Bergtour im Karwendel am 08.07.2023
Die Besteigung der Hochkarspitze über deren Normalweg stellt nur geringe technische Anforderungen. Dafür müssen Aspiranten Ausdauer und vor Allem Wegfindungsgespür mitbringen. Wer über diese Eigenschaften verfügt und auch den Karwendel-Schotter zu schätzen weiß, wird auf dieser Tour auf seine Kosten kommen.
Für diesen Samstag war instabiles Wetter vorhergesagt, so dass ich eine überschaubare Tour mit wenig exponiertem Gelände angehen wollte. Da wäre doch die Hochkarspitze ein geeignetes Ziel, dachte ich mir. Zumal ich sie schon zwei Mal nicht bestiegen hatte und es Zeit wurde, das endlich nachzuholen.
Kurz vor neun schwang ich mich in Scharnitz aufs Bergradl. Nachdem ich das Radfahrerfeld von hinten aufgerollt hatte (eigentlich bin ich kein schneller Bergauf-Fahrer, aber heute lief es irgendwie), ging es dann entspannt weiter durchs Karwendeltal bis zum Großen Schafstallboden. Hier deponierte ich das Radl und ging nun zu Fuß weiter.
Da ich schon einmal hier war, wusste ich, wo der Steig ins Großkar zu finden ist. Erst durch Wald, dann über Wiesen, und schließlich über eine Schuttreiße stieg ich ins Untere Großkar. Viele verschiedene Blumen blühten ringsherum, Schmetterlinge flattern umher und die freundlichen Bremsen luden mich zu einem zweiten Frühstück ein (ich war aber nicht recht in Stimmung dafür).
Ist es unten sehr einfach, dem Steig zu folgen, ändert sich das nach oben hin. Es gilt ja für Steigspuren ein Realitäts-Einbildungs-Kontinuum. Manche Steigspuren sind sehr deutlich und es ist völlig klar, wohin sie führen. Andere kann man nur erahnen, sie leiten aber zuverlässig zum gewünschten Ziel. Und dann gibt es eingebildete Spuren, die quasi genauso aussehen wie erahnten, aber nur in die Irre führen. Man kann sich also nie ganz sicher sein.
Der Großkar-Steig deckt einen recht weiten Bereich dieses Kontinuums ab. Und so muss man schon genau hinschauen und den richtigen Wegverlauf erspüren. Im Aufstieg gelang mir das leider nicht so gut, was mir einige zusätzliche Mühen einbrachte. Später, im Abstieg, hingegen lief es perfekt. Und überall dort, wo der Steig nicht mehr zu erkennen war, war ich in der Lage, mir die fehlenden Abschnitte passend hinzuzuimaginieren.
Trotz einiger mühevoller Abschnitte und weil ich vom letzten Besuch her den groben Wegverlauf noch im Gedächtnis hatte, erreichte ich schließlich das Obere Großkar. Das Kar macht seinem Namen alle Ehre. Weite Wiesenhänge erstrecken sich hier zwischen Schönberg- und Hochkarspitze, in denen niemand unterwegs war. Nur der gelegentliche Pfiff eines Murmlers durchbrach die Ruhe dieses abgeschiedenen Ortes.
Über Wiesenhänge stieg ich nach Nordosten in die verkarstete Karmulde, die wiederum ein ganz eigentümliches Landschaftsbild zeigt. Von hier aus wandte ich mich zunächst nach Norden, dem Wörner zu. Ich stieg ein Stück auf und querte dann die weiten Geröllhänge nach rechts zur Hochkarspitze, schwachen Steigspuren folgend. Das erschien mir deutlich weniger anstrengend als besagte Geröllhänge direkt zu erklimmen.
Nach einer kurzen, unschwierigen Felsstufe erreichte ich die nächste Schuttreiße, die noch zu einem großen Teil mit Schnee bedeckt war. Auch diese querte ich und stieg an ihrem im Aufstiegssinn rechten Rand durch leichte Felsen (I) auf einen Grasrücken. Über diesen erreichte ich wiederum eine unangenehme (dünne Geröllauflage auf hartem Untergrund) Rinne, die zum Südgrat der Hochkarspitze leitete.
Hier angekommen hatte ich zum ersten Mal Ausblick nach Osten, sah die Raffelspitze vor und unter mir, dahinter Schlichtenkarspitzen, Östliche Karwendelspitze, Grabenkarspitze. Sowie auf der anderen Seite des Hochalmsattels das Massiv aus Ödkarspitzen und Birkkarspitze. Bestes Karwendel also. Nach gebührendem Genuss dieser Aussicht setzte ich meinen Weg fort. Etwas links der Gratkante querte ich aufwärts zu einem Steinmann (I) und erreichte kurz danach einen Vorgipfel. Von dort war dann nur noch ein kurzes Gratstück (I, etwas ausgesetzt) zu überwinden, bis ich es mir am Gipfelstecken gemütlich machen konnte.
Herrlich war es hier. Der Blick auf Tiefkarspitze, Großkarspitzen und Wörner direkt vor mir, rechts die Soiernspitze und dahinter die Voralpen mit Walchensee, Jochberg und Benediktenwand. Und schließlich der Starnberger See in der Ferne. Nur München war im Dunst nicht recht zu erkennen. Nach Brotzeit und vergeblicher Suche nach einem Gipfelbuch (schade – mich hätte interessiert, wie oft der Berg bestiegen wird) lehnte ich mich mit dem Rucksack an einen großen Stein und machte für ein paar Minuten die Augen zu. Einfach gut.
Gegen halb zwei machte ich mich dann wieder auf den Weg. Das Wetter sah so aus, als würden sich Schauer ausbilden und bis dahin wollte ich zumindest den anspruchsvollen Teil des Abstiegs hinter mir haben. Zunächst stieg ich genau entlang meines Aufstiegsweges ab, dann fuhr ich direkt über die große Geröllreiße ins Großkar ab. Das sparte natürlich eine Menge Zeit.
Nun wanderte ich auf etwas anderer Route durchs Großkar und folgte dann dem Steig hinab. Die Querung der steilsten Geröllhänge gelang mir noch trocken, dann holte mich ein erster kurzer Schauer ein. Na ja, jetzt machte es nicht mehr viel aus. Weiter unten luden mich die Bremsen mit doppelter Penetranz zum Nachmittagstee, aber ich hatte immer noch keine Lust.
Die Radlabfahrt war dann sehr entspannt und dass ich auch bei dieser zwischendurch nass wurde, nicht weiter schlimm. Halb fünf war ich schließlich wieder in Scharnitz und freute mich über eine mal wieder sehr schöne, recht weite und sehr einsame Karwendeltour.
Daten zur Tour
- Hochkarspitze (2482m), durchs Großkar
- Schwierigkeit T5-, I
- 1600 Höhenmeter
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