Skitouren in der Silvretta vom 25-27.03.2016
Ostern ist oft eine prima Gelegenheit, Skitouren zu gehen. So auch dieses Jahr. Nachdem ein Freund leider kurzfristig verhindert war, entschied ich, mich davon nicht abhalten zu lassen und eben allein von der Heidelberger Hütte aus Skitouren zu gehen, die übersichtlich und nicht zu einsam sein würden. Eine gute Entscheidung, die mir drei herrliche Touren mit dem Piz Tasna als Höhepunkt einbrachte.
Freitag: Ganz um die Ecke liegt Ischgl ja leider nicht, so dass ich doch drei Stunden unterwegs war, bevor ich das Auto abstellen konnte. Dafür war ich zum ersten Mal seit 2009 wieder in der Silvretta! Da der Weg zur Heidelberger Hütte nicht ganz kurz ist und ich später noch weitergehen wollte, gönnte ich mir den Luxus einer Seilbahnfahrt bis zur Mittelstation der Fimba-Bahn (1630m). Hier stieg ich dann gegen halb zehn auf die Tourenski und ging los.
Das Fimbatal ist lang. Und flach. Es zieht sich also. Erster Höhepunkt war das vorübergehende Verlassen des Skigebietes mit dem obligatorischen Warnschild, den gesicherten Bereich zu verlassen. Also endlich wieder alpine Gefahren! Wobei die größte alpine Gefahr in diesem Talabschnitt wahrscheinlich darin besteht, von einem der dampfgetriebenen Motorschlitten des „Silvretta-Express“ über den Haufen gerumpelt zu werden.
Nach Bodenalp und Gampenalp (1975m) geht es dann endgültig raus aus dem Skigebiet. Das Tal bleibt flach, zieht sich hier aber immerhin ruhiger. Noch war das Wetter freundlich, wie vorhergesagt begann es aber schon zuzuziehen. Nach drei Stunden erreichte ich dann die schön gelegene Heidelberger Hütte (2264m), die innen deutlich gemütlicher ist, als sie von außen wirkt. Ich stellte hier ein paar Sachen ab und machte mich gleich wieder auf den Weg, da ich gerne noch die Breite Krone erreichen wollte, einen Gipfel, den ich bei meinem allerersten Silvretta-Besuch im Sommer 2000 schmählich ausgelassen hatte.
Auch im nächsten Abschnitt sind die Hänge flach und die Wege weit. Zunächst war ich erstaunt, dass aus mir niemand unterwegs war, in einer Senke traf ich dann aber auf mehrere Gruppen Tourengeher, die sich gerade in der Abfahrt befanden. Da ich an diesem Wochenende wohl besonders kompetent aussah, wurde ich gleich gefragt, wie man denn hier ohne Gegensteigung hinauskäme. Da konnte ich allerdings nicht recht weiterhelfen.
Weiter ging es über weite Hänge hinauf Richtung Kronenjoch. Die Sicht verschlechterte sich allmählich, aber noch ging es. Am alten Gletscherbecken (keine Ahnung, ob hier noch Gletscher vorhanden ist) erspähte ich eine Vierer-Gruppe, die kurz vor mir unterwegs war. Im weiteren Anstieg kam ich ihr näher, holte sie aber nicht mehr ganz ein. Am Sattel auf 2958m war das Wetter schon ziemlich bescheiden, aber nun war es nicht mehr weit. Die Gruppe vor mir teilte sich an einem Sattel auf: Zwei gingen direkt zum Kronenjoch, um später zur Jamtalhütte abzufahren, zwei andere wandten sich der Breiten Krone zu. Etwa 50m ging es hier noch mit Ski hinauf, dann stellte ich meine Latten zu denen meiner beiden Vorgänger und stapfte bei einsetzendem leichten Schneefall hinauf Richtung Gipfel, von dem die anderen beiden schon wieder herunter kamen.
Oben (3079m) dann starker Wind, Schneefall und Kälte; als Gipfelerlebnis eher unter „geht so“ einzuordnen, auf der Ungemütlichkeitsskala irgendwo zwischen Bleispitze und Allalinhorn. Also schnell wieder runter und durch Armrudern versuchen, die gefrorenen Finger wieder aufzutauen. Und dann ging es an die Abfahrt. Die Sicht war inzwischen ziemlich mies, knapp vor White-out. So richtig schlau war es sicherlich nicht gewesen, noch hier hoch zu gehen. Immerhin hatte ich mir das Gelände gut eingeprägt und auch die zahlreichen Spuren waren noch halbwegs zu erkennen, so dass die Wegfindung kein allzu großes Problem darstellte. Hangform und -neigung waren allerdings gar nicht mehr zu erkennen, so dass das Skifahren zum Eiertanz wurde und ewig dauerte. Viertel vor sechs hatte ich es dann hinter mir und betrat die Stube der Hütte, ziemlich erschöpft und froh, das elende Wetter draußen lassen zu dürfen. Das Gute am Wetter war immerhin, das es morgen Pulverschnee geben würde.
Samstag: Vorfreude beherrschte die Stimmung, als ich mit meinen Tischnachbarn Manuela und Andreas sowie Raffaela und Heinrich frühstückte. Noch war es draußen bewölkt und windig, aber Besserung zeichnete sich ab und dazu lagen ca. 25cm frischer Schnee. Mein Ziel heute war der Piz Tasna, Paradeskigipfel im Gebiet der Heidelberger Hütte.
Gegen 08:30 Uhr ging ich dann los und hatte zu meinem Erstaunen die spurende Gruppe bald eingeholt. Da ich mich fit fühlte, bot ich an, ebenfalls zu spuren und war so bald vorne. Schön war es, durch den frischen, unberührten Schnee zu spuren, wenn auch natürlich etwas anstrengend. Ein Vorteil des Spurens war, dass ich dabei einen guten Eindruck des Schneedeckenaufbaus bekam: Von den ca. 25cm Neuschnee waren die obersten 5cm gebunden, darunter war der Schnee locker. Man würde also aufpassen müssen heute, denn die Gefahr von Schneebrettlawinen war definitiv gegeben.
Als die andere Gruppe schließlich abbog, hatte ich plötzlich die halbe Hüttenbelegung hinter mir. Die folgten lieber mir, weil ich so kompetent wirkte, wie mir später gesagt wurde. Ganz schön seltsam, war ich im Winter doch auch zum ersten Mal hier!
Das Wetter war inzwischen richtig schön geworden und die Sonne schien vom zunehmend wolkenlosen Himmel. Nach dem Abzweig zur Breiten Krone wurde es ruhiger; heute machte es einfach richtig Spaß. Schließlich holten mich drei Damen aus dem Chiemgau ein, von denen sich eine mit mir beim Spuren abwechselte, bis wir auf die Spur trafen, die von der Schweizer Seite heraufzog.
An der Schulter des Piz Tasna ließen wir die Ski zurück und gingen dann zu Fuß über den Grat bis zum Gipfelaufbau. Hier hatten die Tagesersten aus dem Schweizer Skigebiet bereits eine Wühlspur im über 50° steilen Schnee hinterlassen, durch die auch wir uns nun nach oben wühlten: ich vorneweg, dann ein Paar aus der Schweiz und dann die Chiemgauerinnen. Der Ausblick am Gipfel des Piz Tasna (3179m) war herrlich: Die Silvretta-Granden Piz Linard, Piz Buin, Fluchthörner, dazu weiter weg die Gruppen von Bernina, Ortler und Ringelspitz. Einfach herrlich!
Beim Abstieg durch den lockeren Schnee war ich dann froh, einen Pickel dabei zu haben, auch wenn andere ohne gingen. Mittlerweile war einiges los, wobei eine ganze Reihe Tourengeher den Gipfelaufbau ausließen. Zurück am Skidepot machte ich erst einmal Pause, bevor ich meinen Weg fortsetzte. Hier traf ich auch Erika und Kai aus Rum, die das gleiche vor hatten wie ich, nämlich nordwestseitig abfahren und dann in die Fuorcla Davo Dieu aufsteigen, den Piz Davo Lais besteigen und dann zur Hütte abfahren.
So taten wir uns also zusammen und genossen zunächst die herrliche Abfahrt über den perfekt geneigten Vadret da Tasna hinunter in die Davo Lais. Hier fellten wir wieder auf, um zur Scharte aufzusteigen. Nachdem ich an diesem Tag ja bereits einiges gespurt hatte, war ich dankbar, dass nun Kai die Führung übernahm und die Spur hinauf zur Scharte legte. Als wir oben ankamen, war es bereits 14:45 Uhr und meine beiden Begleiter beschlossen, direkt abzufahren. Der nahe Gipfel des Davo Lais war sehr verlockend, aber ich wollte nicht den gleichen Fehler machen wie am Tag zuvor und entschied mich ebenfalls dafür, die Tour hier abzubrechen.
Mittlerweile war der Schnee schon schwerer geworden, trotzdem hielt die Abfahrt zur Hütte noch einige schöne Hänge bereit. Abends tauschte ich mich dann mit meinen Tischnachbarn über unsere heutigen Touren aus, alle mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht und Begeisterung in den Augen. Solch perfekte Skitourentage hat man nicht oft.
Sonntag: Für mich der letzte Tag im Schnee. Aufgrund der Sommerzeitumstellung mussten wir früh aufstehen, so dass unsere Tischgemeinschaft noch recht müde war, als wir gegen sieben beisammen saßen. Heute hatten Manuela, Andreas, Heinrich und ich sogar das selbe Ziel, die Larainferner Spitze. Während die anderen drei nach einem Abstecher ins Laraintal allerdings über die Heidelberger Scharte wieder zur Hütte zurückkehren wollten, hatte ich vor, das Tal ganz abzufahren.
Auch heute war das Wetter sehr schön, dünne Schleierwolken kündigten aber schon die für abends vorhergesagte Verschlechterung an. Heinrich ging vorneweg, wartete aber immer wieder auf mich, Manuela und Andreas gingen zusammen mit einer anderen Gruppe etwas langsamer. Auf dem Weg zur Scharte holten wir eine dreiköpfige Familie aus Tirol ein, die Eltern sehr erfahren, der elfjährige Sohn erstaunlich fit (er löste mich sogar beim Spuren ab).
Da nur der linke, südliche Teil der Scharte unterhalb der Fluchthörner gefahrlos erreichbar war, mussten wir oben ein Stück über den Grat queren, bevor wir den Gipfelaufbau der Larainferner Spitze angingen. Die Flanke war ca. 45° steil, im Gegensatz zum Vortag allerdings gut verfirnt und sauber eingespurt. Die Familie stieg hier vorweg, dann folgten Heinrich und ich. Gegen 11:30 Uhr standen wir am 3009m hohen Gipfel und genossen noch einmal eine sehr schöne Aussicht.
Heute fiel die Gipfelpause allerdings nicht allzu lang aus, da ich nicht zu spät durch das offensichtlich nachmittags von Lockerschneelawinen bedrohte Laraintal abfahren wollte. Zunächst fuhren Heinrich und ich gemeinsam von der Scharte auf den Larainferner und hier über herrliche Pulverhänge abwärts. Dann wurde es Zeit, sich zu verabschieden, denn die Anderen stiegen nach rechts zur Heidelberger Scharte auf, während ich meinen Weg über den unteren, flachen Teil des Gletschers allein fortsetze und dann weiter ins Tal hineinfuhr. Es war ein tolles Gefühl, dieses ganze Tal für mich zu haben.
Dies allerdings hielt nicht lange an, denn vom Ritzen-Joch kam eine Gruppe mit Bergführer hinab, der ich etwa von der Jagdhütte bis zur Larain-Alm (1860m) hinterherfuhr. Auch dieses Tal ist im unteren Bereich recht flach und weist einige Schiebestrecken auf, läuft aber doch besser als das Fimbatal.
Unterhalb der Alm ging es dann über einen Forstweg durch den Wald hinab nach Tschafein (1650m), wo ich viertel vor zwei dieses herrliche Skitourenwochenende beendete. Toll war’s und noch schöner, als ich erwartet hatte.
Daten zur Tour
- Breite Krone (3079m), Normalweg aus dem Fimbatal
- SKT-Schwierigkeit F
- 1400 Höhenmeter ab Pardatschalpe
- Piz Tasna (3179m), Normalweg und Überschreitung Fuorcla Davo Lais
- SKT-Schwierigkeit PD+
- 1150 Höhenmeter ab Heidelberger Hütte
- Larainferner-Spitze (3009m), Normalweg mit Abfahrt ins Lareintal
- SKT-Schwierigkeit PD+
- 750 Höhenmeter ab Heidelberger Hütte
6 Kommentare
magdalena · 29. April 2016 um 4:50 pm
Herrliche Bilder, tolle Tourenbeschreibung. Macht ja richtig Lust..
Die Silvretta stand heuer auch auf unserem Tourenplan – schade, es ist leider nichts daraus geworden.. aber ein nächster Winter kommt bestimmt 😉 – hoffentlich mit richtig viel Schnee!
Wünsch dir ein schönes Wochenende!
Carolin · 29. April 2016 um 8:19 pm
Was für tolle Bilder! Da habe ich ja eigentlich ganz andere im Kopf, wenn ich an Winter im Paznaun und vor allem in Ischgl denke!
Bald bin ich wieder dort. Hoffentlich ohne Schnee, auch wenn Dein Bericht und die Fotos Lust auf die kalte Jahreszeit dort machen.
Viele Grüße
Carolin
Hannes · 30. April 2016 um 10:29 am
Vielen Dank für die netten Kommentare! Lustig, dass Ihr gerade die Bilder lobt, habe ich mich an diesem herrlichen Wochenende doch mehrfach geärgert, ausgerechnet am Wochenende zuvor meine gute Kamera verloren zu haben.
Na ja, inzwischen habe ich notgedrungen wieder aufgerüstet (Fotografieren macht mir einfach zu viel Freude, um dauerhaft mit schlechter Kamera unterwegs zu sein): http://www.deichjodler.com/2016/04/winterliche-fruehlingstour/
Euch auch ein schönes Wochenende und schöne Frühjahrstouren in nächster Zeit
Hannes
Ilka · 11. März 2017 um 4:42 pm
Schöner Bericht! Gibt’s in Ischgl Tourentickets? Hab dazu online nichts gefunden, gehe aber davon aus, dass du für die Fahrt bis zur Mittelstation dir kein Tagesticket geholt hast 😉
Hannes · 12. März 2017 um 11:26 am
Servus Ilka,
danke Dir! Die Alternative zur Tageskarte heißt in diesem Fall ganz einfach „Einzelfahrt“. 😉 Spezielle Tickets für Tourengeher gibt es meines Wissens nach nicht.
Grüße
Hannes
Ilka · 12. März 2017 um 7:59 pm
Vielen Dank. Das verraten sie einem natürlich auf der Homepage nicht 😉