Klettern im Kaisergebirge am 17.09.2023
Der Kopftörlgrat auf die Ellmauer Halt ist eine dieser Touren, die ich schon lange mal machen wollte. Aber irgendwie klappte es lange nicht. Mal hatte ich zu viel Respekt vor der Tour, mal keinen Partner, mal waren andere Vorhaben wichtiger. Nun aber war es endlich soweit und Dirk und ich gingen diese wirklich wunderschöne Gratkletterei an.
Dass Die Tour lang ist, wussten wir. Trotzdem hatte ich mich geweigert, meinen Wecker früher als auf 04:00 Uhr zu stellen. Verweichlichung im Alter eventuell. Oder Vertrauen in unsere Fähigkeiten, diesen Klassiker in halbwegs vernünftiger Zeit zu bewältigen. In unserer kleinen und sehr feinen AV-Sektion hatte ich mir ein paar Tourentipps und Taktik-Infos besorgt, so dass wir einen guten Plan hatten. Jetzt musste der nur noch aufgehen…
Viertel vor Sieben starteten Dirk und ich an der Wochenbrunner Alm (1085m) und folgten dem Schild richtung Gruttenhütte. Als ich gähnend bemerkte, dass wir gerade zur Gaudeamushütte aufstiegen und damit ganz sicher nicht dem kürzesten Weg zur Gruttenhütte folgten, war es schon zu spät, um noch mal umzudrehen. Na gut, dann halt durch den Klammlweg weiter. Auch so waren wir nach ca. 1h an der Hütte und nach 2h am Kopftörl (2058m), der Zeitverlust hielt sich also in Grenzen.
Dort machten sich gerade zwei Mädels startklar und legten los. Weiter vorne sahen wir noch mal zwei Seilschaften, der Andrang war also überschaubar. Von hier aus bauen sich die Türme des Kopftörlgrats ziemlich beeindruckend auf und schauen ganz schön schwer aus. Aber wir wussten natürlich, was uns erwartete und dass die Kletterei nicht so schwer werden würde, wie sie von hier aus wirkte. Umso mehr beeindruckt war ich von Georg Leuchs, der vor 120 Jahren den Mut hatte, ganz allein diesen Anstieg zu erkunden, ohne dass er wusste, was vor ihm lag.
Wir zogen Helme, Gurt etc. an und gingen dann gegen 09:000 Uhr weiter. Unser Plan war, möglichst bis zum vierten Turm seilfrei zu gehen. Gleichzeitig wollten wir auch bis dahin in der Lage sein, bei Bedarf schnell anseilen zu können. Es gibt ja wenig Blöderes als ungesichert irgendwo im Gruselgelände zu stehen und nicht anseilen zu können, weil man noch keinen Gurt anhat. Und Gurt anziehen wiederum ist echt schwierig, ohne loszulassen, was auch immer man in der Hand hält, um sich festzuhalten.
Nun also los. Hinter dem Kaindl-Steward-Turm entlang, einen ersten kurzen Kamin empor und eine ausgesetzte Querung (II) entlang. Dann waren wir im Gehgelände und verkofferten uns prompt zwei Mal. Erst stiegen wir auf, wo wir besser weiter gequert wären, dann querten wir weiter, wo wir hätten aufsteigen sollen. Als wir den Beginn der eigentlichen Kletterei erreichten, waren wir schon fast eine Stunde unterwegs. Was mich etwas unentspannt machte. Meine früheren Kaisertouren hatten bisweilen zeitlich epische Ausmaße angenommen, worauf ich heute wirklich keine Lust hatte. Zumal uns bei der Herfahrt aufgefallen war, dass wir beide (!) vergessen hatten, eine Stirnlampe einzupacken.
An der Scharte vor dem zweiten Turm mussten wir uns nochmals kurz (wobei „kurz“ auch relativ ist) orientieren, dann hatten wir endlich begriffen, wo wir waren und kletterten los. Beherzt ging Dirk die steile Verschneidung (III-) an, die sich als viel leichter entpuppte, als sie von unten zunächst aussah. Es folgte ein Schrofenabstieg (I-II) zur Scharte vor dem dritten Turm. Nun bereits warm geklettert und auch mental gut drauf, trauten wir uns auch diesen ohne Sicherung zu.
Breiten Rissen (III) folgend erklommen wir ein Band, dem wir auf die Nordseite folgten. Dort führte dann hinter einer Schuppe eine Platte empor, die sich an ihrem rechten Rand gut bezwingen ließ (III-). Anschließend standen wir vor einem unten beeindruckend steilen Kamin. Mit spreizen und stemmen ging es hier aufwärts, ein wenig Wandkletterei war auch dabei und wir hatten richtig Spaß daran. Oben folgte noch ein enger und origineller Ausstieg hinter einem Klemmblock, dann war auch diese Passage (III) geschafft.
Zum vierten Turm hin mussten wir wieder Schrofengelände queren (I-II), das auch eine schön ausgesetzte Stelle bereithielt. Am Fuße des Turmes holten wir die beiden Mädels ein, die uns netterweise vorbei ließen. Also zügig weiter. Erst durch einen breiten Kamin aufwärts (III-), dann über einige steile Stufen nach rechts (III). Hier holten wir eine weitere Seilschaft ein und mussten kurz warten. Die nun folgende Seillänge war bislang die anspruchsvollste, für mich aber auch eine der schönsten der Tour. Erst ging es eine megagute Verschneidung hoch, die von unten etwas abweisend ausschaut, aber super Griffe bietet, dann sehr exponiert am Grat entlang (III). Wäre Dirk hier nicht so überzeugt weitergeklettert, hätte ich das wahrscheinlich nicht ohne Seil gemacht. Es ging dann aber richtig gut.
Am nächsten Standplatz ließen uns auch die beiden Jungs freundlicherweise vorbei und wir nahmen den nächsten Schrofenabstieg (I-II) in Angriff. Dieser endet vor einem fallenden Kamin, an dessen Ende eine sehr luftige Querung wartet. Vor dieser Stelle hatte ich mit am meisten Respekt und so seilten wir uns hier nun doch an.
Vorsichtig stieg ich den Kamin ab und erreichte, den Block, von dem aus man seitlich auf ein Band übertreten muss. Das ging viel besser, als ich befürchtet hatte und auch die weitere Querung sowie ein weiterer Übertritt in einen Minikamin mit Super-Henkel-Köpfel (III) ging recht problemlos.
Dirk führte anschließend die III- -Länge um den fünften Turm herum. Ich hatte dann noch ein paar Meter leichtes Gelände bis zum Stand am Fuße des sechsten Turms, bevor Dirk die tolle Länge dort hinauf führen durfte. Ein steile Verschneidung hoch (III+), dann in einem rechts-links-Bogen über Bänder und anschließend nochmals steil an der Kante zum nächsten Stand. Da nun wieder leichtes Gelände folgte, packten wir das Seil zunächst ein. Eventuell lohnt es sich aber, noch kurz angeseilt zu gehen, denn die ersten Meter vom Standhaken nach links um eine Kante (II) sind wirklich luftig.
Wir konnten nun den Gipfel direkt vor uns sehen, weit war es also nicht mehr. Aber wo war die letzte Seillänge? Wir stiegen in eine Scharte und schauten nordseitig, aber das sah wenig begangen aus. Dann machte ich einen Erkundungsgang auf der Südseite und fand schließlich – die Umgehung. Die kam heute aber nicht in Frage. Also wieder zurück. Mittlerweile hatte uns die zuletzt überholte Seilschaft wieder eingeholt. Sie schauten auch nordseitig und fanden – siehe da – die letzte Seillänge.
Wir warteten artig und schauten den beiden netten Kletterkollegen beim Bezwingen der Schlüsselstelle (IV-) zu. Dann war ich dran. Erst ging es aufwärts zu einem fast waagerechten Riss, dann in diesem nach links zu einem breiten senkrechten Riss. Über diesen hinweg und dort über einen abdrängenden Aufschwung. Das fand ich schon deutlich anspruchsvoller als die Kletterei zuvor, aber es machte auch echt Spaß. Der Rest der Seillänge war dann wieder leichter und bald erreichte ich den Gipfel der Ellmauer Halt (2344m). 14:30 Uhr hatten wir die Tour geschafft, trotz ein wenig Wartezeit und mehrerer Verhauer im leichten Gelände. Prima.
Da die meisten Besucher schon weg waren, hatten wir den Gipfel zu viert für uns. Wir packten also gemütlich unsere Brotzeit aus, ratschten und genossen die Aussicht. Das mag ich immer besonders: Nach einer anspruchsvollen Tour entspannt und ohne Stress am Gipfel sitzen.
Der Abstieg über den mir bereits bekannten Gamsängersteig zog sich dann noch mal. Halb fünf erreichten wir die Gruttenhütte (1620m), wo wir dann ganz dringend noch mal Pause machen mussten. Weißbier, Kasspressknödelsuppe und Kuchen stellten in der Folge die Wanderfähigkeit wieder her. So konnten wir auch den weiteren Abstieg bewältigen, dieses Mal auch auf dem kürzesten Weg.
Zurück am Parkplatz freuten wir uns ganz einfach über diese wunderschöne und lange Tour und darüber, dass heute alles so gut geklappt hatte. Ist ja auch mal schön, einen Kaiserklassiker ganz ohne epische Verzögerungen und Abstieg im Dunkeln zu klettern.
Daten zur Tour
- Ellmauer Halt (2344m), über Kopftörlgrat
- Schwierigkeit IV- (eine Stelle, oft III), ca. 10 SL, (je nach Bedarf), 1400m
- Absicherung alpin mit Klebehaken an kritischen Stellen
- 1500 Höhenmeter
- Abstieg über Gamsängersteig (T4, I, B-C)
- Erstbegangen am 25.6.1900 durch Georg Leuchs im Alleingang
- Infos und Topo bei bergsteigen.com
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