Skitour in den Zillertaler Alpen am 06.01.2023

Pistenskitouren kenne ich vor allem als wenig spannende Unternehmungen, bei denen die Freude an der Bewegung im Vordergrund steht und weniger großes Erlebnis oder bergsteigerischer Anspruch. Dass es auch anders geht, durfte ich kürzlich erfahren, denn auch der Olperer Nordgrat ist eigentlich eine Pistenskitour.

Mit Leonhard aus meiner angeheirateten Familie wollte ich schon länger mal was unternehmen. Jetzt im Winter würde sich dafür ja eine Skitour anbieten. Also wenn irgendwo genug Schnee läge. Um der aktuell prekären Lage noch eine lohnende Unternehmung abzuringen, schlug Leonhard schließlich vor, aus dem Skigebiet Tuxer Gletscher den Olperer über den Nordgrat zu besteigen. Das hörte sich gut an, wenn auch eher ambitioniert, also los.

Nach dem erwartbaren Stau durchs Zillertal war es dann auch schon zehn Uhr als wir das Auto in der Tiefgarage (!) in Hintertux abstellten. Früh losgehen sieht auch anders aus, aber gut, ist ja nur eine recht kurze Pistentour.

Mit zwei Gondeln fuhren wir bis zum Tuxer Fernerhaus, wo wir dann auf die Ski stiegen und endlich losgingen. Leonhard legte dann auch gleich mal los wie die Feuerwehr. Vielleicht, weil er bei selbiger angestellt ist. Oder aber, weil er einfach deutlich jünger und fitter ist als ich. Wie dem auch sei, ich folgte etwas langsamer bis er dann nach dem ersten steilen Pistenabschnitt auf mich wartete. Immerhin war klar, wer heute gegebenenfalls die Spurarbeit übernehmen würde.

Der Aufstiegsgenuss ist bei dieser Tour so mäßig hoch. Pistentour eben. Aber immerhin ist die Umgebung des Skigebietes sehr ansehnlich und die Fernsicht war ebenfalls klasse. Und natürlich stand direkt vor uns dieser steile und chice Zapfen namens Olperer. Auf den kann man schon mal hochwollen.

Nach anderthalb Stunden hatten wir das Ende des Skigebietes an der Wildlahnerscharte erreicht. Und standen damit auch schon direkt unter dem Einstieg des Nordgrates. Wir ließen also unsere Ski zurück, wechselten auf die Steigeisen und stapften los. Wir hielten uns zunächst rechts vom Grat und erklommen einen steilen Gletscherhang, bevor wir zum Grat hinüberquerten. Leonhard ging voran, denn die Spurarbeit war heute ja eindeutig zugewiesen. Außerdem kannte er das Gelände bereits von einer Sommerbegehung und war daher bei der Wegfindung eindeutig im Vorteil.

Nach dem Firnstapfen ging es an den eigentlichen Nordgrat des Olperer und bald schon kratzten die Steigeisen fröhlich über den Granitgneis, der die Kletterei hier so schön macht. Während Leonhard unbeirrt zügig weiterstieg, musste ich mich erst mal wieder daran gewöhnen, mit Steigeisen zu klettern. Das letzte Mal war bei mir doch schon etwas her. Eine steile Platte bremste mich dann richtig aus. Ich brauchte ewig, um die drei Schritte von einem Eisentritt auf die nächste Platte zu entschlüsseln. Irgendwann war mir dann endlich klar, wie es geht und ich kam über die Stelle drüber.

Das hatte ordentlich Zeit und Nerven gekostet! Leonhard war mittlerweile über alle Berge oder zumindest über die nächsten Grataufschwünge. Aber als ich einige Meter weiter über ein schmales Band querte, baumelte plötzlich ein Seilende mit Karabiner zu mir herab. Das war ja nett! Und ich nahm diese Sicherungsmöglichkeit gerne in Anspruch, zumal ich kurz darauf unter der Schlüsselstelle stand — einem Steilaufschwung mit überhängendem Block (mit den beiden Eisenbügeln oben drauf ca. III). Diese zu überwinden ging nun schneller und bald konnten wir uns gemeinsam ein Bild vom weiteren Gratverlauf machen.

Da noch einige anspruchsvolle Stellen vor uns lagen, beschlossen wir, ab hier am laufenden Seil zu gehen. Die Eisentritte an den schwierigeren Stellen boten sich dabei als Sicherungspunkte an. Beeindruckt beobachtete ich, mit welcher Leichtigkeit sich Leonhard in diesem Gelände bewegte. Immerhin kam auch bei mir allmählich die Sicherheit zurück und wir kamen flüssig voran. Etwas skurril war allerdings, dass direkt unterhalb dieses hochalpinen Grates Hunderte Skifahrer auf perfekt präparierten Pisten unterwegs waren. Halt doch irgendwie eine Pistentour…

13:45 Uhr erreichten wir schließlich den 3476m hohen Gipfel. Geil! Die Aussicht war gigantisch. In der Nähe standen die Größen des Zillertals von Möseler bis Hochfeiler und Schrammacher. Und dahinter ein Wahnsinnspanorama von den Tauern über die Dolomiten, Presanella, Ortler, Stubaier und Ötztaler bis zu Karwendel, Kaiser und Berchtesgadenern. Beigeistert bestaunten wir diesen herrlichen Ausblick.

Schließlich wurde es Zeit zu gehen, denn auch das Abklettern würde Zeit kosten und volle Konzentration erfordern. Wiederum sicherten wir am laufenden Seil bis oberhalb der Schlüsselstelle. Von dort aus seilten wir zwei Mal ab und erreichten so die Querung zurück in den Firnhang ohne größere Schwierigkeiten.

Halb vier waren wir wieder am Skidepot und gingen die Abfahrt an. Diese war dann wieder unspektakulär, Pistentour eben. Aber doch eine besondere Pistenskitour und entsprechend zufrieden setzten wir uns schließlich ins Auto. Erfüllt von diesem tollen Bergtag reihten wir uns in den Stau durchs Zillertal ein.

Daten zur Tour

  • Olperer (3476m), Nordgrat
  • Schwierigkeit PD+, II-III, 40°
  • Angegebener Grat muss trotz Steighilfen geklettert werden
  • Sicherung an Steighilfen möglich
  • 900 Höhenmeter ab Tuxer Fernerhaus
  • Erstbegangen 1897 durch Emil und Otto Zsigmondy im Abstieg
  • Beschreibung und Topo gibt es bei bergsteigen.com

Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

2 Kommentare

Mark · 11. Januar 2023 um 8:38 pm

Das ist mal eine lohnende „Pisten“tour.

    Hannes · 12. Januar 2023 um 8:25 pm

    Ja, fand ich auch – und diese Kombination aus Piste und alpinem Grat recht speziell.

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