Berg- und Klettertour im Karwendel am 21.08.2022

Der deutsche Anteil am Karwendel oberhalb von Mittenwald ist klein. Und bietet trotzdem eine erstaunliche Vielfalt an Tourenmöglichkeiten. Eine der exklusiveren ist die Überschreitung der Karwendelköpfe. In Kombination mit der Viererspitze ergibt sich eine erstaunlich wilde Karwendelfahrt in leider oft sehr schlechtem Fels. Empfehlenswert nur für eingefleischte Bruchfreunde.

Die Überschreitung der Karwendelköpfe spukte sowohl Gregor als auch mir schon länger im Kopf herum. Gregor hatte immerhin schon den Anstieg auf den Nördlichen Karwendelkopf erkundet. Der Rest war unbekannt. Sowohl im AV-Führer als auch online findet man nur recht spärliche Informationen darüber. Und wir kennen auch niemanden, der da schon mal war. Die Tour scheint nicht oft gemacht zu werden. Und mittlerweile wissen wir auch, warum…

Zehn vor acht starteten wir in Mittenwald zu einer abenteuerlichen Karwendelrunde. Nach einigem Hin und Her hatten wir uns entschieden, die Karwendelköpfe von Norden nach Süden anzugehen und damit genau anders herum als im AV-Führer beschrieben. Als Zugang hatten wir uns für die Vordere Kreuzklamm und die Viererspitze entschieden, die Gregor beide schon kannte.

So stiegen wir zunächst den Wanderweg zur Mittenwalder Hütte auf und bogen an geeigneter Stelle auf den schmalen Steig ab, der die große Wanne zwischen Gerberkreuz und Karwendelköpfen nach Nordosten quert. Landschaftlich ist bereits dieser Abschnitt großes Kino. Die Schwierigkeiten halten sich hier noch in Grenzen und bestanden vor allem darin, dass Gras und Wurzeln vom Regen am Vortag nass war.

Später folgen erste kurze Kraxelstellen (II) und dann geht es in die Vordere Kreuzklamm, die in den Sattel zwischen Viererspitze und Nördlichem Karwendelkopf leitet. Die Klamm ist hier eher eine felsige Rinne. Vom Wasser glatt geschliffen und von losem Gestein befreit bietet sie sehr schöne Kletterei bis II (oder auch schwerer, wenn man es will). Oft griffig, manchmal plattig ging es hier für uns sehr genussvoll bergauf. Es war auch perfekt zum warm kraxeln und ich merkte bald, dass ich heute einen guten Tag haben würde.

Als wir uns der Viererspitze näherten schlug Gregor vor, die Überschreitung derselben ebenfalls durchzuführen. Da musste er mich nicht lange überreden und so bogen wir aus der Rinne zum Fuß des Südwestgrates ab. Helm auf, Gurt an, das Seil blieb aber noch im Rucksack. So gingen wir den Grat an. Die IVer-Stelle am Einstieg umgingen wir rechts (III) und folgten dann dem schönen Grat bis zum Gipfel. Der Fels ist griffig und fest, die Kletterei (bis III+) schön, aber nie anhaltend. So fühlte ich mich auch in Zustiegsschuhen und ohne Seil vollkommen wohl. Wie gesagt, guter Tag heute.

Am Gipfel angekommen stiegen wir gleich wieder über den Normalweg (II) ab. Wir folgten dann ein Stück dem Steig, der zur Kreuzwand und ins Dammkar führt. Da wo dieser den Fuß des Nördlichen Karwendelkopfes erreicht, verließen wir ihn und stiegen über einen Aufschwung (III, fixe Reepschnur an Schlaghaken) auf ein Band und weiter durch Grasschrofen zum Fuß der Nordwestrinne. Diese bietet dann eine Mischung aus losem Geröll und sehr brüchigem Fels (II) und leitet – einmal unterbrochen durch eine Scharte – zur Gipfelwiese (2215m).

Dort angekommen machten wir Pause und packten unsere Brotzeit aus. Bis hierher hatte Gregor den Weg schon erkundet, nun aber stand uns der spannende Teil bevor. Immerhin, die Aussicht war schon mal prima und das Wetter viel besser als erwartet. Es schien also alles bereitet für ein schönes kleines Karwendelabenteuer.

Zunächst wanderten wir entspannt über den Wiesengrat dem Mittleren Karwendelkopf entgegen. Einige erste Türme konnten wir meist rechterhand umgehen. Deren splittriger Fels war aber schon mal eine Einstimmung auf das, was uns erwartete.

Auf dem Anstieg in die Scharte vor dem großen Gratturm mussten wir dann wieder Hand anlegen (I-II). Der Fels war auch hier splittrig-brüchig, dafür auch mit viel Geröll bedeckt. Wir konnten uns also aussuchen, was uns mehr störte. Die Brüchigkeit hier kam uns auch besonders unangenehm vor, weil unsere auf anderen Karwendeltouren geschulte Intuition nicht funktionierte. Wir mussten wirklich jeden Tritt und Griff einzeln prüfen, weil kaum zu erkennen war, was halten würde und was nicht.

In der Scharte schauten wir uns den Weiterweg auf den großen Turm an. Puh, das sah wild aus. Der Fels wurde hier zwar nicht besser, dafür steiler. Zunächst hielten wir uns an die Gratkante, bis diese zu schwierig wurde, querten dann ein Stück nach rechts, und stiegen wieder auf. Das Ganze lag im Bereich II-III und machte nicht mehr wirklich Spaß.

Oben angekommen nahmen wir den nächsten kurzen Aufschwung kritisch in Augenschein. „Wir können auch umdrehen,“ meinte ich zu Gregor. „Stimmt,“ antwortete er, „aber wahrscheinlich ist das genauso gruselig wie weitergehen.“ Da war was dran, zumal wir den Weiterweg mittlerweile recht gut einsehen konnten.

Die Scharte vor dem Gipfelaufbau erreichten wir recht unkompliziert über eine Gratpassage (II) und ein abschüssiges Geröllband. Dann standen wir vor der – laut AV-Führer – Schlüsselpassage und packten dementsprechend das Seil aus.

In der ersten Seillänge führte Gregor durch einen kurzen Kamin (IV) und dann am Grat zu einem Köpfl. “Nach dem Kamin musst Du schauen, was hält,“ rief er. Aha, klingt ja super, dachte ich mir. Der erste Tritt noch im Kamin hielt schon mal nicht und verabschiedete sich bei der ersten Belastung richtung Mittenwald. Wer weiß, vielleicht hatte er ja noch was vor.

Zwei weitere Seillängen bis III+ sicherten wir (mit Schlingen und Keilen) teils am Grat, teils diesen umgehend bis zum Gipfel (2365m). Wir waren ziemlich erleichtert, dort angekommen zu sein und den übelsten Bruch hinter uns zu haben. Der Weiterweg über den Südgrat bescherte uns dann noch einmal schöne Gratkletterei (bis II) in nun besserem Fels. Den senkrechten Abbruch des Südlichen Karwendelkopfes umgingen wir rechts herum und stiegen dann durch eine Schlucht und über eine herrliche, wasserzerfressene Platte (II) zum letzten Gipfel des Tages (2358m).

Ein paar Meter weiter machten wir Pause auf einer Wiese, genossen die Aussicht, unsere Brotzeit und die bewältigte Tour. Ein richtiges Abenteuer direkt oberhalb von Mittenwald und nur ein paar hundert Meter von der Karwendelbahn entfernt.

Auf dem Weg zum Karwendelsteig mussten wir noch einmal Hand anlegen und ein paar ausgesetzte Klettermeter (II) bewältigen, dann war es wirklich geschafft und wir konnten entspannt talwärts gehen. An der Westlichen Karwendelspitze vorbei und dann den Steig hinab durch die Wanne. Mit einem weinenden Auge gingen wir an der schön gelegenen Mittenwalder Hütte vorbei, denn heute hatten wir nicht mehr so viel Zeit. 18:00 Uhr waren wieder unten nach diesem recht exklusiven Karwendelabenteuer. Irgendwie war es toll, die Überschreitung der Karwendelköpfe bewältigt zu haben. Aber ehrlich gesagt war es mir heute etwas zu viel Bruch und jedes Mal brauche ich diesen Nervenkitzel nicht.

Daten zur Tour

  • Überschreitung Viererspitze und Karwendelköpfe (2365m)
  • Schwierigkeit T6, IV (kurz, mehrere Stellen III+, sonst bis III)
  • Am Südwestgrat der Viererspitze und am Südgrat des Mittleren Karwendelkopfes Bohrhaken, sonst kein fixes Material vorhanden
  • Über weite Strecken sehr brüchig
  • 1600 Höhenmeter
  • Infos und Topo Viererspitze SW-Grat bei bergsteigen.com


Hannes

Ursprünglich Flachländer bin ich als Jugendlicher zufällig zur Liebe zu den Bergen gekommen. Seitdem bin ich immer wieder im Gebirge und gelegentlich auch am Meer unterwegs. Da ich schon immer gern geschrieben habe, startete ich 2010 dieses Blog, um andere Reiselustige und Bergfreunde an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

2 Kommentare

Mark · 1. September 2022 um 6:58 pm

Gratulation zur abenteuerlichen Tour. Ich hatte schon mehrfach die Gelegenheit die Karwendelköpfe aus der Nähe anzuschauen, aber nie kam es zum Wunsch sie zu besteigen, obwohl es eine logische Linie ist. Dein Bericht ändert daran seltsamerweise nichts.

    Hannes · 4. September 2022 um 1:00 pm

    Wirklich seltsam. Dabei habe ich mir doch solche Mühe gegeben, Werbung für diese Tour zu machen. 😉

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