sich bereits im Herbstkleid mit intensiv gelben Blättern. Auch auf den umliegenden Hängen hatten sich Ahorn und andere Laubbäume bereits gelb bis rot gefärbt. Zusammen mit den dunklen Wänden der Hauptkettengipfel und dem Restschnee ergab sich ein sehr stimmungsvoller Farbkontrast.
Wie passend auch, dass hier am kleinen Ahornboden ein Denkmal zu Ehren des großen Herrmann von Barth errichtet wurde, wurden doch alle drei meiner heutigen Gipfelziele von ihm erstbestiegen. So stellte ich also mein Fahrrad ab und wanderte zu Fuß weiter richtung Karwendelhaus, dabei Ausschau haltend nach einem Abzweig zum Filzboden. Mehr durch Zufall fand ich diesen auch tatsächlich und fand mich kurz darauf auf einem wunderschön angelegten Jagdsteig wieder, der in den Filzwald hineinzog. Leider war dieses Vergnügen nur von kurzer Dauer, den der Steig verlor sich bald. So stieg ich dann weglos, bald Gamswechseln folgend, bald Lichtungen nutzend weiter.
Schließlich erreichte ich bei ca. 1750m den Filzboden und konnte nun erstmalig mein Gipfelziel samt dessen Südostgrat, den ich begehen wollte, in Augenschein nehmen. Zwischen mir und diesem Grat lag jedoch noch ein ausgedehntes Latschenfeld. Da ich keinen sinnvollen Durchschlupf fand, umging ich es nach Westen zu und querte anschließend ostwärts zurück zum Gratansatz. Von oben betrachtet wäre es direkt ostwärts bequemer gegangen, wo man zwischen den Latschen und den Abbrüchen der Filzwand ein Grasband vorfindet.
Nun ja, Hauptsache am Grat! Dieser wird anscheinend wirklich selten begangen, denn Steinnmänchen oder andere Arten der Markierung sind hier Fehlanzeige. Auch eindeutige Steigspuren waren eher selten. So war also Intuition gefragt bei der Frage, welche Grattürmchen ich überschreiten und welche ich südseitig umgehen würde. Insgesamt klappte das ganz gut, aber ich lag doch auch immer mal wieder daneben, was mir einige Extrahöhenmeter bescherte. Überhaupt sollte man bei dieser Tour Zeit für Wegsuche einplanen, denn beim Rest der Überschreitung wird es nur wenig besser.
Trotz einer gewissen Mühsamkeit war die Kraxelei am Grat (bis II) wirklich nett, dazu kamen die Ausblicke auf die beeindruckenden Gestalten von Birkkar- und Kaltwasserkarspitze direkt gegenüber. Während dort der Hauptdolomit dominiert, besteht die Nördliche Karwendelkette hauptsächlich aus Wettersteinkalk, der sich anders klettert und bei schlechter Qualität eher splittrig ist als brüchig. Die Felsqualität nahm am Aufstiegsgrat übrigens von unten nach oben allmählich ab und blieb auch während der restlichen Überschreitung recht wechselhaft. Karwendel eben…
Halb eins hatte ich dann endlich den 2399m hohen Gipfel des Kuhkopfes erreicht, den ein in Kuhfleckenmuster lackierter Fahrradrahmen ziert. Früher war es wohl mal ein komplettes Damenfahrrad, inzwischen also dieses Exponat. Sicherlich gibt es einen guten Grund dafür oder eine interessante Geschichte dahinter, mir ist leider nichts dazu bekannt.
Ich grübelte auch nicht lange, sondern setzte mich ins gelbe Gras und machte Pause. Die Aussicht auf Falkengruppe und Karwendel-Hauptkette genießend packte ich meine mittägliche Brotzeit aus und ruhte mich aus. Der Anstieg bis hierher war doch schon recht anstrengend gewesen und es lag ja auch noch einiges vor mir. Meine nächsten beiden Gipfelziele konnte ich ebenfalls schon erkennen, dahinter erhob sich die mächtige Gestalt der Östlichen Karwendelspitze mit ihrem turmbewehrten Nordgrat.
Nach einer halben Stunde machte ich mich wieder auf und ging gut gestärkt den Weiterweg an. Zunächst ging es über leichtes Grasgelände hinab in die Scharte zwischen Kuhkopf und Lackenkarkopf, dann auf der anderen Seite auf den Steilaufschwung zu, der das Haupthindernis dieser Tour bietet. Dank des hikr-Berichts vom Yeti wusste ich, dass man hier auch direkt durchkommt. Das war dann auch so, nach der wunderschönen Kletterei am Wochenende zuvor, fand ich das kleingriffige Gelände (II) hier allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Aber letztlich kam ich sicher hindurch und freute mich über diesen kleinen Erfolg.
Nach einem kurzen Zwischenabstieg und einer erstaunlich festen Rinne (I-II) folgten nur noch Grashänge bis zum Gipfel (2416m). Herrlich und beeindruckend steil war der Blick hinunter zur Tortalalm und ihren farbigen Laubbäumen. Dem Gipfelbuch konnte ich entnehmen, dass doch immer mal wieder jemand durch diese von oben etwas gruselig aussehende Wand klettert. Hut ab!
Nach einer kurzen Pause machte ich mich an den letzten und meiner Meinung nach insgesamt schönsten Gratabschnitt dieser Überschreitung. Kurze IIer-Stellen wechselten sich mit ausgesetztem Gehgelände ab, dazu eine herrliche Karwendelaussicht und nordseitige Tiefblicke, die für wohliges Gruseln sorgten. Ein wenig erinnerte mich dieser Abschnitt an die Überschreitung von der Vogelkarspitze zum Bäralpl, allerdings waren die Tiefblicke heute noch etwas schauerlicher.
Ich hielt mich zumeist an die Gratkante, musste den markantesten Turm dann aber doch umgehen. Kurz darauf folgte der Schlussanstieg, der noch einmal sehr schöne, leichte Kletterei in brauchbarem Fels direkt am Grat bietet. Und dann – kurz vor 16:00 Uhr stand ich am Endpunkt der Überschreitung, der 2471m hohen Grabenkarspitze. Schön, sehr schön sogar, das geschafft zu haben. Etwas erschöpft war ich schon, waren mit dem Auf und Ab doch fast 2000 Hm zusammengekommen, ca. 1500 davon durch wegloses Gelände. Aber die Mühen hatten sich gelohnt.
Nach einer kurzen Rast machte ich mich dann an den Abstieg über die Südflanke, der auch noch einmal volle Konzentration erfordert. Dabei hielt ich mich zunächst etwas zu weit rechts, musste ein paar Meter zurück und hielt dann auf den wenig ausgeprägten Südgrat zu. Einige kurze Ier-Stellen waren zu bewältigen, meist ging es durch schrofiges Gehgelände. Am kurzen Gratstück traf ich auf die einzigen Steinmännchen des Tages, dann wandte ich mich ostwärts und stieg auf der Lackenkarseite über steile Grasschrofen weiter ab. Nach etwa anderthalb Stunden erreichte ich den Hochalmsattel (1803m) und blickte zufrieden zurück auf die überschrittenen Berge.
Der Rest war nun Formsache: Entspannt über den Wanderweg zurück zum Kleinen Ahornboden, dann mit dem Radl zügig abwärts ins Rißtal. Gegen 19:00 Uhr packte ich dann das Radl wieder ins Auto – etwas müde zwar, aber glücklich nach dieser herrlichen Tour.
Daten zur Tour
- Überschreitung Kuhkopf bis Grabenkarspitze (2471m)
- Schwierigkeit T6, II
- 2000 Höhenmeter
- Alle Gipfel erstbestiegen 1870 durch Herrmann von Barth
2 Kommentare
Donaujo · 14. November 2017 um 7:44 pm
Auf’s geratewohl in den Grat, passender geht’s ja kaum!
Hannes · 15. November 2017 um 7:18 am
🙂 Ich mache das ja ganz gerne so. Vorher schon ganz genau zu wissen, wie es wird, verdirbt nur die Freude am Entdecken.